Fake-News auf X
Seit Tesla-Chef Elon Musk vor zwei Jahren Twitter gekauft hat, beklagen Kritiker eine Zunahme von Hetze und Falschinformationen auf der Plattform. Musk selbst trägt dazu bei. Eine Belastung auch im Umgang mit Tesla. Von A. Becker, P. Djalilevand, S. Duwe, M. Pohl
Er baut Elektroautos in Brandenburg und schickt Raketen ins All: Elon Musk ist einer der reichsten und einflussreichsten Männer der Welt. Erst recht seitdem er die Online-Plattform Twitter, heute "X", gekauft hat. Im US-amerikanischen Wahlkampf trommelt Musk für Donald Trump und verbreitet dabei immer wieder haltlose Behauptungen. Etwa: Die Demokraten würden gezielt Flüchtlinge in umkämpfte Bundesstaaten einfliegen, wo sie als Wähler registriert würden. Immer wieder betont Musk, es gehe ihm um die Meinungsfreiheit - Musk bezeichnet sich selbst als "free speech absolutist".
Mit seiner Vorstellung von Meinungsfreiheit prägt er seit nun knapp zwei Jahren die Plattform X, vormals Twitter. Im Oktober 2022 übernimmt Musk Twitter mit einem 44 Milliarden Dollar Deal. Direkt nach der Übernahme beginnt Musk, Twitter umzubauen. Er entlässt eine Vielzahl an Mitarbeitern - darunter auch solche, die für Moderation und die Entfernung extremer Inhalte zuständig und beispielsweise gegen Hass- und Gewaltaufrufe auf der Plattform vorgehen sollten.
Außerdem holt Musk den ehemaligen republikanischen US-Präsidenten Donald Trump zurück auf die Plattform. Twitter hatte vor Musks Übernahme eine lebenslange Accountsperre gegen Donald Trump verhängt, nachdem dieser mit seinen Tweets den Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 angeheizt hatte. Für zu groß hielten sie das Risiko, Trump könne seinen Account zu weiterer Anstiftung zu Gewalt verwenden [blog.x.com]. Auch Benutzerkonten von Rechtsextremen und Verschwörungsideologen, die Twitter zuvor gesperrt hatte, gab Musk schnell wieder frei.
Das US-amerikanische "Center for Countering Digital Hate" (CCDH) hat untersucht, wie sich die Inhalte auf Twitter nach Musks Übernahme veränderten. "In der Woche nach seiner Übernahme haben wir gemessen, dass es zu einer Verdreifachung der Hassreden gegen schwarze Menschen kam. Es gab einen massiven Anstieg im Hass gegen Homosexuelle, gegen Frauen, gegen Muslime und Juden", so CCDH-Geschäftsführer Imran Ahmad im Kontraste-Interview. Gegen diese Untersuchung des CCDH ging der selbsternannte "Absolutist der Freien Rede" Musk gerichtlich vor. Angeblich habe das CCDH unbefugt auf Twitter-Daten zugegriffen. Doch Musks Klage wurde abgewiesen.
Der auf IT-Recht spezialisierte Anwalt Chan-Jo Jun vertritt immer wieder Mandanten, die von Hass-Botschaften in den sozialen Medien betroffen sind. Auch er hat bemerkt, dass nach der Übernahme durch Musk vermehrt Ansprechpartner fehlten, die sich um strafbare Inhalte kümmern sollten. Die Folge sei, "dass mehr rechtswidrige und hasserfüllte Inhalte gepostet werden, weil Twitter die Plattform der Wahl dafür ist. Und wir haben auf der anderen Seite den Effekt, dass die Entfernung von den wirklich rechtswidrigen und strafbaren Inhalten schlechter funktioniert", so Jun gegenüber ARD-Kontraste. Auf der Plattform gelte mittlerweile das Recht des Stärkeren, viele Nutzer hätten die Plattform deshalb verlassen. Eine Einschätzung, die von zahlreichen Beobachtern geteilt wird.
Elon Musk selbst nutzt die Plattform, um Falschinformationen und Antisemitismus zu verbreiten. Zu seinen wichtigsten Feindbildern gehört derzeit die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Die strebe eine kommunistische Diktatur an, behauptet Musk. Um sie zu verunglimpfen, teilt er auch ein Video, in dem eine Künstliche Intelligenz Harris Stimme nachahmt und sie sagen lässt, dass sie nur eine "Puppe" des sogenannten "tiefen Staates" sei. Eine antisemitisch konnotierte Verschwörungsideologie, wonach Politiker nur Marionetten finsterer Mächte im Hintergrund sind.
Musk kommentiert auch die deutsche Politik. Er schreibt etwa, dass er an der AfD nichts Rechtsextremes erkennen könne. Unter einem Tweet des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke fragt er voller Unverständnis nach, warum dieser vor Gericht für die Verwendung der in Deutschland gesetzlich verbotenen SA-Parole "Alles für Deutschland" verurteilt worden sei.
Längst gilt X als besonders anfällig für gezielte Meinungsmanipulation - vor allem aus Russland. Die Rostocker Sicherheitsfirma Somtxt etwa entdeckte im Vorfeld der Landtagswahl in Brandenburg ein Pro-AfD-Netzwerk von 2.500, offenbar automatisiert angelegten Accounts, die die Reichweite von Mitgliedern der Partei wohl erhöhen sollten. Die Analysten vermuten russische Akteure dahinter. Und auch ein aus Russland gesteuertes sogenanntes "Doppelgänger-Netzwerk", das mithilfe gefälschter Nachrichtenseiten Desinformation verbreitet, ist auf X aktiv. Auf Anfrage von ARD-Kontraste heißt es von X, man bleibe wachsam gegenüber jeglichen Versuchen der Manipulation und lösche routinemäßig Accounts.
Die Veränderungen auf Musks Plattform X haben längst auch die EU auf den Plan gerufen. Mittlerweile führt die EU-Kommission ein Verfahren gegen X wegen Missachtung des Gesetzes für Digitale Dienste. Unter anderem sieht man einen Verstoß in Musks Praxis der blauen Haken.
Diese Haken sollen eigentlich die Identität der jeweiligen Nutzer verifizieren, werden aber auch von Fake- und Desinformations-Accounts genutzt. "Heutzutage kann sich jeder einen blauen Haken kaufen und so einen sogenannten verifizierten Status einfach kaufen, falsche Accounts können das auch machen. Und letztendlich das Problem, das wir damit haben, ist, dass der Verbraucher, der Nutzer wird dadurch komplett getäuscht", sagt der Sprecher der EU-Kommission, Thomas Regnier, gegenüber ARD-Kontraste. Außerdem prüft die Kommission, ob der Umgang von X mit gemeldeten Falschnachrichten und illegalen Inhalten gesetzeskonform ist.
Die politischen Äußerungen des Multiunternehmers Elon Musk werden damit auch für Brandenburg zu einer Belastung - die Firma Tesla lässt sich nur schwer von den Aussagen ihres immer radikaler auftretenden Chefs trennen. Nachdem Musk rechtsextreme Ausschreitungen in Großbritannien auf X mit den Worten "Ein Bürgerkrieg ist unvermeidlich" kommentierte, erklärte der brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) gegenüber dem "Handelsblatt", Musks Äußerungen würden aktiv das Gefüge unserer deutschen und europäischen Gesellschaft" untergraben.
Sendung: Kontraste, 26.09.2024, 21.45 Uhr
Beitrag von Andrea Becker, Pune Djalilevand, Silvio Duwe, Markus Pohl
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