Ab Montag
Um die Zahl unerlaubter Einreisen einzudämmen, hat die Bundesregierung Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet. Auch soll es "effektive Zurückweisungen" geben. Ein Überblick, wie sich das auf die Situation an der deutsch-polnischen Grenze und den Flughafen BER auswirken könnte.
Wie ist die Lage zurzeit an der Grenze zwischen Deutschland und Polen?
Bereits seit Oktober 2023 werden an drei großen Grenzübergängen zwischen Brandenburg und Polen stationäre Kontrollen durchgeführt: in Forst auf der A15, auf der A12 bei Frankfurt (Oder) und auf der Frankfurter Stadtbrücke nach Slubice. Zudem zeigte die Polizei zuletzt verstärkte Präsenz auf der Europabrücke Neurüdnitz.
Auch Zurückweisungen gibt es an der Grenze bereits. Menschen, die keinen Asylantrag stellen, Personen, die mit einer Wiedereinreisesperre belegt wurden, und Menschen, die bereits in Polen registriert worden sind, werden zurückgewiesen.
Was dürfte sich jetzt verändern?
Sowohl die Bundespolizei als auch der polnische Grenzschutz gingen in einer ersten Reaktion davon aus, dass die Pläne von Bundesinnenministerin Faeser keine Ausweitung der Kontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Polen bedeuten. Noch sind die genauen Modalitäten für die Kontrollen und Zurückweisungen aber nicht bekannt.
Sollte sich die Bundesregierung gemeinsam mit den Länderchefs und Vertretern der Union darauf einigen, künftig alle Asylbewerber aus sicheren Drittstaaten in diese zurückzuweisen, dürfte sich auch an der Grenze zu Polen etwas verändern. Dann könnten selbst die Personen, die noch keinen Asylantrag gestellt haben und diesen in Deutschland stellen wollen, wieder zurück nach Polen geschickt werden. Bislang ist aber nicht bekannt, dass die Bundesregierung diese Form der Verschärfung plant. Auch die Rechtssicherheit wäre in diesem Fall noch zu prüfen.
Wie am Dienstagnachmittag bekannt wurde, soll Bundesinnenministerin Faeser auch eine vorübergehende Inhaftierung von bestimmten Geflüchteten an den Grenzen vorgeschlagen haben: Geflüchtete, die in Deutschland Asyl begehren, für deren Asylverfahren aber ein anderer EU-Mitgliedstaat zuständig ist, sollen so lange in Haft bleiben, bis sie gemäß der sogenannten Dublin-Regeln abgeschoben werden können. Auch eine solche Änderung hätte voraussichtlich Auswirkungen auf die deutsch-polnische Grenze.
Sehr wahrscheinlich wird auch weiterhin nicht jedes Auto an den Grenzübergängen kontrolliert. Am Grenzübergang an der A15 bei Forst zum Beispiel werden zurzeit stichprobenartig Autos und kleinere Lastwagen oder Transporter kontrolliert. Dutzende Einsatzkräfte sind dafür in Zwölf-Stunden-Schichten im Einsatz. Auch an der Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) werden Stand jetzt einzelne Fahrzeuge zur Kontrolle herausgewunken. Polizeigewerkschafter beklagen, dass die Kontrollen schon jetzt sehr aufwändig sind.
Sicher ist, dass mit bleibenden Grenzkontrollen auch Verkehrbehinderungen bleiben. Schon in den vergangenen Monaten konnte es phasenweise zu stundenlangen Verzögerungen bei der Rückreise aus Polen kommen, vor allem in Slubice, der polnischen Nachbarstadt von Frankfurt (Oder).
Der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Slubice, Tomasz Stefański, sagte dem rbb: "Unser größtes Problem und auch das größte Problem der Pendler ist der daraus resultierende Stau, der kilometerlange Stau." Er sieht vor allem die Kontrollen auf der Autobahn A12 problematisch. "Diese Verengung auf der Autobahn führt dazu, dass der Verkehr in Richtung der Grenzbrücke blockiert wird", so Stefański. Er habe sich deshalb bereits gemeinsam mit dem Frankfurter Oberbürgermeister an das deutsche Innenministerium gewandt, aber keine Antwort erhalten.
Kann die Bundespolizei es überhaupt schaffen, alle deutschen Außengrenzen zu kontrollieren?
