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Koalitionsvertrag von SPD und BSW
SPD und BSW haben sich in Brandenburg auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geeinigt. Der Entwurf ist rund 70 Seiten lang und umfasst zwölf Hauptpunkte. Was steht drin? Ein Überblick aus der landespolitischen Redaktion.
Der am Mittwoch von SPD und BSW vorgestellte Koalitionsvertrag trägt den Titel "Brandenburg voranbringen – Bewährtes sichern. Neues schaffen". Er muss nun noch von den Parteigremien angenommen werden. Das haben SPD und BSW in Brandenburg vor:
Der Vertragsentwurf beginnt mit der Präambel, die die vielleicht höchste Hürde, die das neue Bündnis nehmen musste, thematisiert: Eine gemeinsame Verständigung zur Haltung gegenüber dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und zur Aufrüstung Deutschlands – obwohl Außenpolitik keine Sache eines Bundeslandes ist.
Der Wortlaut der Präambel wurde bereits nach dem Ende der Sondierungen vorgestellt und findet sich in unveränderter Fassung im Koalitionsvertrag wieder. Darin heißt es unter anderem: "Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können. (…) Wir sehen vor diesem Hintergrund die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen auf deutschem Boden kritisch. Es braucht konkrete Angebote, um wieder zu Abrüstung und Rüstungskontrolle zu kommen."
Für die Formulierungen wurde die SPD Brandenburg bundesweit kritisiert, auch aus den eigenen Reihen, von der BSW-Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht hingegen gelobt. In der Präambel bekennen sich BSW und SPD gleichzeitig zu einer Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr und zum Budapester Memorandum, das der Ukraine unter anderem ihre Souveränität garantiert. Wie genau die Landesregierung Außenpolitik gestalten möchte, hält der Koalitionsvertrag nicht fest.
Die Sanktionen gegen Russland werden im Koalitionsvertrag nicht infrage gestellt, aber es wird betont, dass sie Nachteile für die Wirtschaft in Brandenburg bedeuten. Auch deswegen müssten "diplomatische Friedensbemühungen auch die Normalisierung der wirtschaftlichen Beziehung zum Ziel haben". Trotz wiederholter Kritik des BSW an Rüstungsprojekten wird die Bedeutung der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) als einzige Industriemesse in Ostdeutschland und als "Aushängeschild der Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland" gewürdigt. Die landesseitige Finanzierung der ILA werde sichergestellt, die Messe weiterentwickelt.
Die neue Koalition will die Energie-Transformation weiterhin begleiten und fördern. Industrien und Standorte wie zum Beispiel Schwedt, Eisenhüttenstadt, Rüdersdorf oder Brandenburg an der Havel sollen gestärkt werden. Die Bedeutung von "Grünem Stahl" – also die Produktion von Stahl mittels Erneuerbarer Energie - wird hervorgehoben. Instrumente zur Reduzierung des Treibhausgasausstoßes, wie CO2-Preise, dürften nicht zu sozialen Verwerfungen im Land führen und den Unternehmensstandort Deutschland gefährden. Die Koalition setzt sich daher für Änderungen ein. Wie die aussehen, bleibt offen.
Nicht zum ersten Mal verspricht ein Koalitionsvertrag in Brandenburg: "In Brandenburg soll es künftig weder 'weiße Flecken' ohne schnelles Internet noch 'graue Flecken' ohne Glasfaseranschluss geben. In Regionen, in denen dieser Ausbau aus wirtschaftlichen Gründen nicht realisierbar ist, wird gezielt gefördert."
BSW und SPD wollen eine Tariftreueregelung für die Vergabe öffentlicher Aufträge einführen. Die Vergabe von Aufträgen soll künftig an die Tarifbindung eines Unternehmens gekoppelt werden. Für nicht tarifgebundene Unternehmen, die bei einer Vergabe zum Zuge kommen wollen, gelten weitere Vergabekriterien wie Vergabemindestlohn. Der soll nach dem Willen der Koalition auf 15 Euro angehoben werden.
Die Förderung von Unternehmen wird künftig davon abhängen, ob sie für gute Beschäftungsbedingungen und betriebliche Mitbestimmung sorgen. Fachkräfte sollen aus dem In- und dem Ausland angeworben werden.
Die Koalition hält am gesetzlich vereinbarten Kohleausstieg bis spätestens 2038 fest. Einem vorzeitigen Ausstieg hatte sie bislang eine Absage erteilt. Voraussetzung für die Umsetzung des Ausstiegs bis 2038 sei die Sicherstellung der Energieversorgung.
