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Zittern nach Ampel-Aus
Seit dem Aus für die Ampel offenbaren sich Stück für Stück die Folgen, zum Beispiel die finanziellen: Wenn der Bund keinen Haushalt mehr für das nächste Jahr beschließt, hat das heftige Auswirkungen auch für Berlin. Von Ute Schuhmacher
Jeanne Grabner wirkt frustriert. Wenn nach dem Aus der Ampel-Koalition der Bundeshaushalt fürs nächste Jahr nicht beschlossen und auch im Land Berlin heftig gekürzt wird, muss sie rund zwei Drittel ihrer Kolleginnen und Kollegen entlassen. "Wir sind insgesamt 165 Mitarbeitende und wir rechnen damit, dass 40 bis 50 Mitarbeitende bleiben können", sagt sie.
Grabner ist Geschäftsführerin der Schildkröten GmbH. Das Unternehmen bietet unter anderem Projekte für Langzeitarbeitslose an, die damit in die Lage versetzt werden, wieder arbeiten zu gehen. Oder auch solche für Jugendliche, die fit für eine Ausbildung gemacht werden sollen. Wenn das Geld vom Land Berlin und vom Bund im kommenden Jahr ausfällt, hat sie zu wenig, um ihren bisherigen Mitarbeiterstamm zu halten.
Weil vom Land Berlin Projektmittel fürs nächste Jahr noch den November über gesperrt sind, entlässt sie zum 1. Dezember schon 50 Mitarbeitende. Und ob der Bundeshaushalt fürs nächste Jahr in diesem Jahr noch beschlossen wird, ist offen. Sie hänge da völlig in der Luft, sagt Grabner. "Ich habe natürlich sofort angerufen und gefragt: Was wird? Keiner weiß was."
Gar nicht so viel anders geht es Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) - zumindest was das Geld vom Bund angeht. Auch er ist seit dem Ampel-Aus dabei zu ermitteln, was es für das Land Berlin bedeutet, wenn der Bundeshaushalt in diesem Jahr nicht mehr beschlossen wird. Klar ist, dass Deutschland in die vorläufige Haushaltswirtschaft rutschen würde und damit vom Bund nur das bezahlt wird, wofür schon Verträge bestehen. Aber welche Berliner Projekte konkret und in welchem Ausmaß betroffen sein würden, weiß Evers noch nicht, sagt er. "Sehen Sie mir nach, wenn ich noch ein paar Stunden oder Tage brauche, bis wir das mit Sicherheit sagen können", bittet der Finanzsenator.
Der Verein "Gesicht zeigen", der sich bundesweit seit Jahren gegen Fremdenfeindlichkeit einsetzt, hängt auch an Geld vom Bund. Und wenn der in diesem Jahr keinen Haushalt mehr für 2025 beschließt, wird dem Verein wohl monatelang Geld fehlen, befürchtet die Geschäftsführerin des Vereins, Sophia Oppermann, wie sie sagt.
Konkret gibt es für vier Mitarbeitende bislang kein Geld im nächsten Jahr, sieben weitere Kolleginnen und Kollegen würden Arbeitsstunden verlieren. Sie arbeiten für ein großes Präventionsprojekt gegen Rechtsextremismus. Das gibt es schon seit fünf Jahren. "Wie ich das halbe Jahr überlebe oder Miete zahlen, wie ich Verwaltungsaufgaben zahlen soll, darüber wird nicht nachgedacht, das interessiert nicht. Für uns ist das existenzgefährdend", sagt Sophia Oppermann.
In Berlin werden über Bundesprogramme quer durch alle Bereiche Projekte finanziert, oft in Kofinanzierung also mit Geld vom Land Berlin. Da sind Projekte aus Wissenschaft und Forschung genauso dabei wie für Wirtschaftsförderung, die Kultur und Soziales. Aber es geht auch nicht nur um Projekte: Auch beispielsweise das Deutschlandticket ist nicht sicher, weil es vom Bund und den Ländern bezahlt wird.
Der Haushaltsexperte der Grünen im Bundestag Andreas Audretsch will das 49-Euro-Ticket erhalten, wie er erklärt. Er halte es für wichtig. Die Frage sei nur, "inwieweit wir es jetzt mit allen Parteien hier im Bundestag hinkriegen das auch zu garantieren". Das ist genauso unsicher, wie die Digitalisierung der Berliner Schulen. Ohne Bundeshaushalt 2025 stehe eine wichtige Säule der Digitalisierung unserer Schulen in Frage, sagt Stefan Evers. Auch deshalb dürfte ein Jahresstart ohne Bundeshaushalt eine Horrorvorstellung für den Finanzsenator sein.
In dem Punkt zeigt er sich einig mit der Geschäftsführerin der Schildkröten GmbH. Für sie kommt die Belastung dazu, dass noch unklar ist, was von ihren Projekten das Land Berlin nächstes Jahr noch bezahlen will. Bis Ende November soll das geklärt sein, versichert der Finanzsenator. Das beruhigt Jeanne Grabner nicht, sagt sie. Ihre 50 Kolleginnen und Kollegen muss sie vorher kündigen. Und einige andere Mitarbeitende guckten sich bereits nach neuer Arbeit um.
"Ich flehe meine Mitarbeitenden an, hier Ruhe zu bewahren, aber ich weiß auch, dass es hier einfach um Zukunftsperspektiven geht und dass ich damit nicht spielen darf", sagt Grabner. Deshalb zeigt sie wenig Verständnis dafür, dass die schwarz-rote Koalition die Haushaltsprobleme Berlins für die kommenden beiden Jahre nicht bereits gelöst hat. Versprochen war mal, das bis zum Sommer erledigt zu haben.
Sendung: rbb24 Abendschau, 08.11.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Ute Schuhmacher
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