Berliner Haushalt 2025
Nirgendwo soll im Berliner Haushalt so viel gekürzt werden wie im Verkehrs-Etat. Darüber hätte die Opposition im Abgeordnetenhaus gerne diskutiert. Aber Regierungsfraktionen und Senatorin verweigerten sich – mit einer seltsamen Begründung. Von Sabine Müller
Es kommt nicht oft vor, dass Grüne, Linke und AfD einer Meinung sind, aber am Mittwochnachmittag im Verkehrsausschuss war es der Fall. Alle drei Oppositionsparteien wollten über die Kürzungen in Höhe von 660 Millionen Euro im Etat von CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde reden und dafür einen neuen Besprechungspunkt auf die Tagesordnung nehmen.
Aber die Regierungsfraktionen von CDU und SPD lehnten dies ab. Ganz im Sinne (oder im expliziten Auftrag?) von Ute Bonde, die schon vor der Sitzung auf die Frage des rbb, ob sie zu den Kürzungen etwas sagen wolle, mit einem nachdrücklichen "Nein" geantwortet hatte.
Im Ausschuss selbst war die Senatorin erstmal Zuschauerin, als der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Johannes Kraft, argumentierte, jetzt sei nicht der richtige Zeitpunkt für eine Debatte zu den Einsparungen. Denn es gebe noch keinen Senatsbeschluss und "für uns als Fachausschuss noch nicht genügend Informationen, um hinreichend und fundiert diskutieren zu können".
Ungläubiges Kopfschütteln bei den Grünen. Kraft tue so, als sei die Sparliste "irgendein informelles Dokument", kritisierte Daniel Wesener. Aber die Kürzungen seien am Dienstag vom Regierenden Bürgermeister und anderen Koalitionsspitzen vorgestellt worden. "Offizieller geht's nicht", so der Grünen-Vertreter.
Auch der AfD-Abgeordnete Rolf Wiedenhaupt betonte, es gebe "sehr konkrete, titelscharfe Zahlen". Die Fraktionen von CDU und SPD hatten am Dienstag ein 17-seitiges Dokument verschickt, in dem jeder geplante Kürzungsposten verzeichnet ist – von einer Million weniger für den Fußverkehr über drei Millionen weniger bei der Rad-Infrastruktur bis zu den fünf Millionen von zwei Tram-Linien, die erstmal nicht weiter geplant werden. Die Öffentlichkeit habe ein Anrecht darauf, dass diese Zahlen jetzt im Ausschuss diskutiert würden, so die Opposition.
Die Argumente verfingen nicht, CDU und SPD stimmten gegen einen neuen Tagesordnungspunkt. Aber auch ohne einen solchen hätte Ute Bonde sich problemlos zu den Haushaltskürzungen äußern können, wenn sie gewollt hätte. Denn der Tagesordnungspunkt 3 war wie immer für den "Bericht aus der Senatsverwaltung" reserviert. Hier referiert die Senatorin in jeder Ausschusssitzung zu den Themen, die sie aktuell am dringendsten umtreiben. Bonde redet eine Minute lang zur "Sondernutzungsgebührenverordnung" und schloss dann mit den Worten: "Das war der Bericht des Senats".
Die Grüne Antje Kapek hielt es danach kaum auf ihrem Stuhl. Wie könne die Senatorin einen Tag nach der Verkündung "der verheerendsten Sparorgie, die es im Verkehrsetat jemals gegeben hat" in ihrem Bericht kein Wort dazu verlieren? Für den Linken Kristian Ronneburg "grenzt das an Missachtung des Parlaments".
Ute Bonde antwortete stoisch, es gebe bislang keinen Senatsbeschluss zum Haushalt. "Insofern werde ich hier auch nicht als Vertreterin des Senats Stellung nehmen zu den Listen, die jetzt in der Öffentlichkeit kursieren." Das Thema werde im Ausschuss auf die Tagesordnung kommen, wenn die Listen im Detail ausgewertet seien, so Bonde.
War die Senatorin eventuell zu wenig eingebunden in die Kürzungsberatungen und müsse inhaltlich erstmal selbst "nacharbeiten", fragte der AfD-Abgeordnete Wiedenhaupt. Die Senatsverwaltungen seien eingebunden gewesen, sagte Bonde, aber nicht dabei gewesen, als die Koalitionsspitzen die Kürzungen letztlich beschlossen. "Insofern müssen wir jetzt schauen, welche gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen bestehen, die bereits eingegangen sind. Und das ist genau das, was wir jetzt tun werden."
Eine schlecht informierte Senatorin – für den Linken Kristian Ronneburg ein Unding. "Eine Senatorin muss eingebunden sein. Wenn sie es nicht wäre, dann wäre sie nicht die Richtige für diesen Job und sollte ihn an den Nagel hängen."
Immerhin, zu einem Teilaspekt der Haushaltskürzungen sagte Bonde dann doch etwas, als sie gefragt wurde, wie es nach dem beschlossenen Aus für das "Berlin-Abo" konkret weitergehe. Die Senatorin machte deutlich, dass das 29-Euro-Ticket so bald wie möglich nicht mehr subventioniert werden soll. Im Haushalt 2025 seien dafür keine Mittel mehr vorgesehen, so Bonde, das wolle man "schnellstmöglich" umsetzen.
Laut dem CDU-Abgeordneten Johannes Kraft wird überlegt, die knapp 210.000 29-Euro-Tickets "im Idealfall" schon zum 1. Januar entweder ins Deutschlandticket (ab Januar 58 Euro/Monat) oder in die Berliner Umweltkarte AB (71,40 Euro/Monat) umzuwandeln. Kundinnen und Kunden hätten dann ein Sonderkündigungsrecht. Im Verkehrsausschuss sorgten Bondes Aussagen für Überraschung und Verärgerung. Denn am Dienstag hatte SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey bei der Pressekonferenz der Koalitionsspitzen noch erklärt, sie gehe davon aus, dass Bestands-Abos für die vollen zwölf Monate gelten. Widerspruch zu dieser Aussage aus den Reihen der CDU gab es nicht.
Das subventionierte 29-Euro-Ticket, das im Tarifbereich AB gilt, war erst im Juli gestartet.
Eine Diskussion über die Haushaltskürzungen soll es im Verkehrsausschuss nun in der nächsten Sitzung am 4. Dezember geben. Dann allerdings, beklagte der Grüne Daniel Wesener, sei es "zu spät", um die Einsparpläne noch zu ändern.
Änderungen fordert aber nicht nur die Opposition, sondern auch Vertreter der schwarz-roten Koalition wollen nochmal ran an die Beschlüsse. Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, sieht vor allem die Kürzungen bei der Verkehrssicherheit und dem Schutz von Fußgängern und Radfahrern kritisch. "Hier werden wir auf jeden Fall nachschärfen und das ein oder andere rückgängig machen", kündigt er an. Dieses Thema treibt auch den CDU-Abgeordneten Johannes Kraft um. "Ich kann mir gut vorstellen, dass es da noch die eine oder andere Änderung gibt."
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.11.2024, 08:45 Uhr
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