Polnischer Deutschlandbeauftragter
Unter der PiS-Regierung war das Amt des polnischen Deutschlandbeauftragten einige Jahre unbesetzt. Seit Juni gibt es ihn wieder: Krzysztof Ruchniewicz spricht im Interview über das Verhältnis der Nachbarn und über ihr Zusammenwachsen.
rbb|24: Herr Ruchniewicz, ist Deutschland für Polen wieder wichtiger geworden?
Krzysztof Ruchniewicz: Für Polen ist Deutschland ein wichtiger Nachbar, ein Partner in der EU, ein wichtiger Wirtschaftspartner sowie ein Partner beim Aufbau der Zivilgesellschaft. In jüngster Zeit gewinnt ein weiteres Element an Bedeutung: die gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik angesichts der Bedrohung aus dem Osten.
Die engen Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind eine Tatsache. Aber es gibt immer noch antideutsche Töne in der polnischen Politik.
Dieses Verhältnis ist eine Art Hassliebe: Auf der einen Seite bewundern wir Deutschland, auf der anderen Seite wissen wir um die Vergangenheit in den deutsch-polnischen Beziehungen und um die Themen, die noch nicht ganz ausgereift sind. Und das ist ein guter Ansatzpunkt für einige der "Feinde" Deutschlands, diese Themen zu instrumentalisieren.
Wie können Sie in Zusammenarbeit mit dem Polenbeauftragten der deutschen Seite die Öffentlichkeit widerstandsfähiger gegen diese Propaganda machen?
In der Regel greifen wir nicht in den Bereich der Politiker ein. Unsere Aufgabe ist es, die Beziehungen zwischen den Gesellschaften zu pflegen. Wir haben jetzt eine Reihe von Projekten, zum Beispiel die Diskussion um das Deutsch-Polnische Haus, die Verwendung eines deutsch-polnischen Schulbuches in polnischen und deutschen Schulen, die Frage des Polnischunterrichts in Deutschland, aber auch des Deutschunterrichts in Polen.
Gibt es viele gute Beispiele?
Der Schüleraustausch zum Beispiel oder die Möglichkeit, in den Schulen Polnisch zu lernen. Oder die gegenseitigen Hospitationen von Beamten: Jetzt weiß ein Beamter aus Gorzów, wie es in Brandenburg abläuft, und sein Brandenburger Kollege, womit es die Beamten in Polen zu tun haben. Weitere Beispiele sind die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der notärztlichen Versorgung zwischen der Woiwodschaft Lubuskie und den Städten Frankfurt (Oder) und Cottbus oder die acht zusätzlichen Züge pro Tag im Regionalverkehr - 18 weitere sind geplant.
Zum Zeitpunkt der Oderkatastrophe gab es einen besseren Informationsaustausch zwischen Potsdam und Zielona Góra als zwischen Zielona Góra und Warschau.
Dies ist ein Beispiel dafür, dass bestimmte Probleme in den Regionen besser gelöst werden können, als wenn sie nur vom Zentrum aus gesteuert werden. Aufgrund dieser Erfahrung wurde ein spezieller Kommunikationskanal für grenzüberschreitende Krisen auf der Ebene der Länder und Provinzen eingerichtet.
Was die deutsch-polnischen Beziehungen am meisten belastet, ist die Geschichte. Sie haben gesagt, es gebe Dinge, die noch nicht ausgereift seien.
Da ist zum einen die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Das ist ein Dauerthema, das durch die Reparationsforderungen der Vorgängerregierung noch verstärkt wurde. Deshalb scheint mir das, was wir bisher gemacht haben - nämlich der deutschen Seite oder umgekehrt der polnischen Seite zu erklären, worin diese Unterschiede in der Wahrnehmung der Geschichte bestehen - nicht ausreichend zu sein. Ein Thema, das immer wieder auftaucht, ist die Entschädigung der überlebenden Opfer des Dritten Reiches.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat dieses Thema bei den Regierungskonsultationen angesprochen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich am 1. August, dem Jahrestag des Warschauer Aufstandes, entschuldigt, und das war's.
In Polen leben heute etwa noch 60.000-80.000 Opfer des Dritten Reiches. Hier ist es wichtig, schnell zu handeln, auch symbolisch. Genauso wichtig ist die Frage, wie die Erinnerung an diese Menschen wachgehalten werden kann, um vor einer Wiederholung zu warnen.
Werden Polen und Deutsche jemals Freunde sein?
Wir sind Freunde. Die deutsch-polnischen Verträge wurden auch in Zeiten der PiS-Regierung nicht in Frage gestellt. Wir sind ganz normale Nachbarn, die sich mal mehr, mal weniger mögen, die sich streiten und wieder versöhnen. Die letzten Monate haben gezeigt, dass wir viele gemeinsame Probleme haben und uns bewusst sind, dass wir sie nur gemeinsam lösen können. Je mehr langfristige deutsch-polnische Projekte es gibt, desto mehr wird diese Frage in den Hintergrund treten: Denn dann haben wir, egal was wir füreinander empfinden, gemeinsame Ziele für viele Jahre.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview für führte Agnieszka Hreczuk für . Es handelt sich um eine redigierte und gekürzte Fassung.
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