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Ende der Parlamentsarbeit
Die Landtagswahl in Brandenburg endete mit einem Schock für die Grünen-Politik im Parlament. In der außerparlamentarischen Opposition will die Partei dennoch Akzente setzen – und tauscht erstmal Personal aus. Von Hanno Christ
Wer derzeit die Internetseite der einstigen Brandenburger Grünenfraktion im Landtag aufruft, der wird mit einem "Auf Wiedersehen" empfangen. In ihrer wohl größten Krise geben sich die Grünen optimistisch und kämpferisch, dass es mit einem Comeback ins Parlament in fünf Jahren schon irgendwie klappen wird. Dabei war die jüngste Wahl ein Desaster: Mit etwas über vier Prozent der Stimmen flogen die Grünen im September nicht nur in hohem Bogen aus dem Parlament, sondern auch aus der Kenia-Regierung, die sie zusammen mit CDU und SPD fünf Jahre lang gebildet hatten.
Viel tiefer konnte die Partei nicht fallen. Ausschlaggebend für die herbe Niederlage war nicht nur der Gegenwind im Bund durch die miesen Umfragewerte der Ampelregierung oder die SPD-Taktik "Woidke oder die AfD", mit der die Sozialdemokraten auch andere Parteien kannibalisierten. Es waren auch hausgemachte Fehler und Fehleinschätzungen der Grünen, die am Ende zum Wahldesaster führten. Welche das waren, will die Partei nun auf mehreren Regionalkonferenzen diskutieren – und daraus Rückschlüsse für die nächsten Wahlkämpfe ziehen.
Die ersten Konsequenzen zogen die beiden Landesvorsitzenden, Hanna Große Holtrup und Alexandra Pichl. Sie kündigten am Dienstagabend ihren Mitgliedern an, ihr Amt vorzeitig abgeben zu wollen. Ursprünglich waren beide bis zum Herbst 2025 gewählt, nun wollen sie schon im Frühjahr den Job an ein anderes Duo übergeben. Ein für Herbst geplanter Parteitag soll dafür vorgezogen werden. Der Rückzug der Doppel-Spitze erfolge nicht aufgrund von Kritik aus dem Landesverband, sagen Große Holtrup und Pichl übereinstimmend.
Im Gegenteil: Nach der Wahlniederlage habe es viel Bestätigung gegeben – und eine Reihe von neuen Eintritten. Beide hatten schon im Vorfeld angekündigt, nicht für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, auch weil sie beruflich und privat andere Pläne verfolgen. Pichl ist bereits seit 2019 an der Spitze. Sie hat eine Kandidatur für das Amt der Bürgermeisterin in Kleinmachnow im Januar angekündigt. Die Juristin Große Holtrup kam erst vergangenes Jahr dazu. Sie will sich nun auf die Beendigung ihres Studiums konzentrieren.
Da die Partei nun nicht mehr aus dem Landtag heraus, sondern als außerparlamentarische Opposition agiere, sei eine personelle Neuaufstellung nötig, der Landesvorstand habe eine neue Rolle, so Pichl. Es gehe darum, neue Strategien zu entwickeln, Wählergruppen zu erschließen und Netzwerke zu stärken, um als Grüne wahrnehmbar und relevant zu bleiben, meint Große Holtrup. "Die außerparlamentarische Opposition sollte eine starke Stimme sein, denn die ist jetzt im Landtag nicht mehr vertreten, das soll aber nicht heißen, dass es sie nicht mehr gibt", so die 27-Jährige.
Man werde weiter mit Bündnispartnern kämpfen etwa für ein Klimaschutzgesetz. Wie das aber gelingen soll, ohne selbst Teil der Legislative zu sein, bleibt ein Geheimnis der Grünen. Ein Klimagesetz war ihnen nicht mal als Teil einer Regierung gelungen. Die Bündnisgrünen sehen ihre Chance nun in den Stimmen, die im neuen Parlament nicht mehr oder kaum noch vertreten sind: Mit der Wahl haben es nur noch vier Parteien in den Landtag geschafft, der ohne Linke und Grüne, dafür mit einer erstarkten AfD deutlich weiter nach rechts gerückt ist. Er ist weitaus weniger pluralistisch als zuvor. Die Grünen versuchen nun sich z.B. mit einem Klimabündnis aus diversen Umweltverbänden Gehör zu verschaffen.
