Berliner Kultursenator
Die Farbattacke auf sein Wohnhaus nennt der Berliner Kultursenator Joe Chialo eine "Grenzüberschreitung". Nun wird der Ruf nach Konsequenzen laut. Was Justizsenatorin Felor Badenberg plant, stößt allerdings auf Skepsis. Von Sabine Müller
Der Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) fordert nach dem Farbangriff auf sein Wohnhaus, Bedrohungen von Politikern "mit aller Härte zu bekämpfen". Das gelte auch für die Diskursfeindlichkeit in der Gesellschaft
Dem rbb sagte Chialo, er sei es als Senator gewohnt, im politischen Raum durchaus "robust" in thematische Auseinandersetzungen zu gehen. Mittlerweile erlebe er aber eine "Entgrenzung und Brutalität gegen Unbeteiligte", die nicht zu tolerieren sei. "Dass man mich als Privatperson aufgesucht hat, meine Familie hineingezogen hat, dass man auch Nachbarn und Kinder rigoros mit in den Konflikt zieht, das ist eine Grenzüberschreitung, die für mich schockierend war."
Von einer "neuerlichen Grenze", die überschritten wurde, spricht auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Allerdings sind Angriffe auf Politiker auch in ihrem privaten Umfeld keine neue Entwicklung.
Vor Jahren wurde der Hausflur der damaligen grünen Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann von politischen Aktivisten beschmiert. Das Wohnhaus des AfD-Abgeordneten Karsten Woldeit war in den letzten Jahren immer wieder Ziel von Attacken. Woldeit berichtet dem rbb von "Graffiti-Schmierereien, Einbruch und Fäkalien im Briefkasten". Zweimal habe es Demonstrationsaufzüge mit offenen Morddrohungen gegeben, außerdem seien in der Nachbarschaft "Nazis-Raus"-Flugblätter verteilt worden, auf denen auch Woldeits Lebensgefährtin zu sehen war.
Kai Wegner forderte nach der Attacke auf Chialos Wohnhaus, es sei wichtig, die "Strukturen aufzubrechen", die hinter solchen Angreifern stünden. Der Regierende Bürgermeister machte sich erneut für eine Demokratieklausel stark. Wer Fördergeld vom Staat wolle, müsse ein klares Bekenntnis zur Verfassung abgeben. "Ich möchte nicht, dass Träger unterstützt werden, die nicht bereit sind, ihre Unterschrift zu setzen, dass sie gegen Antisemitismus, Rassismus, Menschenfeindlichkeit sind", sagte Wegner nach der Sitzung des Senats. Dort hatten alle Mitglieder dem Kultursenator ihre Solidarität versichert.
CDU-Justizsenatorin Felor Badenberg arbeitet aktuell einer gesetzlichen Regelung, die sicherstellen soll, dass Verfassungsfeinde von staatlicher Förderung ausgeschlossen sind. Eine Kernfrage dabei: Wer definiert, was ein Verfassungsfeind ist? Die Justizsenatorin sieht die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden als Messlatte. "Wenn jemand einen Antrag auf Förderung stellt, müsste der Bearbeiter, die Bearbeiterin in die Verfassungsschutzberichte von Land und Bund schauen, um zu sehen, ob der Antragsteller als verfassungsfeindlich aufgeführt ist oder nicht", schlägt Badenberg vor. Sie lobt diese Regelung als "ganz einfach und für jedermann nachvollziehbar".
Einfach, aber nicht effektiv, urteilt der SPD-Innenpolitiker Martin Matz. Er gibt zu bedenken, "dass die Reaktion auf die Nennung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht auch heute schon ist, dass sie dann keine öffentlichen Gelder mehr bekommt". Ihm seien jedenfalls keine anderen Beispiele bekannt, betont Matz. Seine Einschätzung zu den Badenberg-Plänen: "Das ändert die Welt dann nicht".
Bisher hat die Justizsenatorin noch keinen offiziellen Entwurf für eine gesetzliche Regelung vorgelegt, vermutlich wird es innerhalb der schwarz-roten Koalition noch Diskussionen geben.
Nach dem Farbanschlag hat die Berliner Polizei bisher offenbar noch keine Hinweise auf die Täter. Die Ermittlungen dauerten an, heißt es. Polizeisprecherin Beate Ostertag sagte dem rbb, Kultursenator Chialo werde aufgrund der aktuellen Ereignisse "nun entsprechend geschützt". Nach ihren Angaben arbeiten in Berlin insgesamt mehr als 200 Polizistinnen und Polizisten im Personenschutz. Besonders bewacht werden dabei Funktionsträger wie der Regierende Bürgermeister oder die Innensenatorin sowie individual gefährdete Menschen.
Kultursenator Joe Chialo gibt sich nach dem Anschlag kämpferisch. "Wir werden auf gar keinen Fall einknicken", sagte er dem rbb. "Wer glaubt, mich einschüchtern zu können, irgendein Senatsmitglied einschüchtern zu können, um seine Ziele durchzusetzen, der ist fehl am Platz."
Sendung: rbb24 Abendschau, 24.09.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Sabine Müller
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