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Post vom Finanzamt
Viele Eigentümer in Berlin haben in den letzten Tagen Post vom Finanzamt bekommen. Während für einige teils hunderte Euro mehr Grundsteuer anstehen, kommen andere deutlich günstiger weg. Eigentümerverbände kündigen Widerstand an. Von Jan Menzel und Leonie Schwarzer
Das weiße Haus von Wolfgang Hebenstreit und seiner Frau Beate ist umgeben von einem Wildgarten mit Lavendel, Sonnenblumen und Rosen, die jetzt im Herbst noch blühen. Vor 20 Jahren haben sich die Hebenstreits im Mahlsdorfer Siedlungsgebiet ihr kleines Paradies gebaut. Kein Luxus, ein schönes, aber schlichtes Einfamilienhaus mit 140 Quadratmetern Wohnfläche. Doch dafür muss das Ehepaar künftig sehr viel tiefer in die Tasche greifen.
Waren bisher 227 Euro Grundsteuer pro Jahr für das Haus in zweiter Reihe fällig, müssen ab Januar 782 Euro ans Finanzamt überwiesen werden. So steht es im Bescheid des Finanzamtes Marzahn-Hellersdorf, den Wolfgang Hebenstreit in den Händen hält. "Für einen Schwerverdiener ist das kein großer Betrag, aber für Rentner ist das ein wesentlicher Betrag", sagt er.
Was Hebenstreit absolut nicht nachvollziehen könne, ist die Berechnungsgrundlage, die der Steuererhöhung zugrunde liegt. Der Wert ihres gepachteten 564 Quadratmeter großen Grundstückes ist demnach regelrecht explodiert. "Die Grundstücke haben alle unterschiedliche Werte", gibt er zu bedenken. "Aber das ist hier alles pauschal festgesetzt worden. Ich weiß nicht, wie man auf über eine halbe Million für dieses Grundstück kommt."
Tatsächlich wird die Grundsteuer in Berlin aus einer ganzen Reihe von Daten ermittelt. Dazu gehören beispielsweise der Bodenrichtwert, Grundstücksfläche, Wohnfläche, aber auch das Mietniveau. Ein wesentlicher Faktor in der Berechnung ist zudem der Hebesatz, den die Kommune festsetzt. Der Senat hat diese Größe im Zuge der Reform von 810 auf 470 Prozent fast halbiert.
Für die Hebenstreits in Mahlsdorf heißt es im Ergebnis, dass sie dennoch drei Mal mehr als bisher zahlen sollen. Bei anderen Eigentümern wie Markus Oegel gibt es dagegen genau den umgekehrten Effekt. Oegel, der auch CDU-Bezirkspolitiker in Neukölln ist, und seine Frau wohnen in einer rot-verklinkerten Doppelhaushälfte im Ortsteil Rudow. Und beide freuen sich, dass nun nur noch 306 statt 720 Euro auf ihrem Steuerbescheid stehen.
"Aus Sicht des Laien finde ich es durchaus fairer, weil es eben auf das gesamte Berliner Gebiet verteilt wird. Jetzt kann ich mir eher die Frage stellen: Warum haben wir 30 Jahre zu viel gezahlt? Aber das wollen wir jetzt nicht." Worauf Oegel anspielt, ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018.
Darin hatten die Richter die bisherige Ermittlung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt, weil sie auf Basis völlig unterschiedlicher und veralteter Zahlen zum Wert der Grundstücke kalkuliert wurde. So wurden für Häuser im Westen Deutschlands und damit auch im Westteil Berlins die sogenannten Einheitswerte aus dem Jahr 1964 herangezogen. Im Osten waren es dagegen Zahlen von 1935. Das Bundesverfassungsgericht sah darin eine klare Ungleichbehandlung.
Unstrittig ist seit dem Urteil, dass die Grundsteuer reformiert werden muss. Und bei dieser Ausgangslage war auch klar, dass eine Neujustierung unterschiedliche Auswirkungen haben würde. Zumal Finanzsenator Stefan Evers (CDU), der das Thema von seinen Amtsvorgängern praktisch geerbt hat, von Anfang an betonte, dass er am Ziel der Aufkommensneutralität festhalten wolle.
"Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass der Staat, dass das Land Berlin sich mit dieser Reform nicht bereichern wird", bekräftigt der CDU-Politiker, nachdem der Eigentümerverband "Haus und Grund" die versprochene Aufkommensneutralität öffentlich in Zweifel gezogen hat.
Der Verband veröffentlichte Zahlen, die er zuvor in allen Berliner Bezirken erhoben hatte. Darin wurde die bisherige Höhe der Grundsteuer mit den neuen ab 1. Januar fälligen Beträgen verglichen. "Wir können nur sagen, im Schnitt stellen wir eine Steigerung um 73 Prozent bei der Grundsteuererhebung fest. Das ist nicht aufkommensneutral", kritisiert der Präsident von "Haus und Grund", Kai Warnecke.
Allerdings hat sein Verband in einer Stichprobe auch nur 200 seiner Mitglieder befragt. Bei rund 900.000 Bescheiden, die schon von den Finanzämtern verschickt wurden oder noch verschickt werden, dürfte die Aussagekraft damit begrenzt sein. Gleichwohl sieht Warnecke das zentrale Problem darin, dass Berlin eine Regelung anwendet, die den Wert der Grundstücke einberechnet. Niedersachen, Hessen und Bayern hätten dagegen einen anderen, besseren Weg gewählt.
"Diese Bundesländer fokussieren sich auf die Grundstücksgröße und/oder die Größe der jeweiligen Wohnung, so dass man knapp sagen kann: Wer in einem großen Haus wohnt, bezahlt mehr als derjenige, der in einer kleinen Wohnung wohnt", sagt Warnecke und kündigt an, dass "Haus und Grund" die "ungerechte" Reform in Berlin vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen werde.
Auch die Hebenstreits in Mahlsdorf wollen sich nicht so einfach mit der Verdreifachung der Grundsteuer für ihr Haus im Grünen abfinden und Widerspruch einlegen. Was die Ehepartner besonders bedrückt, ist dabei der Blick in die Zukunft. "Wenn ich zum Beispiel früher mein Seemannsgrab in Anspruch nehme und meine Frau allein ist, kann sie es nicht mehr halten", sagt Wolfgang Hebenstreit. "Ich habe nur eine Mini-Rente", ergänzt seine Frau Beate.
Fürs Erste aber müssen sie wie alle anderen Eigentümer die Grundsteuer, so wie sie im Steuerbescheid steht, überweisen. Lediglich für Härtefälle stellt der Finanzsenator individuelle Regelungen wie die Stundung von Zahlungen in Aussicht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.11.2024, 13:50 Uhr
Beitrag von Jan Menzel und Leonie Schwarzer
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