Trotz Sparzwang
Droht dem Wissenschafts-Campus in Tegel das Aus? Die Berliner Hochschule für Technik will in das Terminal A einziehen. Doch das Projekt könnte dem Rotstift zum Opfer fallen. Das will die Wissenschaftssenatorin verhindern. Von D. Knieling und A. Ulrich
Baulärm im Sechseck des früheren Terminals A in Tegel: Gelbe Bagger stoßen ihre Presslufthammer in den grauen Beton des Innenrings. Brocken brechen raus, werden zur Seite gekarrt. Stahlträger und Drähte liegen auf großen Haufen, dort, wo früher die Autos parkten. Aufzugstürme in Orange ragen weiterhin empor, aus dieser sechseckigen Baustelle. Auch die roten "Finger", die Gangways zu den Fliegern nach außen hin – alles noch da, verstaubt, ein bisschen morbide. Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra steht auf der früheren Aussichtsterrasse und staunt: "Das ist erstmal sehr beeindruckend, das Gelände erlebt man ganz anders ohne Flugbetrieb, man sieht die Größe, man sieht die Chancen."
Die Chancen: das heißt, dass hier eigentlich das Herzstück des neuen Wissenschaftsstandorts von Berlin entstehen soll: Die "Urban Tech Republic". Als Kernstück soll Berlins Hochschule für Technik (BHT) in das ehemalige Terminal A in Tegel einziehen. Geplant wird das schon seit 15 Jahren. Weil der Plan aber wackeln könnte, angesichts der extremen Sparzwänge des Berliner Senats, ist Czyborra nach Tegel gekommen, um zu werben. Die SPD-Politikerin zieht ihre Schirmmütze in die Stirn und will Entschlossenheit ausstrahlen: Ich gehe davon aus, dass Berlin es sich nicht leisten kann, diesen Ort in Dornröschenschlaf fallen zu lassen. Er ist viel zu wichtig, es gibt viel zu viele Chancen hier für die Urban Tech Republic, auch Wirtschaft zu entwickeln", sagt sie.
Auch die Hochschule für Technik hofft auf den Umzug – 2030 ist dafür bisher geplant. Und wenn nicht? Hochschulpräsidentin Julia Neuhaus steht auf der Aussichtsterrasse in Tegel neben Czyborra und legt die Stirn in Falten: "Natürlich ist ein Bangen dabei, wir haben eine ganz große Notwendigkeit, dass wir Sanierungsmaßnahmen durchführen müssen." Von einem "Flächendefizit von 20.000 Quadratmetern" spricht die Hochschulpräsidentin, und von "gewaltigem Handlungsdruck".
Das heißt: die BHT platzt an ihrem bisherigen Standort im Wedding aus allen Nähten. Kann sie nicht umziehen nach Tegel, könnten im Extremfall sogar Studiengänge gestrichen werden. Frank Wolters, Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH, die das Quartier entwickelt, warnt vor fehlender Strahlkraft, wenn die Hochschule nicht käme: "Da ist natürlich ganz bedeutend eine starke Universität, eine starke Wissenschaftseinrichtung zu haben, wie die BHT, für die weiteren Entwicklungen. Weil das ein Anzugspunkt ist auch für Unternehmen aus Berlin, aus Deutschland, Europa und der Welt."
Rund 300 Unternehmen sollen sich auf dem früheren Flughafenareal ansiedeln, 10.000 Arbeitsplätze entstehen, so die Visionen der Tegel Projekt GmbH allein für den ersten Bauabschnitt. Wenn in den denkmalgeschützten Flughafen aber keine Studierende einziehen würden, wäre das fatal fürs gesamte Projekt, warnt Wissenschaftssenatorin Czyborra, und blickt über das Sechseck unter ihr: "Das kann nicht funktionieren. Es kann nicht mit einer Bauruine in der Mitte ein florierendes Ökosystem entstehen. Es geht ja auch um die Architektur, um einen historischen Platz für Berlin mit viel Geschichte."
Womit Czyborra sich sogar einig ist mit der Opposition. Kommen die Millionen für den Flughafen-Umbau nicht, sind die Pläne in Tegel nahezu tot, fürchtet Linken-Fraktionschef Tobias Schulze: "Dann hat man vielleicht ein Gewerbegebiet und vielleicht auch ein Wohngebiet, aber das ausstrahlungsfähige Modellprojekt für Berlin, die ‚Urban Tech Republic‘, die würde wegfallen", fürchtet Schulze.
Einen "Plan B" – ein anderes Quartier für die Hochschule, oder ein anderes Projekt für das Hexagon des ehemaligen Flughafens – hat keiner. Auch die Umzugspläne zu verschieben, mache die Sache nicht billiger, sagt Ina Czyborra und verweist auf gute Erfahrungen mit dem Wissenschafts-Quartier in Adlershof. "Wir haben gesehen, wie es in Adlershof funktioniert hat: Langer Atem, mutige Entscheidungen, und hier muss das wieder funktionieren, weil wir das für Berlin brauchen, ein Ökosystem für Innovation und für Arbeitsplätze zu schaffen."
Anfang kommender Woche wird klar sein, wie das Sparpaket des Senats genau aussieht. Und ob damit in Tegel perspektivisch Hochschul-Leben einziehen wird oder erstmal Leere bleibt.
Sendung: rbb24, 15.11.2024, 16:00 Uhr
Beitrag von Dorit Knieling und Angela Ulrich
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