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US-Wahl 2024
Trump oder Harris? Am 5. November können auch in Deutschland lebende US-Amerikaner ihre Stimme abgeben. Fünf der rund 22.000 Wahlberechtigten in der Region erzählen, wie unterschiedlich sie auf das Rennen um das Weiße Haus blicken.
Rowdy Kram ist 20 Jahre alt und studiert seit drei Jahren am Bard College Berlin in Pankow. Die Privatuni hat ihren Hauptsitz in den USA. Aber da zu studieren, ist sehr viel teurer, deshalb hat Rowdy Kram sich dafür entschieden, nach Berlin zu kommen. Nach Abschluss des Studiums will er im Bereich NGOs und Menschenrechte arbeiten, sagt er. Seine Zukunft sieht er nicht in den Staaten - er würde gern in Europa bleiben, und zwar in Berlin: Kultur, Geschichte, Politik und Sprache begeistern ihn.
Wählen zu können, sei ein Privileg, sagt Rowdy. Deshalb hat er seine Wahlunterlagen schon früh bestellt, entschieden hat er aber noch nicht. "Ich werde nicht Trump wählen, aber bei Kamala bin ich mir noch nicht so sicher." Er stimme ihrer Außenpolitik nicht zu. "Wenn die USA Israel finanzieren, ist das eigentlich nicht gut für unser Land und auch für die Leute, die in Gaza wohnen. 40.000 Menschen wurden schon getötet, und wir finanzieren das immer noch. Wir haben wirklich die Nase voll."
Rowdy hält es sich deshalb offen, ob er diesmal als Protestwähler auftritt. Im Bundesstaat Illinois, wo seine Stimme gezählt wird, könne man auch einfach irgendeinen eigenen Kandidaten auf den Wahlzettel schreiben, sagt er. Das sei mehr ein symbolischer Akt, um seine Haltung mitzuteilen. Bedenken, damit Trump zur Macht zu verhelfen, hat er nicht. Denn Illinois sei eine feste Bank für die Demokraten. "Ein Republikaner wird Illinois nie gewinnen."
Das Wahlsystem der USA sieht Rowdy kritisch, und damit stehe er nicht allein, sagt er: "Ich denke, wir brauchen mehr Parteien, wir brauchen ein System wie Deutschland. Es gibt nur zwei Möglichkeiten und es ist immer so, das man das kleinere Übel wählen muss."
George Weinberg ist Geschäftsführer eines US-Unternehmens, das Immobilienprojekte entwickelt. Der 75-jährige gebürtige New Yorker lebt seit Jahrzehnten in Berlin.
In seinem Büro stehen die amerikanische Fahne mit Stars and Stripes und die Berliner Fahne mit dem Bären. Weinberg trägt ein klassisches Business-Outfit, seine Manschettenknöpfe zeigen das Siegel des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. "Ich habe die seinerzeit vom alten Bush bekommen", erzählt er. Es war der Dank des republikanischen US-Präsidenten George Bush dafür, dass George Weinberg in Deutschland seit vielen Jahren für seine Partei wirbt, zu der er seit Jahrzehnten steht.
"Es gibt einen Spruch, der sagt: 'In Amerika musst du nur zwei Sachen machen: Steuern bezahlen und sterben.' Und das ist so ein bisschen typisch, dieses Freiheitsgefühl, dass man unabhängig ist, dass man über sein eigenes Schicksal entscheidet." Weil Kamala Harris dem Unternehmertum gewisse Grenzen setzen will, bezeichnet George Weinberg sie als Marxistin.
Zweifel an seinem Kandidaten Trump lässt Weinberg nicht erkennen und lässt sich auch nicht von den zahlreichen Vorwürfen und Gerichtsverfahren gegen Trump beirren: "Das ist natürlich das Problem dieser Politisierung der Justiz in Amerika. Gerade bei dieser Administration von Biden – das war und ist eine Geschichte, um ihn (Trump) zu beschädigen."
Vielen Amerikanern seien andere Themen wichtiger: "Wenn Sie den Durchschnittsamerikaner fragen, wie war es jetzt oder wie war es die letzten vier Jahre bei Trump, die sagen: Mir ging es persönlich besser, als Trump Präsident war."
Viele Menschen in den USA habe auch überzeugt, dass Trump das Militär gestärkt, die Steuern gesenkt und den Grenzschutz erhöht habe - also seine Versprechen gehalten, sagt George Weinberg. "Ich hoffe, dass er das Rennen machen wird, aber es ist nicht so ganz sicher, muss ich offen zugeben."
Syd Atlas ist in New York geboren und aufgewachsen. Nach der Uni brach sie in Richtung Europa auf. Gelandet ist sie schließlich in Berlin, das ist rund 30 Jahre her. Jetzt lebt sie in Schmargendorf, schreibt Bücher und arbeitet als Kommunikations-Coach mit Managern.