Beim Bund wolle man sich für einen kosteneffizienten Netzausbau im Energiebereich einsetzen, darunter auch eine Senkung der Stromsteuer für alle Verbraucher, eine "fairen Verteilung der Netzentgelte" sowie einen zeitlich begrenzten Industriestrompreis.
Künftig soll die Genehmigungen für Anlagen der Erneuerbaren Energien stärker daran geknüpft werden, ob es einen zuverlässigen Anschluss ans Verteilernetz ermöglicht werden kann. Photovoltaik oder Windkraftanlagen in Naturschutzgebieten soll es keine geben, der Abstand zu Wohngebieten erhalten bleiben.
Es soll attraktiver werden den vor Ort erzeugten Strom auch vor Ort zu speichern und zu nutzen. Im Vertrag stehen finanzielle Beteiligungsmodelle für Bürgerinnen und Bürger und Teilhabemaßnahmen für Kommunen, um die Akzeptanz für den Ausbau der Erneuerbaren zu steigern. Das Windenergieanlagenabgabengesetz will die Koalition so verändern, dass die Höhe der Abgabe künftig von der installierten Leistung der Anlage abhängig ist.
Die Koalition bekennt sich zur weiteren Umsetzung der Brandenburger Wasserstoffstrategie und setzt auf den Aufbau einer großflächigen Wasserstoff-Infrastruktur.
Die neue Regierung will, dass in Grundschulen auf die Vermittlung von drei Kernkompetenzen gesetzt wird: Lesen, Schreiben und Rechnen. Dafür sollen verbindliche Lehrpläne eingeführt werden. Zudem werden private Tablets und Mobiltelefone während des Unterrichts verboten; die Geräte müssen also in den Taschen oder Schließfächern verstaut werden.
Das Land will den Einsatz von Künstlicher Intelligenz ermöglichen und entsprechende Anwendungen in den Unterricht einführen. Dazu sollen Empfehlungen für die Schulen ausgesprochen und Lehrkräfte geschult werden. Außerdem soll das Schulbudget erhöht und die "Bewirtschaftungsregeln" im Haushalt geändert werden, damit auch Nicht-Lehrkräfte wie Therapeuten und Sozialarbeiter einfacher an Schulen arbeiten können.
Kindergartenjahre sollen in Brandenburg weiterhin beitragsfrei sein, auch soll es bei der Reduzierung der Elternbeiträge in Krippe und Hort bleiben – beitragsfreie Jahre stellt die Regierung da aber erst bei Besserung der finanziellen Lage in Aussicht.
Die Erzieherausbildung wird von fünf auf vier Jahre verkürzt. Zudem sollen 500 neue Plätze für die praxisintegrierte Ausbildung geschaffen werden. Die Lehramtsausbildung soll ebenfalls hochgefahren werden, dazu soll die Kapazität an der BTU Cottbus-Senftenberg von derzeit 160 auf 200 Plätze erhöht werden.
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Nachwuchswerbung der Bundeswehr während der Unterrichtszeit, aber nicht direkt im Unterricht stattfinden darf.
Absolvierte Freiwilligendienste sollen besser belohnt werden; das Land will sich für ein höheres Taschengeld sowie eine Anerkennung des absolvierten Dienstes für die folgende Ausbildung oder das folgende Studium einsetzen. Um den Sportstättenbau anzutreiben, sollen Genehmigungsverfahren im Land vereinfacht werden.
Studenten müssen weiterhin keine Studiengebühren in Brandenburg zahlen, der Semesterbeitrag bleibt davon aber unberührt. Das Landf will derweil prüfen, ob Wissenschaftsparks (Science Parks) wie in Potsdam und der Lausitz auch anderen Standorten entstehen können, etwa in Schwedt und Dahme-Spreewald.
Mehr Geld soll es für Musik- und Kunstschulen geben. Auch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) sowie die Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park sollen gezielte Förderungen bekommen. Und: Die Regierung will prüfen, ob Schüler, Auszubildende und Studierende künftig kostenfrei in landeseigene Museen und Gedenkstätten dürfen.
Jüdische Verbände und Gemeinden in Brandenburg sollen mehr Geld kriegen, dafür wird der jüdische Staatsvertrag Brandenburg geändert.
