Gewalt, Belästigung, Mobbing
Noch vor wenigen Jahren hatte die Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Friedenau einen guten Ruf. Doch jetzt berichtet das Kollegium in einem Hilferuf von katastrophalen Zuständen: Mobbing und Angriffe auf Schüler und Lehrer seien an der Tagesordnung.
Mit einem Alarmbrief über höchst schwierige Zustände an ihrer Schule und fehlende Unterstützung vom Senat haben Berliner Lehrer um Hilfe gerufen. Auf sieben Seiten schildert das Lehrerkollegium der Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Schöneberg die schon länger existierenden Probleme mit aggressiven, gewaltbereiten und bildungsfernen Schülern, die zum Teil kein Deutsch sprechen und zuvor noch nie eine Schule besucht haben. Der "Tagesspiegel" [Bezahlinhalt] berichtete am Mittwoch zuerst über den Brief an die Schulaufsicht des Bezirks, er liegt dem rbb vor. Die Schulaufsicht hat den Brief am vergangenen Freitag erhalten.
Die Schule ist eine sogenannte Integrierte Sekundarschule von der 7. bis 10. Klasse mit etwa 400 Schülern. Diese Schulform ersetzt in Berlin die früheren Haupt- und Realschulen. Trotz strenger Hausordnung und Schulpädagogik und einem großen Einsatz der Lehrer komme die Schule immer mehr an ihre Grenzen, heißt es in dem Brief der Schulgemeinschaft. Jede dritte bis vierte Lehrkraft sei krankgeschrieben.
Es vergehe kein Tag ohne Beleidigungen und Bedrohungen von Lehrern durch Schüler sowie ernsthafte Mobbing-Fälle unter den Schülern. Es gebe eine "bedrohliche Gewaltbereitschaft und verbale Übergriffe" vor allem der männlichen Schüler. Auf dem Schulhof würden Böller gezündet und Wasserflaschen auf Schülergruppen und Lehrer geworfen. Verstärkt müsse die Schule die Polizei rufen, um bei eskalierenden Situationen etwa nach Schulschluss vor dem Schulgebäude einzugreifen. Anwohner der Schule würden sich über Schüler beschweren, benachbarte Supermärkte Hausverbote verhängen. Nach rbb-Informationen hat der benachbarte Supermarkt als Reaktion seinen Sicherheitsdienst aufgestockt.
"Vorherrschend sind massive Verhaltensauffälligkeiten und ungebührliches, asoziales Unterrichtsverhalten", heißt es weiter. Die "größte Angst" vieler Schüler und Schülerinnen sei, beim Besuch der Toiletten "in kompromittierenden Situationen" von anderen Schülern mit - an der Schule verbotenen - Handys unterhalb oder oberhalb der Trennwand fotografiert oder gefilmt zu werden. "Augenblicklich ist unser Kollegium zu 65% mit bürokratischer Erziehung beschäftigt und nur zu 35% mit faktenorientiertem Unterricht", heißt es in dem Brief.
Nach nur 38 Schultagen im laufenden Schuljahr gibt es laut der Klassenbuchstatistik bereits 489 unentschuldigte Fehltage der Schülerinnen und Schüler. Pro Tag würden umgerechnet mehr als 13 Schüler zu den Sozialpädagogen geschickt, weil sie den Unterricht gestört hatten oder anderweitige Erziehungsmaßnahmen nötig gewesen seien.
Die offensichtlich massiven Probleme an der Schule schlagen sich auch in der Zahl der Neuanmeldungen nieder. Die Friedrich-Bergius-Schule verzeichnete laut der Bildungsverwaltung zuletzt nur rund 38 Erstwunschanmeldungen bei 116 freien Plätzen - anders als an vielen anderen Schulen, bei denen die Nachfrage das Angebot teils deutlich übersteigt. Das führt - wie an anderen Standorten - dazu, dass der Schule Schüler zugewiesen werden, die anderswo noch nicht untergekommen sind. Das sind meist geflüchtete Kinder oder andere Kinder und Jugendliche, die kein oder kaum Deutsch können. Laut des Kollegiums sind im Schnitt etwa 85 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht-deutscher Herkunftssprache. Vor fünf Jahren, als die Schule unter dem damaligen Schulleiter einen deutlich besseren Ruf hatte, waren es mehr als 70 Prozent. Damals lag die Zahl der nachgefragten deutlich höher als die Zahl der angebotenen Plätze.
Die Schulgemeinschaft schlägt der Schulaufsicht in dem Brief nun sechs Maßnahmen vor, bei denen sie um Unterstützung bittet, unter anderem Teilungsunterricht, eine Schulpsychologin zusätzlich zu den vier Sozialpädagogen, eine bessere Hofaufsicht und einen Pförtner am Eingang. Elternvertreter berichteten, die Schulaufsicht sei trotz vieler Bitten desinteressiert.
Der rbb hätte am Mittwoch gerne mit der Schulleiterin gesprochen, die Senatsbildungsverwaltung ermöglichte aber kein Interview dazu. Die Verwaltung erklärte schriftlich: "Die Schulaufsicht ist mit der Schulleitung im Austausch und wird in Kürze bei einem klärenden Gespräch weitere Unterstützung anbieten, aber auch die Vorgänge an der Schule prüfen. Die Hausspitze nimmt die Schilderungen aus der Schule ernst und lässt sich berichten."
Am Mittwochvormittag war die Polizei wieder in der Schule. Ein Schüler soll eine Waffe bei sich gehabt haben - die stellte sich dann als eine Spielzeugpistole heraus.
Sendung: rbb24 Abendschau, 20.11.2024, 19:30 Uhr
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