Heiko Teggatz, Vorstand der Polizeigewerkschaft DPolG Bundespolizei, geht davon aus, dass sich am Personaleinsatz an der deutsch-polnischen Grenze nichts ändern wird. Auch eine Überlastung aufgrund der anderen zu überwachenden Außengrenzen befürchtete er Stand Dienstagmittag nicht.
Nach Faesers Plänen soll die Bundespolizei nun auch die Grenzen zu Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Dänemark überwachen. Diese Länder gelten aber bislang nicht als "Schwerpunkte in der Migrationsfrage", wie Teggatz dem rbb sagte. Er gehe daher davon aus, dass die Bundespolizei die Grenzkontrollen leisten könne und kaum Bereitschaftspolizisten die Bundespolizei bei diesen Aufgaben unterstützen müssten.
Abschließend lassen sich die Auswirkungen der stationären Kontrollen auf die unerlaubten Einreisen bisher nicht beurteilen. Ein Grund ist unter anderem, dass die Zahlen für das gesamte Jahr noch nicht vorliegen; im Jahresverlauf gibt es aber erfahrungsgemäß größere Schwankungen. Unklar sind auch andere Auswirkungen - zum Beispiel ob und inweit sich neue Wanderungsrouten herausgebildet haben.
Wie die Bundespolizeidirektion Berlin Ende August mitteilte, lag die Zahl der entdeckten unerlaubten Einreisen in der ersten Jahreshälfte 2024 in etwa auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Bis Ende Juli 2024 wurden demnach knapp 6.550 unerlaubte Einreisen in Berlin und Brandenburg entdeckt. Etwa ein Drittel der Menschen, die in diesem Zeitraum unerlaubt nach Deutschland einreisten, waren Ukrainer, wie die Bundespolizei auf rbb-Anfrage mitteilte. Etwa 850 waren demnach Afghanen, fast 800 Syrer.
Nach aktuellen Angaben der Bundespolizei wurden nach Wiedereinführung der Grenzkontrollen an der Grenze zu Polen - im Zeitraum zwischen Mitte Oktober 2023 und Ende Juli 2024 - insgesamt 8.231 Personen bei der unerlaubten Einreise festgestellt. Von diesen über 8.000 illegal eingereisten Personen wurden 4.649 nach Angaben der Bundespolizei zurückgewiesen. Da Zurückweisungen zuvor nicht regelmäßig stattfanden, lassen sich diese Werte nicht mit den Vorjahren vergleichen.
Das Gesetz sieht eigentlich vor, dass Menschen, die an der Grenze zurückgewiesen werden, an die polnische Polizei übergeben werden müssen. Die Personen werden dann beispielsweise in das gemeinsame Grenzzentrum im polnischen Swiecko gebracht. Ist ihre Identität unklar oder scheint "verdächtig", müssten sie in einer geschlossenen Anstalt warten, bis der polnische Staat entschieden hat, ob sie abgeschoben werden oder auf Asyl hoffen dürfen.
Wenn kein Zweifel an der Identität der zurückgewiesenen Migranten besteht, bekommen sie Auflagen. Sie können sich dann zwar frei bewegen, sind aber verpflichtet, sich ein Mal in der Woche bei den Behörden zu melden.
In der Praxis stellen sich aber einige der Maßnahmen als schwierig dar. Emanuela Falenczyk, die Integrationsbeauftragte der Stadt Frankfurt (Oder), sagte im Juli dem rbb, dass bei der polnischen Polizei teilweise Personalmangel herrsche. Viel Personal sei an die polnisch-belarussische Grenze verlegt worden. Der polnische Grenzschutz hatte bereits im Dezember 2023 berichtet, dass einige der Menschen, die sich bis auf Meldeauflagen frei bewegen können, immer wieder verschwänden.
In der ersten Jahreshälfte 2024 seien insgesamt 486 Menschen unerlaubt über den Flughafen Berlin Brandenburg nach Deutschland eingereist, wie die Bundespolizei am Montag mitteilte.
Innerhalb des Schengen-Raumes werden in der Regel am Flughafen BER keine Pass- und Ausweiskontrollen durchgeführt. Das wird auch ab Montag so bleiben, bestätigte ein Sprecher der Bundespolizei am Samstag rbb24. Wie bisher werde die Bundespolizei stichprobenartig Passagierinnen und Passagiere bei "relevanten Flugverbindungen" überprüfen. Das sei aber keine Änderung zur bisherigen Praxis, so der Sprecher. Mit langen Schlangen an der Passkontrolle müssten Passagiere also nicht rechnen.
Sendung: Brandenburg aktuell, 10.09.2024, 19:30 Uhr
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