Beschluss im Bundestag erwartet
Im Oktober soll die Krankenhausreform im Bundestag final beschlossen werden und 2025 Schritt für Schritt in Kraft treten. Wird dann alles besser, finanzierbarer, unbürokratischer? Die Versprechen sind groß, die Skepsis ebenso. Von Ute Schuhmacher
Dass auch Berlins Krankenhäuser eine Reform brauchen, ist unstrittig unter den verschiedenen Interessensgruppen. Schon allein die Tatsache, dass die Berliner Krankenhäuser aktuell ein Defizit von rund 300 Millionen Euro aufweisen und laut Berliner Krankenhausgesellschaft jedes Jahr rund 160 Millionen Euro Miese hinzukommen, gibt einen Hinweis darauf. Wobei das Geld nicht das einzige Problem ist.
Da ist auch die Neuorganisation der Krankenhäuser, die Bürokratie und die Frage, ob das was geplant ist, die Probleme löst. Und an dem Punkt gehen die Meinungen weiterhin auseinander. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist von seiner Reform überzeugt, skeptisch sind die Krankenhäuser und die Bundesländer.
Der Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie im DRK-Krankenhaus Westend, Thilo John, hat viel Erfahrung. Seit 15 Jahren ist er Chefarzt und als solcher in seiner Abteilung dafür verantwortlich, dass Behandlungen des Krankenhauses korrekt abgerechnet werden. Wenn ein Patient sich beispielsweise etwas gebrochen hat, muss Thilo John das akribisch dokumentieren: "Mit einer Ziffer, dann muss diese Ziffer mit mehreren anderen Ziffern kombiniert werden." Das ist entscheidend dafür, in welchem Schweregrad der Patient landet.
Je schwerer der Fall, desto mehr Geld bekommt das Krankenhaus für die Behandlung. Drei bis vier Stunden kostet John dieses Dokumentieren und Prüfen jeden Tag. Zeit, in der er lieber seine Patienten behandeln würde. Ziel der Krankenhausreform ist nun unter anderem, dass es weniger Bürokratie gibt. Thilo John glaubt allerdings nicht, dass das Ziel erreicht wird. "Mit der Krankenhausreform wird noch zusätzliche Bürokratie kommen", ist er sich sicher. Wie umfangreich die sein werde, wisse man noch nicht, sagt John. Weil aber die neue Krankenhausreform die Leistungen in neue Gruppen einteilt, muss das ja auch dokumentiert werden. Und weil es auch weiter Geld für den operierten Bruch beispielsweise geben soll, schlussfolgert John: "Wir werden nicht von der bestehenden Bürokratie entlastet werden."
Aber nicht nur die Bürokratie drückt die Berliner Krankenhäuser - auch das Geld. Allein seit 2022 fahren Berlins Krankenhäuser jedes Jahr ein Minus von 160 Millionen Euro ein. Das liegt an den Kosten, die durch die Inflation gestiegen sind. Das Geld habe der Bund aber nicht ausgeglichen, kritisiert der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, Marc Schreiner.
In Berlin und Deutschland schreiben auch deshalb rund 70 Prozent aller Krankenhäuser teils tiefrote Zahlen. "Wir brauchen deshalb gesetzlich erlaubt höhere Steigerungsraten. Und die muss uns der Minister jetzt geben", fordert Schreiner. Sonst bestehe die Gefahr, dass Krankenhäuser in Berlin pleitegehen. Und zwar noch bevor die neue Krankenhausfinanzierung 2026 greift. Diese Gefahr sieht nicht nur Schreiner.
Kritisiert wird auch, dass durch die Reform nicht grundsätzlich mehr Geld ins System gegeben wird. "Der Kostendruck bleibt für die Krankenhäuser nach wie vor", sagt der Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge, Michael Mielke. Bei der Investitionsfinanzierung ohnehin, weil die mit der Krankenhausreform gar nicht angefasst werde. Aber auch sonst, denn es wird nur das Geld, das aktuell auch schon für Krankenhausfinanzierung vorhanden ist, unter den bestehenden Häusern anders verteilt.
Allerdings wird wohl die Zahl der Kliniken schrumpfen - auch in Berlin. "Es wird wahrscheinlich auch einige Häuser geben, die ganz geschlossen werden", sagt Marc Schreiner. Erwartet werde, dass es eher kleine Krankenhäuser treffen wird, bestätigt Michael Mielke. Für sein Haus mit gut 700 Betten sieht er das Risiko eher nicht.
Welche und wie viele Krankenhäuser in Berlin geschlossen werden müssen, ist auch für Berlins Gesundheitssenatorin, Ina Czyborra (SPD), noch unklar. "Noch wissen wir nicht, wie sich das, was da beschlossen werden soll, auf die Berliner Krankenhauslandschaft auswirken wird. Welche Tücken das hat und welche Kollateralschäden", sagt Czyborra und fordert vom Bundesgesundheitsminister dringend, endlich die Auswirkungsanalyse der Reform auf die Krankenhäuser vorzulegen.
Es ist also noch viel zu tun, bis die Krankenhausreform im Oktober im Bundestag final beschlossen werden soll. Wenn die Reform da angenommen wird, muss sie am 22. November noch durch den Bundesrat. Sollte es da keine Zustimmung geben und die Reform im Vermittlungsausschuss landen, könnte sie komplett scheitern. Sollten die Länder aber mehrheitlich für die Krankenhausreform stimmen, tritt sie ab Januar 2025 Schritt für Schritt in Kraft. Berlin muss dann erstmal – wie alle anderen Bundesländer auch – seine Krankenhäuser nach den neuen Leistungsgruppen ordnen. Danach soll ab 2026 die neue Finanzierung starten: Dann bekämen Krankenhäuser 60 Prozent des Geldes dafür, dass sie beispielsweise OP-Säle bereithalten. 40 Prozent des Geldes gäbe es für die Behandlungen, die tatsächlich durchgeführt werden.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.9.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Ute Schuhmacher
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