Regierungsbildung
Die Koalitionsverhandlungen von SPD und BSW in Brandenburg gehen in die entscheidende Phase. Der amtierende Wirtschaftsminister Jörg Steinbach will in einer neuen Regierung nicht dabei sein - wegen Differenzen mit dem BSW.
Der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) steht nicht für eine weitere Amtszeit zur Verfügung. Grund ist die voraussichtliche Zusammenarbeit mit dem BSW in einer zukünftigen Koalition, wie es in einer Mitteilung des Ministeriums vom Donnnerstag hieß.
"Für mich persönlich sehe ich (...), unabhängig von einem möglichen Ergebnis der Koalitionsverhandlungen mit dem BSW, insbesondere wegen der von der Parteispitze vertretenen Positionen keine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit", wird Steinbach in der Mitteilung zitiert. Er beende daher seine aktive Amtszeit.
Im Gespräch mit dem rbb erläuterte Steinbach: "Das ist eine Entscheidung gegen die bundespolitische Partei Bündnis Sahra Wagenknecht, mit ihrer Chefin und ihrer Einstellung: Austritt aus der NATO, einer deutlichen Position gegen amerikanische Unternehmen, die völlig andere Interpretation der russischen Haltung und des russischen Angriffskrieges bis hin zu der Forderung, die gesamte Embargo-Politik wieder umzudrehen und wieder russisches Gas und russisches Öl zu beschaffen."
Mit dieser Partei sei er "nicht kompatibel", so Steinbach. Ausschlaggebend sei auch seine Sozialisation als West-Berliner mit einer hohen Amerika-Affinität und einer großen Identifikation mit Europa, so der 68-Jährige. "Mich hätte es eine ständige psychische Belastung gekostet, in einer solchen Konstellation mitzuarbeiten."
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) teilte mit: "Jörg Steinbach hat mir vor mehreren Wochen mitgeteilt, dass er der neuen Landesregierung nicht mehr angehören möchte." Er bedaure die Entscheidung sehr, könne aber nachvollziehen, wenn Steinbach jetzt mit fast 70 Jahren andere Prioritäten setzen möchte, sagte Woidke.
Der Ministerpräsident betonte, dass Steinbach ein "sehr guter und erfolgreicher Wirtschaftsminister für Brandenburg" gewesen sei. "Er hat für seine engagierte Arbeit für unser Land Dank und Anerkennung verdient. [...] Ich wünsche Jörg Steinbach für die Zukunft alles Gute", so Woidke weiter.
Steinbach sagte, ihm sei die Entscheidung nicht leicht gefallen. Für ihn fange nun aber eine neue Lebensphase an. "Ich freue mich auch auf andere Aktivitäten." Er bleibt noch bis zur Neubildung der Regierung geschäftsführend im Amt.
Das BSW in Brandenburg ging auf die Kritik Steinbachs nicht direkt ein. BSW-Landesgeschäftsführer Stefan Roth sagte, wer auf der Position des Wirtschaftsministers nachfolge, müsse ein besonderes Augenmerk auf die Sicherung von Arbeitsplätzen und den Erhalt der Produktionsstätten von Industriebetrieben im Land legen. "Viele dieser Unternehmen sind abhängig von Energiepreisen und leiden unter den Wirtschaftssanktionen. Sie brauchen die besondere Unterstützung des Landes."
Knapp zwei Monate nach der Landtagswahl steuern SPD und BSW derzeit auf den Endspurt ihrer Koalitionsverhandlungen zu. "Ich gehe davon aus, dass wir in der nächsten Woche fertig werden", sagte BSW-Landeschef Robert Crumbach der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. SPD-Generalsekretär David Kolesnyk sagte: "Wir sind gut vorangekommen."
Wenn sich SPD und BSW einigen sollten, könnten Parteitage Ende der ersten Dezember-Woche einen Koalitionsvertrag beschließen, Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) könnte am 11. Dezember im Landtag gewählt und vereidigt werden.
Die Grünen-Landesspitze nannte Steinbach einen "Mann, der Ehre und Rückgrat beweist". Seine Kritik sei aber ein deutliches Signal, dass die Grundlage für eine stabile Zusammenarbeit in der kommenden Regierung fragil sei. "Das ist eine schwere Hypothek für eine mögliche SPD-BSW-Koalition."
Der Wirtschaftsstaatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, der brandenburgische Bundestagsabgeordnete Michael Kellner (Grüne), sagte zu Steinbach: "Er war einer der wenigen Sozialdemokraten in Brandenburg, der eine klare Haltung zur russischen Aggression gegenüber der Ukraine hat. Meine Sorge vor einer Landesregierung, die Pro-Putin-Politik betreibt, steigt damit weiter." Steinbach habe zudem "die Chancen des grünen Wandels für gut bezahlte Arbeitsplätze und Wohlstand" ergriffen, lobte Kellner.
Steinbach war Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus und übernahm im November 2019 das Wirtschaftsministerium in Brandenburg. Er begleitete unter anderem die Ansiedlung von US-Autobauer Tesla in Grünheide bei Berlin eng und war in einer Taskforce zur Zukunft der Ölraffinerie PCK in Schwedt eingebunden. Die Bundesregierung beschloss jedoch wegen des Ukraine-Kriegs den Verzicht auf russisches Öl. Im August hatte die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht an ihrer Forderung nach einer Rückkehr zu russischem Erdöl für die Raffinerie in Schwedt festgehalten.
Sendung: rbb24 Abendschau, 21.11.2024, 19:30 Uhr
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