Am Küchentisch gießt sie Tee in eine ganz besondere Tasse: "Das ist meine Obama-Tasse von 2008, denn ich liebe Obama immer noch. Ich fand, das war ein Moment in unserer sehr kurzen amerikanischen Geschichte, wo man das Gefühl hatte: Ach, jetzt kriegen wir es hin." Doch dann sei das "Trump-Trauma" dazwischengekommen.
Aus ihrer politischen Haltung macht Syd kein Geheimnis. "Hundertprozentig Kamala Harris, nicht eine Sekunde Zweifel dran." Sie hat die doppelte Staatsbürgerschaft, also auch die deutsche, denn es sei ihr ein Anliegen, in dem Land, in dem sie lebt, auch zu wählen – und auch in dem Land, aus dem sie stammt und dem sie sehr verbunden ist.
Sie versucht, die Sache von Kamala Harris auch von Berlin aus zu unterstützen. "Ich kann nicht an die Tür klopfen in Pennsylvania und sagen, ja, lass uns mal sprechen. Also gebe ich Geld. Jedes Mal, wenn ich ein bisschen in Panik gerate, gebe ich zehn Dollar oder so. Dann bekomme ich natürlich total viele E-Mails von Kamala Harris: "'Kannst du mir fünf Dollar geben?' Ich versuche, jedes Mal ein bisschen Geld zu geben, damit ich das Gefühl habe: OK, das hilft."
Syd Atlas hat hohe Erwartungen an ihre Favoritin Harris: "Meine Erwartung ist, dass Kamala Harris Hoffnung bringt und dass wir ein bisschen aus diesen dunkle Zeiten herauskommen, wo Leute so gegeneinander sind. Dass man ein bisschen mehr merkt, was uns verbindet."
Sara Lily Perez kommt aus New York, hat Wirtschaft studiert und lebt seit einigen Jahren in Berlin. Zum ersten Mal kam sie, um Urlaub zu machen - und war fasziniert von den Galerien in der Stadt. Später blieb sie und organisierte Ausstellungen. Das war kurz nachdem Donald Trump zum ersten Mal US-Präsident geworden war. Heute arbeitet die 33-Jährige als selbstständige Eventberaterin und betreibt eine kleine Galerie im Bikinihaus an der Gedächtniskirche.
Früher habe sie sich für die Demokraten eingesetzt, sagt sie, jetzt aber nicht mehr. "Ich zog nach Berlin, nachdem Trump ins Amt gekommen war und habe dann erlebt, wie sich mein Land immer mehr veränderte und polarisierte. Heute würde ich mich eher als Betrachterin der Politik sehen."
Dass sie sich heute nicht mehr als überzeugte Demokratin sieht, liegt vor allem an einem Thema, das auch in Europa heftig polarisiert: Migration. "Jeder sollte die Chance auf ein besseres Leben haben, aber das muss gesteuert werden. Ich möchte, dass jeder, der reinkommt, registriert wird. Jeder sollte das Recht auf Asyl haben, das verdient jeder Mensch. Aber wir sollten wissen, wer reinkommt." Auch das Thema Sicherheit bewegt sie. Als Frau fühle sie sich in der New Yorker U-Bahn unsicher.
Wen sie wählen wird? Das sei privat.
Erik Kirschbaum kam 1993 nach Berlin und lebt mittlerweile in Potsdam. Der 64-jährige Journalist betreute unter anderem ein deutsch-amerikanisches Austauschprogramm für Journalisten. Die letzte deutsche Gruppe sei sehr divers gewesen, sagt Erik, und ohne Diversität wäre Berlin doch langweilig. "Berlin hat so ein Glück, dass so viele Leute hierherkommen wollen, und manchmal wünsche ich mir, dass alle Berliner das auch so sehen würden", sagt der gebürtige New Yorker.
Joe Biden, sagt Erik, sei für Europa ein Glücksfall gewesen. "Ich habe Europa noch nie so geeint gesehen wie die letzten vier Jahre. Ich glaube, Putin hat nicht damit gerechnet, dass die Deutschen mit Europa so geeint in diesem Krieg gegen Russland sind. Biden hat auch tolle Dinge für Europa gemacht und ich glaube, Harris wäre eine Fortsetzung."
Trump habe allerdings bei vielen Menschen in den USA genau in dieser Frage einen Nerv getroffen. Wählerinnen und Wähler hätten sich gefragt, warum die USA so viel Geld in die Sicherheit in Europa investierten – und es nicht stattdessen in abgehängte amerikanische Städte pumpten, um Jobs zu schaffen. "Trump hat die Steuern gesenkt, Trump hat vielen Amerikanern das Gefühl gegeben, einer kämpft für sie", sagt Kirschbaum.
Mit Informationen von Wolf Siebert und Annette Miersch
Sendung: Inforadio, 25.10.2024, 8:31 Uhr
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