Cottbuser Unternehmer
Thomas Junker aus Cottbus hat mehrere Kindertagesstätten in Berlin mitgebaut – und wartet seit einem Jahr auf sein Geld. 115.000 Euro verlangt er vom Senat. Während Junker die Insolvenz fürchtet, lässt sich der Senat Zeit. Von Andreas Rausch
Gerader Blick, fester Händedruck, nicht mehr Worte als nötig – Thomas Junker wirkt wie der Prototyp eines bodenständigen brandenburgischen Handwerkers. Vor 20 Jahren verlor er nach Insolvenz seinen Job bei einer Wohnungsgesellschaft und wagte den Gang in die Selbstständigkeit. Die Cottbuser Haustechnik GmbH ist seitdem bundesweit unterwegs im Innenausbau: vom Waschbecken über Fußbodenheizung bis zur Wärmepumpe. Ein Online-Shop dient als zweites Standbein.
Sechs Mitarbeiter hängen an der Firma. "Wir sind wie eine große Familie", sagt der Firmenchef. Aber dieser Familie geht es nicht gut und das schon seit einem Jahr. Schuld daran, sagt Junker, ist die Berliner Senatsbauverwaltung, weil diese Rechnungen nicht bezahle und ihn damit in wirtschaftlich schwere Fahrwasser bringe. "Das wird uns auffressen und irgendwann müssen wir dann den Insolvenzantrag stellen. Denn so eine große Summe kann keiner schlucken. Also ich kann es nicht, als Kleinstunternehmen", sagt Thomas Junker.
Im Jahr 2017 startete der Senat in Berlin das "Mokib-Projekt", den modularen Kita-Bau. Insgesamt neun Kitas in Modellbauweise in vorgefertigter Holzkonstruktion sollten so entstehen, mit jeweils bis zu 136 Kitaplätzen. Im Jahr 2020 war Grundsteinlegung für die erste Kita. Fünf Vergabelose gingen an den Generalunternehmer HU Holzunion, für den wiederum die Cottbuser Haustechnik GmbH den sanitären Innenausbau übernahm.
Ein Jahr war für die Bauten veranschlagt. Bei Kita Nummer 5 in der Schmidstraße stockte das Projekt. Der Baugrund erwies sich als kontaminiert und musste zunächst behandelt werden. Die Pause dauerte bis ins Frühjahr 2022, sagt Junker. In der Zwischenzeit überfiel Russland die Ukraine, und die Preise für Baumaterial explodierten. Mit Folgen für die Cottbuser Firma, die Nachforderungen stellen musste.
"115.000 Euro, das waren am Ende Mehrkosten von 26 Prozent. Das ist eigentlich geringfügig, allein Heizkreisverteiler waren plötzlich 47 Prozent teurer, Dämmmaterial für die Fußbodenheizung bis zu 70 oder 80 Prozent", sagt Junker. Anfangs habe der Senat noch zwei Anträge auf Mehrkosten übernommen, Junker schickte die aktuellen Preislisten als Nachweis, das genügte zunächst. Deshalb sei man dem am Bau üblichen Grundsatz "Treu und Glauben" gefolgt und habe in Erwartung weiterer Zusagen zu Ende gebaut.
Doch nach Abschluss der Arbeiten verweigerte die Senatsbauverwaltung weitere Nachschläge. Junker wurde nun aufgefordert, die Preissteigerung für jedes Bauteil zwischen Angebotserstellung und Realisierung akribisch aufzulisten. Das lässt ihn resignierend mit dem Kopf schütteln: "Das ist praktisch nicht möglich, dass man von so einem großen Bauvorhaben jedes Teil, jedes Formstück aufnimmt, vergleicht, rechnet. Das ist ein Aufwand, den kann Ihnen niemand bezahlen."
In einem Schreiben des Senats an die Haustechnik-Firma heißt es: "Dass Sie als Subunternehmer durch ihren Auftraggeber nicht bezahlt werden, bedauern wir. Gleichwohl sehen wir für die ausstehenden Zahlungen ihren Auftraggeber in der Pflicht." Das wäre die HU Holzunion.
Ein Interview mit dem rbb dazu lehnt die Pressestelle der Senatsbauverwaltung ab, mit dem Verweis, dass sie in einem noch laufenden Verfahren keine Auskünfte gebe.
Generalunternehmer Ulf Cordes von der HU Holzunion weist die Zahlungsverantwortung zurück. Die Bauverzögerung sei den ausführenden Firmen nicht anzulasten. "Die Bauzeitverzögerung ist in vollem Umfang bauseitig und damit dem Senat zuzuordnen." Cordes kündigt gegenüber dem rbb an, den Senat auf Zahlung der offenen Summen zu verklagen. "Nach jetzigem Stand gehen wir davon aus, dass uns gar keine andere Wahl bleiben wird, als eine Klage einzureichen."
Für den Verband der Deutschen Bauindustrie ist dies kein Einzelfall. Der Verband hatte im Frühsommer eine Umfrage veröffentlicht, an der sich knapp 600 Mitgliedsunternehmen beteiligt hatten. Demnach beurteilen 25 Prozent aller Befragten die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand als schlecht bis sehr schlecht. Zum Vergleich: Bei privaten Auftraggebern liegt diese Quote bei lediglich fünf Prozent, bei gewerblichen bei elf Prozent.
Die Kitas in Berlin sind längst eingeweiht, auch in Projekt Nummer 5 in der Schmidstraße ist längst Alltag eingekehrt. Thomas Junker wartet in Cottbus indes weiter auf sein Geld. Seit nunmehr einem Jahr. Er hat Briefe geschrieben, an den Senat, an den Regierenden Bürgermeister, an den brandenburgischen Ministerpräsidenten. Keine Reaktion, stellt er lakonisch fest, es sei nichts zurückgekommen. Sein Fazit: "Öffentliche Hand? Da würde ich immer einen anderen Auftraggeber vorziehen, wenn die einfach solange praktisch nichts tun. Und man versucht zu kämpfen und bekommt nichts zurück. Dann muss man sagen: Tut mir leid. Ich nicht mehr."
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.09.2024, 15:10 Uhr
Beitrag von Andreas Rausch
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