Die Zahl der Polizeistellen soll auf 9.000 als Zielgröße steigen. Derzeit liegt die angestrebte Zahl bei 8.500, die Stellen konnten bisher aber nicht voll besetzt werden, aktuell liegt die Zahl bei rund 8.300. Um die Personalbesetzung zu beschleunigen, soll die Ausbildung künftig intensiviert und für Seiteneinsteiger attraktiver werden. Auch soll die Hochschule der Polizei ausgebaut werden, das Anwärterwohnheim in Oranienburg etwa soll zeitnah fertig werden.
Der Verfassungstreue-Check für Beamte, der seit September gilt, soll nicht - wie vom BSW zunächst gefordert - abgeschafft, dafür aber 2025 geprüft werden.
SPD und BSW erklären, dass sie zur Bundeswehr und ihren Standorten in Brandenburg stehen, dazu gehöre der Ausbau der zivilen Infrastruktur sowie die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen. Während der Verhandlungen hatte der Luftstützpunkt Fliegerhorst Holzdorf (Elbe-Elster) noch zum Stocken der Verhandlungen geführt. BSW-Abgeordnete reichten eine Kleine Anfrage dazu im Landtag ein, zogen sie aber später zurück. Daraufhin stellte der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf die Anfrage im Alleingang.
In der Justiz soll es weiterhin mehr Stellen geben. Auf eine konkrete Zahl legt sich die Koalition allerdings nicht fest. In der vergangenen Legislatur wurden 207 zusätzliche Stellen in der Justiz (Richter, Staatsanwälte, Folgedienst) geschaffen. Altverfahren sollen so weiter abgebaut werden.
Bei bestimmten Fällen von "gerichtlichen Massenverfahren" will die Koalition den Einsatz von Künstlicher Intelligenz weiter prüfen. Wer zukünftig am BER seine Fluggastrechte einklagt, könnte also Richterurteile bekommen, die mithilfe von KI-Textbausteinen unterstützt wurden.
Die in der vergangenen Legislatur eingerichteten Familienzentren sollen erhalten bleiben und ausgebaut werden. Seit 2023 gibt das Land für die Zentren jährlich 2,6 Millionen Euro aus. Familien erhalten hier Beratung und Unterstützung. Über eine Bundesratsinitiative will Brandenburg erreichen, dass gesetzliche Renten bis zu 2.000 Euro steuerfrei gestellt werden.
Alle Krankenhausstandorte sollen erhalten bleiben. Dass es an jedem bisherigen Standort aber auch weiterhin das gewohnte Krankenhaus gibt, ist damit nicht gesagt. Stattdessen sollen alle Standorte als "Orte der regionalen Gesundheitsversorgung erhalten" bleiben. Einfach aufgeben will die Koalition Krankenhäuser aber nicht. So will sie die Investitionspauschale erhöhen, also mehr Geld zur Verfügung stellen und auch Möglichkeiten prüfen, in Not geratenen Kliniken zu helfen.
Die Koalition setzt eine Enquetekommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie ein. Sie soll erarbeiten, welche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung erfolgreich und verhältnismäßig waren. In diesem Zusammenhang soll auch über ein Corona-Amnestiegesetz beraten werden. Dahinter steckt eine Forderung des BSW, das auch eine teilweise Amnestie für Corona-Verstöße forderte.
SPD und BSW wollen "alle geeigneten und rechtssicheren Maßnahmen zur Eindämmung, Verhinderung und Zurückweisung von illegaler und irregulärer Migration" unterstützen. Außerdem sollen Rückführungsabkommen ausgeweitet werden. Das Land will Menschen ohne Bleiberecht zentral unterbringen und rückführen, also abschieben, entweder selbst oder über den Bund.
Integration von Menschen mit Bleiberecht will die Koalition in erster Linie über eine Integration in den Arbeitsmarkt erreichen. Schon im Asylverfahren sollen deshalb "Arbeitsgelegenheiten und Praktika" angeboten werden. Das bestehende Landesaufnahmegesetz will die Koalition überprüfen. Ziel ist ein Landesintegrationsgesetz, das nach dem Prinzip des "Förderns und Forderns" funktionieren soll.
Bei der Landesplanung soll Brandenburg weiterhin mit Berlin zusammenarbeiten. Gemeinsam will man auch enger mit benachbarten Metropolen wie Hamburg oder Stettin kooperieren. Um gezielter entlang der Entwicklungsachsen zu fördern, will die Koalition Regionalbudgets prüfen. Das heißt, nicht nur die Lausitz, die Strukturwandel-Gelder erhält, hätte damit einen regional gebundenen Fördertopf.
