Fragen und Antworten
Ab November gilt in Deutschland das neue Selbstbestimmungsrecht - doch schon ab jetzt kann man anmelden, dass man seinen Geschlechtseintrag ändern möchte. Worum geht es dabei genau? Ein Überblick von Bianca Schwarz
Wer künftig seinen Geschlechtseintrag und seinen Vornamen ändern möchte, muss das laut neuem Selbstbestimmungsrecht drei Monate vorher beim Standesamt anmelden. Das neue Gesetz gilt ab dem 1. November, das heißt: Wer sich jetzt beim Standesamt anmeldet, kann pünktlich zum Stichtag seinen Vornamen und seinen Geschlechtseintrag ändern.
Wie funktioniert die Änderung genau?
Über eine sogenannte "Erklärung mit Eigenversicherung", die man künftig beim Standesamt abgeben muss. Mit dieser Erklärung versichert eine Person, dass der gewählte Geschlechtseintrag oder die Streichung des Geschlechtseintrags sowie der neu gewählte Vorname ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht. Außerdem muss man versichern, dass man die Tragweite der Folgen dieser Änderung verstanden hat.
Muss man den Vornamen auch ändern?
Den Vornamen muss man nicht unbedingt ändern, aber er muss zum Geschlecht passen. Wer zum Beispiel Kai heißt, ein Name, der für beide Geschlechter gebraucht wird, könnte auch weiterhin Kai heißen. Aber wer einen klar weiblichen oder klar männlichen Vornamen hat und den Geschlechtseintrag konträr dazu ändert, muss dann auch den Namen ändern.
Kann man auch nur den Vornamen ändern ohne den Geschlechtseintrag?
Nein. Das Selbstbestimmungsrecht richtet sich nur an trans, inter und nichtbinäre Menschen. Die Änderung des Vornamens resultiert aus der Änderung des Geschlechtseintrages.
Worum geht es beim Selbstbestimmungsrecht?
Für trans, inter und nichtbinäre Menschen wird es mit dem Selbstbestimmungsrecht einfacher, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen. Vorher musste das ein Gericht entscheiden, künftig geht es über die Erklärung beim Standesamt.
Es gelten weiter die Einträge "männlich", "weiblich" und "divers". Man kann seinen Geschlechtseintrag auch komplett streichen lassen. Die Änderung muss man drei Monate vorher beim Standesamt anmelden. Wenn man nach sechs Monaten noch immer keine Erklärung abgegeben hat, verfällt die Anmeldung.
Warum braucht es das neue Gesetz überhaupt?
Grundsätzlich schützt das Grundgesetz auch das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung, das hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigt. Aber das aktuell geltende Gesetz macht Änderungen für Betroffene schwierig: Bisher war es so, dass man für die Änderung des Geschlechtseintrags zwei Gutachten von zwei verschiedenen Sachverständigen braucht. Entschieden hat am Ende ein Gericht.
Gerade die Begutachtung wurde von vielen Betroffenen als belastend empfunden. Selbst manche Sachverständige sind eher skeptisch: Der deutsche Psychotherapeutentag hat sich beispielsweise gegen die Gutachten ausgesprochen und findet es besser, den Geschlechtseintrag vom Geschlechtsempfinden der Person abhängig zu machen, die den Antrag stellt.
Welche Regelungen gelten bei Minderjährigen?
Minderjährige bis zum Alter von 14 Jahren können keine "Erklärung mit Eigenversicherung" abgeben, aber die Eltern beziehungsweise Sorgeberechtigten könnten es. Dazu muss das Kind zustimmen und es muss beim Standesamt dabei sein.
Minderjährige können ab 14 die Änderungserklärung selbst abgeben, aber nur mit Zustimmung der Eltern oder Sorgeberechtigten. Wenn die nicht zustimmen sollten, können Minderjährige ab 14 mit ihrem Anliegen zum Familiengericht. Dieses legt den Maßstab des Kindeswohls an, hinterfragt also, was für die Person besser wäre, worunter sie mehr oder weniger leiden würde. Folgt das Familiengericht dem Wunsch eines oder einer Minderjährigen ab 14, kann es die Eltern oder Sorgeberechtigten überstimmen.
Geht es beim Selbstbestimmungsrecht auch um medizinische Eingriffe?
Nein, es geht an keiner Stelle um medizinische Maßnahmen, also darum, ein Geschlecht hormonell oder operativ zu verändern. Es geht ausschließlich um den Eintrag beim Standesamt.
Wie viele Menschen betrifft das in Deutschland?
Es ist eine eher kleine Gruppe, der man jetzt die Möglichkeit gibt, selbst über ihren Geschlechtseintrag zu bestimmen. Das Bundesfamilienministerium rechnet mit 4.000 Anträgen pro Jahr. In den vergangenen Jahren waren es nach der alten Gesetzeslage etwas über 3.000 Änderungen von Geschlecht und/oder Vornamen pro Jahr.
Hinweis: Dieser Beitrag erschien zuerst auf tagesschau.de.
Sendung: rbb24 Inforadio, 01.08.2024, 9 Uhr
Beitrag von Bianca Schwarz, ARD Berlin
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