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Quelle: Picture Alliance/dts Nachrichtenagentur

Wahlkampfanalyse

Stärke der AfD in sozialen Medien wird laut Studie überschätzt

Millionen Klicks auf Tiktok, Instagram und Facebook: Der Erfolg der AfD wird auch mit ihrem Wahlkampf in den sozialen Medien erklärt. Eine Untersuchung kommt jetzt zum Ergebnis: Die Partei sei weniger "Social-Media-Partei" als häufig behauptet.

Stärkste Kraft in Thüringen, zweitstärkste in Brandenburg und Sachsen: Die AfD war bei den drei Landtagswahlen im Herbst im Osten Deutschlands äußerst erfolgreich. Oft wird ihre gefühlte Dominanz im Netz als Grund für die Erfolge genannt. Allerdings werde ihre Stärke in den sozialen Medien überschätzt - zu dem Ergebnis kommt jedenfalls die Untersuchung "Social-Media-Partei AfD?" der Otto-Brenner-Stiftung [otto-brenner-stiftung.de] der Wissenschaftsstiftung der Gewerkschaft IG Metall, die am Dienstag erschienen ist. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen vor allem eins: große regionale Unterschiede im Online-Wahlkampf.

Soziologe über Social Media

"Die AfD hat verstanden, in den ersten zehn Sekunden ihre Inhalte zu vermitteln"

Der jüngste AfD-Wahlerfolg wird auch darauf zurückgeführt, dass sie auf Tiktok junge Menschen für sich gewann. Der Soziologe Özgür Özvatan erklärt, was die AfD im Netz anders macht - und wie sie schon in Parlamentsreden die sozialen Medien mitdenkt.

Werbeanzeigen auf Instagram und Facebook

In Brandenburg soll die AfD im digitalen Raum am "agilsten" gehandelt und am meisten Arbeit in ihre Relevanz in sozialen Medien investiert haben, "beginnend mit der Präsenz auf Tiktok und den Investments für digitale Wahlwerbung auf Facebook und Instagram", schreiben die Autoren im Fazit des Arbeitspapiers.

So hat die AfD laut Analyse bis zu 60.000 Euro für Werbeanzeigen auf Facebook und Instagram in Brandenburg investiert, in Sachsen waren es bis zu 40.000 Euro. Die AfD in Thüringen gab laut der Untersuchung kaum Geld für Werbeanzeigen aus. Die genaue Summe der Ausgaben sei laut Autoren nicht einsehbar, da das Unternehmen Meta nur sogenannte Betragsintervalle angibt.

Die Ausgaben der Landesverbände spiegeln sich auch in der Reichweite der jeweiligen Werbeanzeigen wider. Die AfD Brandenburg erreichte mit ihren Werbeanzeigen im Wahlkampf knapp vier Millionen Wiedergaben, in Sachsen waren es etwas mehr als 2,5 Millionen. In Thüringen nur wenige Hunderttausend.

Zum Vergleich: Die CDU gab in Brandenburg von allen Parteien am meisten Geld für Werbeanzeigen auf Facebook und Instagram aus, laut der Autoren zwischen etwa 80.000 und 120.000 Euro. Damit generierte die Partei fast 15 Millionen Wiedergaben - also etwa drei Mal so viele wie die AfD. Auch SPD und Freie Wähler haben in Brandenburg nicht nur mehr für Werbeanzeigen ausgegeben, sondern auch mehr Reichweite erzielt.

Kandidat:innen als "politische Influencer"

Videos auf Tiktok sind laut der Untersuchung in Brandenburg im Vergleich zu den anderen Landesverbänden strategischer eingesetzt worden, um junge Menschen zu mobilisieren. Ähnlich wie im Europawahlkampf von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah sollen die Videos auf Tiktok dafür an die Sehgewohnheiten von jungen Menschen angepasst worden sein.

In Brandenburg hätten einzelne Kandidat:innen versucht, "sich als politische Influencer:innen auf Tiktok zu inszenieren", sagt Harald Sick, einer der Autoren der Studie. Dazu gehöre unter anderem der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte AfD-Abgeordnete Dennis Hohloch, der laut Analyse durch emotionale Inhalte und direkte Ansprache der Nutzer:innen auffiel. In Thüringen hat der Fokus des digitalen Wahlkampfs stattdessen eher auf einer Person gelegen: dem Spitzenkandidaten Björn Höcke.

Auch die absoluten Zahlen deuten auf einen präsenteren Tiktok-Wahlkampf in Brandenburg hin: Die 25 erfolgreichsten Tiktok-Accounts aus dem Spektrum der AfD und rechtsextremen Akteuren sollen im Zeitraum vom 15. Juli bis zum 1. September 2024 fast 600 Videos veröffentlicht und fast 10 Millionen Wiedergaben generiert haben - doppelt so viele wie in Thüringen. In Sachsen wurden mit über 400 Videos etwa 8 Millionen Wiedergaben erreicht.

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Junge Alternative als "Provokationsmotor"

Die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative, hat laut den Autoren im Wahlkampf als "Provokationsmotor" gewirkt: "Die Provokation mit extremen, rassistischen und migrationsfeindlichen Aussagen - transportiert auch über generative Künstliche Intelligenz - trug zur besseren Sichtbarkeit der Partei bei, was vor allem der AfD in Brandenburg und Thüringen nutzte", heißt es.

KI-generierte Songs und Memes haben laut Autoren eine bedeutende Rolle im Wahlkampf gespielt. Die Lieder kriminalisieren demnach Migration, stellen Angstszenarien dar und werben mit "Remigrations"-Plänen. Häufig sollen diese Bilder und Songs nicht nur vom AfD-Umfeld, sondern auch von rechten Influencern verbreitet worden sein.

Die Verbreitung von Inhalten durch das politische Vorfeld hat laut Analyse im Wahlkampf eine große Rolle gespielt und sei ein wichtiger Faktor, um neue Zielgruppen zu gewinnen und Ressourcen auszulagern. Dies zeigte sich beispielsweise durch Streamer, die Wahlkampfveranstaltungen auf YouTube streamten oder Interviews mit Spitzenkandidaten durchführten. Dies verdeutlicht laut Untersuchung auch, dass Online- und Offline-Wahlkampf heute nicht mehr voneinander zu trennen sind.

Fazit der Studie: Wahlen wurden nicht im Netz gewonnen oder verloren

Die Autoren des Arbeitspapiers kommen trotz "nicht unerheblicher Bedeutung auf Social Media" zu dem Ergebnis, dass die Präsenz der AfD im Osten der Republik in der Öffentlichkeit häufig überschätzt worden sei. Die Wahlen sind laut Fazit der Autoren nicht im Netz entschieden worden.

"Zwar übten die AfD-Landesverbände im Zusammenwirken mit rechten Medien und Agenturen durchaus Dominanz in digitalen Räumen aus", schreiben die Autoren. Allerdings seien hohe Reichweiten nur vereinzelt erreicht worden und nur wenige Kandidat:innen hätten sich auf die Besonderheiten von Plattformen wie Tiktok eingelassen. Dass die Online-Präsenz der Partei so stark eingeschätzt wird, liege eher an der medialen Aufmerksamkeit auf provokative und rassistische Inhalte der Partei.

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