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Umsturz in Syrien
Nach fast 25 Jahren ist der syrische Diktator Baschar al-Assad entmachtet - Millionen Syrerinnen und Syrer waren ab 2011 vor dem Bürgerkrieg geflohen. In Berlin feierten Menschen al-Assads Flucht, am Sonntag auch bei einer Demo auf dem Oranienplatz.
Parallel zum Machtwechsel in Syrien haben sich am Wochenende Menschen in Berlin-Neukölln und -Kreuzberg zu Demonstrationen versammelt, um den Sturz des Diktators Baschar al-Assad zu feiern. Am frühen Sonntagnachmittag versammelten sich nach Polizeiangaben 5.000 Demonstranten auf dem Oranienplatz in Kreuzberg. Nach Beobachtungen eines rbb-Reporters fuhren außerdem zahlreiche Autos hupend durch die umliegenden Straßen.
Die Stimmung war ausgelassen, die Menschen jubelten und feierten. Spontane Feiern, Autokorsos und Hupkonzerte gab es im Tagesverlauf auch am Moritzplatz und auf der Sonnenallee. Die Menschen schwenkten Fahnen Syriens und der islamistischen Rebellen und Regimegegner. Vom Oranienplatz aus zogen Teile der Menge später weiter in Richtung Oberbaumbrücke. Die Polizei war mit mehreren hundert Kräften vor Ort. Inzwischen ist die Veranstaltung beendet. Nennenswerte Zwischenfälle habe es nicht gegeben.
Bereits am Samstagabend versammelten sich feiernde Syrer auf der Neuköllner Sonnenallee. Nach Angaben des Polizeilichen Lagedienstes soll es sich zunächst um eine "relativ kleine Gruppe" von etwa 100 Menschen gehandelt haben. Besondere Vorfälle seien nicht bekannt, die Versammlung sei friedlich verlaufen, hieß es weiter. Auf Flaggen war der Slogan "Free Syria" zu lesen. Am späten Samstagnachmittag und am Samstagabend zog ein Autokorso mit jubelnden Menschen durch Neukölln. Die Polizei berichtete von einer angezeigten Versammlung von Syrern, "die gegen das Kalifat demonstriert haben". Daran hätten sich Menschen "im mittleren dreistelligen Bereich" beteiligt. Es habe keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Auch am Sonntag brachten Menschen in Autokorsi in Neukölln ihre Freude über den Machtwechsel in Syrien zum Ausdruck.
Islamisten der Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) hatten die Einnahme der syrischen Hauptstadt Damaskus gemeldet. Der ehemalige syrische Staatspräsident Baschar al-Assad sei geflüchtet. Das russische Außenministerium, Unterstützer al-Assads, teilte am Vormittag mit, al-Assad habe das Land verlassen und sei zurückgetreten. Am Abend dann meldeten mehrere Nachrichtenagenturen, Assad sei gemeinsam mit seiner Familie in Russland "im Asyl". Sie bezogen sich dabei auf die russische Staatsagentur Tass.
Der Einnahme von Damaskus war ein rasanter Vormarsch der islamistischen Rebellen vorangegangen, die binnen weniger Tage die Kontrolle über mehrere syrische Großstädte gewonnen hatten. Der syrische Ministerpräsident al-Dschalali sicherte zu, einen geordneten Machtübergang zu unterstützen [tagesschau.de].
Der Diktator Baschar al-Assad hatte Syrien fast 25 Jahre lang autoritär beherrscht, wie zuvor bereits sein Vater - nun floh er in einem Militärflugzeug aus dem Land, über seinen Aufenthaltsort ist noch nichts bekannt.
Zu Beginn seiner Herrschaft weckte Assad, der in England studiert hatte, Hoffnungen auf einen neuen Kurs. Doch die anfängliche Euphorie des sogenannten "Damaszener Frühlings", der kurze Zeit offenere Diskussionen erlaubte, wich bald der Rückkehr brutaler Repression. Unterstützt von Russland und Iran führte Assad ab 2011 einen Krieg gegen Rebellen, darunter mehrere radikale Dschihadisten-Gruppen - aber auch gegen die Zivilbevölkerung. Seine Armee setzte unter anderem Fassbomben und Giftgas ein. Mehr als 500.000 Menschen wurden in dem Bürgerkrieg getötet.
Infolgedessen flohen Millionen Syrerinnen und Syrer ins Ausland. Dort leben heute laut UN knapp fünf Millionen syrische Staatsbürger, der Großteil in benachbarten Ländern wie der Türkei (drei Millionen). In Deutschland lebten Ende 2023 712.000 registrierte syrische Asylbewerberinnen und Asylbewerber.
Für sie gilt derzeit grundsätzlich ein faktisches Abschiebeverbot nach Syrien, auch wenn die rechtliche Situation komplex und teilweise umstritten ist. Die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Syrien wird weiterhin als äußerst kritisch eingestuft. Das Bundesinnenministerium in Berlin erklärte, ob sich aus der "rasch verändernden Lage" in Syrien Fluchtbewegungen in der Region oder aus der Region hinaus ergäben, sei zur Zeit noch nicht vorhersehbar. Ebensowenig sei abzuschätzen, welche Auswirkungen die sich verändernde Lage auf die Möglichkeiten von syrischen Flüchtlingen zur Rückkehr in ihre Heimat haben werde.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat den Sturz des syrischen Regimes von Baschar Al-Assad am Sonntag als "erstes großes Aufatmen" bezeichnet, aber zugleich vor einer erneuten Eskalation gewarnt. "Das Land darf jetzt nicht in die Hände anderer Radikaler fallen - egal in welchem Gewand", warnte Baerbock in einer Mitteilung.
Experten und westliche Regierungen stufen die nun offensichtlich die Macht übernehmende HTS als Terrorgruppe ein. Der Wissenschaftler Thomas Pierret von Frankreichs nationalem Forschungsinstitut CNRS beispielsweise nannte ihren Anführer Muhammad al-Dscholani einen "pragmatischen Radikalen" [tagesschau.de].
Der Name der Gruppe HTS bedeutet übersetzt "Komitee zur Befreiung der Levante". Die Levante bezeichnet dabei die Region im östlichen Mittelmeerraum, die Syrien und die umliegenden Gebiete umfasst. Der Name spiegelt das Ziel der Gruppe wider, das Assad-Regime zu stürzen und einen sunnitischen islamischen Staat in Syrien zu errichten.
Während der de-facto-Herrschaft in der nördlichen Provinz Idlib baute HTS in den von ihr kontrollierten Gegenden eine zivile Regierung auf und richtete eine Art Staat in der Provinz Idlib ein, während sie zugleich ihre Rivalen zerschlug. HTS wurden in dieser Zeit aber auch von Bewohnern und Menschenrechtsgruppen brutales Vorgehen gegen Andersdenkende vorgeworfen - die Vereinten Nationen stufen diese als Kriegsverbrechen ein.
Sendung: rbb24 Abendschau, 08.12.2024, 19:30 Uhr
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