Die Koalition will mit interessierten Kommunen eine "Allianz für Wohnungsbau" gründen, den sozialen Wohnungsbau will sie fördern. Die Landesbauordnung soll novelliert werden, um Planen und Bauen zu beschleunigen. Zukünftig könnten etwa Büro- oder andere Gebäude leichter in Wohnraum umgewandelt werden.
Die Koalition will einen "Schienen-Masterplan" für Brandenburg erstellen und dafür mit Berlin, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zusammenarbeiten. An allen Bahnhöfen im Land soll zukünftig mindestens einmal pro Stunde ein Zug abfahren.
Das Deutschlandticket soll nicht an Brandenburg scheitern, das Land will sich für dessen Erhalt einsetzen. Ob das Ticket für "weitere Personengruppen" vergünstigt angeboten werden kann, soll überprüft werden.
Beim Straßenverkehr setzt die Koalition auf das Prinzip Erhalt vor Neubau. Um Ladesäulen für E-Autos voranzubringen will das Land eigene Flächen bereitstellen. Die Koalition will außerdem einen landesweiten Radverkehrsplan erstellen. Um Auto, Rad und Zug besser zu verbinden, sollen an Bahnhöfen mehr Park&Ride-Anlagen, aber auch mehr Fahrradstellplätze entstehen.
In der Landwirtschaft verschiebt sich der Fokus wieder verstärkt auf konventionelle Agrarbetriebe. Mit Blick auf den ökologischen Landbau heißt es im Koalitionsvertrag lediglich, er sei "gut aufgestellt".
Die Agrarpolitik soll zugleich "erlässlich" sein und den Herausforderungen des Klimawandels begegnen, die regionale Wertschöpfung gestärkt werden. Der Bodenmarkt soll transparenter und gerechter geregelt, Privatisierung öffentlicher Flächen auf ein Minimum begrenzt werden. Landwirtschaftliche Flächen sollen möglichst nicht für ökologische Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen bei Bauprojekten in Anspruch genommen werden. Der Tierbestand soll erhöht werden. Mitunter geht der Koalitionsvertrag ins Detail: Sogar der Fortbestand der Brandenburg-Halle auf der Grünen Woche in Berlin ist ausdrücklich festgeschrieben.
Eines der großen Streitthemen der letzten Legislaturperiode war die Novellierung des Jagdrechts, an der der grüne Agrarminister Axel Vogel scheiterte. SPD und BSW wollen hier einen neuen Anlauf wagen. Außerdem will sich die Koalition für ein "Bestandsmanagement" von Wolf und Biber einsetzen und notwendige Änderungen im Bund herbeiführen. Wolf und Biber sollen also gejagt und ihre Bestände reduziert werden.
Klimaschutzmaßnahmen sollen sozialverträglich und unbürokratisch gestaltet werden. Der in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedete Klimaplan soll umgesetzt, aber mit Landnutzern und -eigentümern, Unternehmen, Bürgern und Kommunen weiterentwickelt werden. Der Waldumbau, also die Abkehr von Kiefer-Monokulturen, soll fortgesetzt werden.
Die gesellschaftliche Spaltung in Brandenburg nimmt zu – das war ein Befund, der sich aus dem Wahlergebnis ableiten ließ. SPD und BSW setzen beim Versuch, gesellschaftliche Brücken zu bauen, allerdings auf Bekanntes: Demokratiebildung in Schulen soll ausgebaut werden, das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg und das Bündnis für Brandenburg umgesetzt und weiterentwickelt werden. Mit dem Antisemitismus-Beauftragten des Landes soll es eine enge Zusammenarbeit geben.
Einigkeit besteht darüber, dass mehr Ostdeutsche in leitenden Positionen arbeiten sollen. Eine Festlegung darauf, wie das erreicht werden soll – beispielsweise durch eine Quotenregelung – wird allerdings nicht getroffen. SPD und BSW wollen sich für eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einsetzen mit dem Ziel, durch schlankere Strukturen den Rundfunkbeitrag über Jahre stabil zu halten.
Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrags stehen unter Finanzierungsvorbehalt. SPD und BSW wollen sich für die Abschaffung der Schuldenbremse einsetzen, die im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld den Realitätscheck nicht bestanden habe.
Für alle steuerrechtlichen Belange der Bürgerinnen und Bürger soll eine zentrale Hotline eingerichtet werden.
Sendung: rbb24 SPEZIAL, 27.11.2024, 20:15 Uhr
Beitrag von Hanno Christ, Stephanie Teistler, Michael Schon und Hasan Gökkaya
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