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Audio: rbb24 Inforadio | 22.11.2024 | Angela Ulrich | Quelle: dpa/Patrick Pleul

Wirtschaftsminister Jörg Steinbach

"Mr. Tesla" will nicht mehr

Die Investition des US-Autobauers machte Jörg Steinbach zu einem der bekanntesten Gesichter der Landesregierung. Er war einer der fortschrittlichsten Wirtschaftsminister Brandenburgs, auch weil ihm Parteizugehörigkeit manchmal egal war. Von Hanno Christ

Er gefiel ihm sichtlich, der Titel "Mr. Tesla". Jörg Steinbach war nicht der einzige Vater des Erfolges, aber er war zumindest maßgeblich daran beteiligt, dass sich der US-Elektroautobauer in Grünheide (Oder-Spree) niederließ.

So überzeugte er Tesla-Mitarbeiter bei einem Rundflug in einem alten russischen Flugzeug über Grünheide von der Errichtung einer "Giga-Factory" in den märkischen Sand. Und er scheute sich nicht, bei einem Besuch in den USA ein Tesla-Shirt überzustreifen. Es war eine Modenschau, die ihm in den USA wohl Verbündete einbrachte, daheim in der Mark aber etliche Kritiker.

Der Wirtschaftsminister lasse es an Distanz vermissen und rolle Tesla-Gründer Musk den Roten Teppich aus, kritisierten damals etwa Linke, AfD oder BVB/Freie Wähler. Und warum könne Tesla-Geschwindigkeit nicht auch in allen anderen Bereichen der Wirtschaft Anwendung finden?

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Steinbach mit engem Draht zu Musk

Steinbach machte sich wenig aus solchen Anwürfen. Er dürfte zu den wenigen in der Landesregierung gehören, die noch immer einen direkten Draht zu Elon Musk haben. Immer wieder berichtete er auf Nachfrage, dass er im Austausch mit ihm stünde – zuletzt auch immer kritischer, nachdem Musk zum engsten Trump-Unterstützer wurde.

Steinbach, Tesla und Musk – das war in der brandenburgischen Politik lange Zeit ein Dreiklang, der dem Land internationalen Glanz verlieh – auch wenn die Gigafactory immer mehr als Berliner denn als Brandenburger Fabrik vermarktet wurde.

Wirtschaftspolitik

Minister Steinbach geht auf Distanz zu Elon Musk

Brandenburg vom Schlusslicht zum Vorreiter

Die Wirtschaftsgeschichte Brandenburgs war lange Zeit eine, die von Komplexen behaftet war, geprägt durch Fehlinvestitionen und Pleiten. Cargo-Lifter, die Frankfurter Chipfabrik oder der Lausitzring hafteten dem Land lange als Millionengräber und ökonomische Vollkatastrophen an. Botschaft: Die Brandenburger kriegen es nicht gebacken.

Dabei erholte sich das Land langsam von diesem Image, wurde etwa Vorreiter beim Ausbau erneuerbarer Energie, ließ viele mittelständische Betriebe gedeihen, zog bereits auch Großinvestoren an Land. Mit Tesla setzte das Land erstmals ein Ausrufezeichen, das weltweit gesehen wurde – und neue Investitionen nach sich zog, etwa in der Batterieproduktion. Und mittendrin immer Steinbach.

Steinbach als politischer Seiteneinsteiger

Man mag es Glück nennen, dass er ausgerechnet in dieser Zeit Wirtschaftsminister wurde und er Früchte ernten konnte, die andere gesät hatten. Steinbach aber zeigte sich als eloquenter Verkäufer des neuen Brandenburger Wirtschaftswunders. Dabei war der gebürtige West-Berliner als Seiteneinsteiger in die Politik – und in die SPD – gekommen.

2018 war Albrecht Gerber (SPD) als Wirtschaftsminister aus privaten Gründen zurückgetreten. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) fand einen Nachfolger in der Lausitz, im Präsidenten der Brandenburgisch-Technischen Universität in Cottbus. Der promovierte Chemiker Steinbach hatte eine bis dahin erfolgreiche Bilanz an der Universität und schien der Richtige zu sein – auch wenn er keine politische Vorerfahrung hatte.

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Politischer Außenseiter mit Beinfreiheit

Steinbach gilt zwar als fachlich versiert, nicht aber als politischer Netzwerker. Wohl auch deshalb gehörte er nie dem inneren Kern der Brandenburger Kenia-Koalition an – und auch nicht zu den SPD-BSW-Koalitionsverhandlern. Das machte ihn zu einem politischen Außenseiter, auf eine andere Weise aber verschaffte es ihm Beinfreiheit.

Steinbach zeigte sich offen gegenüber den Herausforderungen der Energiewende, verteidigte aber zugleich die Transformation des PCK Schwedt weg von fossilen Brennstoffen oder auch die langfristige – vielleicht sogar vorzeitige - Abkehr von der Braunkohleverstromung. Steinbach betonte meist mehr die Chancen als die Risiken, mehr den Mut zur Veränderung als die Angst davor und warnte vor den Folgen des Klimawandels. Er sieht aber auch: Krisen und Wandel können den Wohlstand im Land gefährden.

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Verteidiger der Energiewende

Zum Leidwesen von anderen SPD-Kabinettsmitgliedern gehörte Steinbach stets zu den Verteidigern der Energiewende, hob Vorteile hervor, ohne die Bedenken vor Ort zu übersehen. Er redete mit jedem und konnte auch mal das Grün-geführte Bundeswirtschaftsministerium öffentlich loben, statt es nur zu kritisieren. Parteitaktisch mag das nicht zielführend gewesen sein, aber es war eben Steinbach.

Er machte sich auch immer wieder selbst auf den Weg ins Land, etwa nachdem die Bewohner von Münchehofe im Kreis Dahme-Spreewald vergangenes Jahr in einem Mini-Referendum gegen die Errichtung neuer Windkraftanlagen gestimmt hatten. Steinbach kritisierte die Bewohner im rbb-Fernsehen. Sie hätten die Vorteile wohl noch nicht ganz verstanden. Als es daraufhin Kritik an so viel Arroganz hagelte, machte sich Steinbach selbst auf den Weg nach Münchehofe. Um die Pläne zu verteidigen, aber auch um sich für seine Äußerungen zu entschuldigen. Auch das war Steinbach.

Abgang mit Paukenschlag

Nach Ankündigung seines Rückzugs am Donnerstag bekommt er parteiübergreifend viel Zuspruch – für seine Bilanz, aber auch für seine klare Haltung gegenüber einer möglichen Koalition von BSW und SPD. Steinbach sieht in dieser Konstellation keinen Raum mehr für sich. Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht sei er nicht kompatibel. Austritt aus der NATO, Kritik an Sanktionen und an amerikanischen Unternehmen wie Tesla, vor allem aber die allzu russlandfreundliche Erzählung des BSW über den Ukraine-Krieg seien mit ihm – dem West-Berlin-Sozialisierten - nicht zu machen.

Steinbach ahnt, dass der Weg seiner Genossen künftig steil und steinig werden könnte – und wünscht ihnen ein gutes Händchen. Der sonst so diplomatische Minister zieht mit einem Paukenschlag von dannen. Der 68-Jährige hätte auch einfach sagen können, dass er nun reif für den Ruhestand sei – und es hätte ihm jeder geglaubt. Aber so ein Abgang wäre dann wohl vielleicht selbst für einen Jörg Steinbach zu leise und unpolitisch gewesen.

Beitrag von Hanno Christ

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