Kommentar | Koalitionsvertrag in Brandenburg
Die Brandenburger SPD hat mit dem BSW einen Koalitionsvertrag verhandelt, der kürzer ist als frühere Verträge. Wofür steht die neue rot-lila-Verbindung? Der Entwurf des Vertrages lässt wenig Ambitionen erkennen, kommentiert Thomas Bittner.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) war angetreten, um ein "Weiter so" in der Landespolitik zu verhindern. Die SPD wollte als stärkste Kraft auf jeden Fall weiter in der Regierung dominieren. So wie sie das auch nach den sieben vorhergehenden Wahlen tat. "Weiter so" steht nirgends im 67-seitigen Text des Koalitionsvertrags. Man nennt es nur anders.
"Bewährtes sichern" heißt es auf dem Titelblatt. Unambitionierter kann man nicht ausdrücken, was die neue Koalition will: den Status quo halten. Auf jeder Seite wird "fortgeführt", "stabilisiert", "weiterentwickelt". Ja, man verspricht auch, Neues zu schaffen und Brandenburg voranzubringen.
Aber was ist wirklich neu? Dass man in der Schule zuallererst Lesen, Schreiben und Rechnen lernen soll, ist keine neue Erkenntnis. Dass man Bürokratie abbauen muss, um die Wirtschaft weniger zu gängeln, wird seit Jahrzehnten gefordert.
Und was ist der konkrete Beitrag der Koalition dazu? Ein Sonderausschuss im Landtag zu Bürokratieabbau. Das ist genau mein Humor. Viel Raum für Referenten, Sitzungen und geduldige Papiere.
Auch die Senkung der Energiepreise ist ein nachvollziehbarer Wunsch. Doch der Koalition fällt nicht viel mehr ein, als sich beim Bund für Maßnahmen zur Preissenkung einzusetzen. Überhaupt wird sehr oft auf den Bund gezeigt, wenn es um Geld oder Reformen geht.
Was will diese Koalition? Mit der Ankündigung eines Tariftreue-Gesetzes und dem Vergabe-Mindestlohn von 15 Euro blinkt das neue Bündnis links, erfreut Gewerkschaften und erschreckt Unternehmer - um gleichzeitig rechts abzubiegen, wenn es um einen starken Staat geht. 9.000 Polizeikräfte soll es geben, die uniformierten Beamten sollen flächendeckend mit Bodycams und Tasern ausgestattet werden. Die Polizei soll enger mit Ordnungsämtern zusammenarbeiten.
Das Wort "Sicherheit" findet sich 23 Mal im Text. "Klimawandel" wird nur viermal erwähnt, meist in Verbindung mit "Anpassung", so als gehe es eher darum, das Unausweichliche anzunehmen. Das Thema Klimaschutz wechselt aus dem Umweltministerium ins Wirtschaftsministerium, wo ein SPD-Minister oder eine SPD-Ministerin sich vorrangig um die Unternehmen, Arbeit und Energiepolitik kümmern wird.
Auch beim Thema Migration löst sich rot-lila von der Vorgängerregierung. Dem Behördenzentrum am BER - von Grünen und Linken als "Ausreisezentrum" geschmäht - wird die neue Koalition sich nicht mehr entgegenstellen. Die Bezahlkarte soll landesweit einheitlich eingeführt werden. "Wer kein Bleiberecht besitzt, muss Deutschland verlassen", heißt es im Vertrag. Aber die Koalitionäre wissen genau, dass Rückführungsabkommen und die Liste sicherer Herkunftsstaaten Sache des Bundes sind.
Manche Wahlversprechen hat das BSW geopfert. Ein kostenloses Mittagessen in Schulen und Kitas wird es nicht geben. Dass der Haushalt "nach mehreren Krisenjahren vor enormen Hausforderungen" steht, hat sich auch die Brandenburger Koalition in ihre Geburtsurkunde geschrieben. Umso erstaunlicher, dass sich das Bündnis Sahra Wagenknecht in Zeiten knapper Kassen ausgerechnet das Finanzministerium gesichert hat.
In Zeiten, in denen wenig zu verteilen ist, die Steuereinnahmen sinken und die Schuldenbremse gilt, wird der Gestaltungsspielraum des Finanzressorts kleiner denn je. Katrin Lange, die bisherige Finanzministerin und von Dietmar Woidke geförderte Nummer zwei der SPD, lobte den Koalitionsvertrag auch wegen seiner Kürze und Kompaktheit. Man verzichte auf Lyrik, auf Detailversessenheit und überzogene Kleinteiligkeit, man gebe sich Luft zum Atmen.
Ob das reicht, um fünf Jahre durchzuhalten?
Sendung: rbb24 Spezial, 27.11.2024, 20:15 Uhr
Beitrag von Thomas Bittner
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