Nach der Wahlniederlage ist eine Neuaufstellung der Partei unumgänglich: Ohne die Zuschüsse für die Parlamentsarbeit muss der Landesverband mit etwa einem Drittel weniger an Geld auskommen – und um die Sichtbarkeit im politischen Alltagsgeschäft ringen. Da die Grünen nun keine Ministerinnen und Minister, keine Staatssekretäre oder Fraktionsvorsitzenden mehr stellen, schwindet auch die Zahl der Gesichter und hauptamtlichen Mitarbeiter auf Landesebene von früher 15 auf heute zwei – die Landesvorsitzenden. Wenn die wenigen Gesichter dann auch noch kaum bekannt sind, könnte es schwierig werden, meinen beide Noch-Vorsitzenden.
Immerhin: Rein zahlenmäßig gehören die Grünen mit mehr als 3.000 Mitgliedern nach SPD und CDU zu den größten Landesverbänden in Brandenburg. Man habe außerdem in den letzten Jahren Strukturen im ganzen Land aufbauen können, die helfen sollen, die Partei im Gespräch zu halten, heißt es in einem Leitantrag des Landesvorstandes für die kommende Landesdelegiertenkonferenz. Mit Bundestags- und Europaabgeordneten wie Annalena Baerbock, Michael Kellner und Sergey Lagodinsky sei man außerdem weiter in Brandenburg präsent. Allerdings haben die Grünen auf kommunaler Ebene keine breite Basis, stellen weder Landräte noch hauptamtliche Bürgermeister. Im Flächenland Brandenburg ist jedoch das kommunale Rückgrat stets ein wichtiger Baustein für politischen Erfolg gewesen.
Die Grünen müssen sich vor allem fragen, weshalb sie mit ihren Themen die Wähler nicht mehr in ausreichendem Maße erreichen - weder im großstädtisch beeinflussten Speckgürtel, noch in der früheren Grünen-Hochburg Potsdam und erst recht nicht in den berlinfernen Regionen. Hier sind die Grünen sogar teils zum Hass-Objekt geworden.
In einem Land, dass sich nach Stabilität und Sicherheit sehnt, dürfte es eine Partei schwer haben, die sich gerne als treibende Kraft von Veränderung und Neuanfang definiert. Entgegenkommen könnte den Grünen das Programm der anstehenden Koalition von SPD und BSW, die sowohl in der Migrations- als auch in der Energiepolitik einen deutlich konservativeren Kurs einschlagen dürfte – mit weniger Windkraftflächen, einem Kohleausstieg, an dem bis 2038 nicht gerüttelt wird und mehr Akzenten auf Abschiebung und Zuwanderungsbegrenzung als auf Integration. Die Grünen wittern politische Brachen für sich.
Trotz teils strikter Ablehnung im Land und einer herben Wahlniederlage im September: Bislang ist über interne Streitigkeiten und Kursdebatten bei den Bündnisgrünen wenig bekannt. Direkt nach der Wahl hatte zwar ein Teil des Landesvorstands der Grünen Jugend die Partei verlassen - aus Frust über deren Kurs vor allem in der Frage von Zuwanderung. Das war es dann aber auch schon mit internen Revolten.
Ende November wollen die Bündnisgrünen in Cottbus auf einer Landesdelegiertenkonferenz beraten, wie der künftige Weg weiter geht. Ausgewiesenes Ziel ist das Wiedersehen im Landtag, nicht die Dauerschleife außerparlamentarischer Opposition.
Sendung: Brandenburg aktuell, 06.11.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Hanno Christ
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