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Interview | Leiter Zentrale Erstaufnahme
Nach dem Fall des Assad-Regimes hat eine Diskussion über den Umgang mit Syrern begonnen. Das Bamf hat vorerst Asyl-Entscheidungen gestoppt. Olaf Jansen, Leiter der Zentralen Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt, hält das für falsch.
Die Bilder von Syrern, die auch in Brandenburg und Berlin den Fall des Assad-Regimes feiern, sind erst wenige Tage alt. Schon beginnt eine Debatte über den Verbleib der Flüchtlinge. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stoppt vorerst Entscheidungen über Asylanträge. Die Bearbeitung von insgesamt knapp 47.000 Asylanträgen von Syrern wird vorerst ausgesetzt, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag mitgeteilt hat.
Von der Entscheidung betroffen sind auch etwa 300 Syrer in der Zentralen Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt (ZABH). Der dortige Leiter, Olaf Jansen, kritisiert das Vorgehen, schließlich sei es Aufgabe einer Behörde, Entscheidungen zu treffen.
rbb|24: Wie haben die Menschen bei Ihnen in der ZABH in Eisenhüttenstadt diese Ereignisse in den letzten Tagen mitverfolgt?
Olaf Jansen: Wir hatten in Eisenhüttenstadt eine Party. Aber ansonsten ist es unspektakulär. Die Menschen sind alle erleichtert, dass das Regime verschwunden ist. Ansonsten sind sie aber darauf fokussiert, dass sie in Deutschland ankommen und sich hier gegebenenfalls auch eine Zukunft aufbauen können.
Auch deutschlandweit haben viele Syrerinnen und Syrer erleichtert reagiert. Gleichzeitig kam mit dem Sturz sofort wieder die politische Debatte auf, was mit den Syrern passiert, die noch im Asylbewerber-Status sind. Das Bamf hat am Montag vorerst Asylentscheidungen gestoppt. Wie stehen Sie dazu?
Ich halte das ehrlich gesagt für die zweitbeste Entscheidung, um es mal höflich auszudrücken - also keine gute Idee. Es geht hier nicht um ein paar hundert, sondern um mehrere zehntausend Fälle.
Durch das Nicht-Entscheiden wird da ein stetig aufwachsender, riesiger Rückstau erzeugt, der das Bamf und auch die zuständigen Länderbehörden über Monate lang beschäftigen wird, um den abzubauen. Deswegen ist das schlecht, aber auch, weil die Betroffenen zwischen Baum und Borke gehalten werden. Der Gesetzgeber geht auch davon aus, dass die Exekutive das tut, was der Name schon sagt: nämlich entscheidet. Und wenn sie das nicht tut, dann können die Betroffenen Untätigkeitsklagen erheben. Und die wird das Bamf dann reihenweise verlieren. Das kostet ein Vermögen. Das Bamf wird nicht umhinkommen, die Fälle zu entscheiden. Deshalb ist das keine gute Idee und es gebe da sinnvolle Alternativen.
Welche Alternativen erachten Sie denn für sinnvoll?
Es wäre wichtig, weiterhin die Asylverfahren von den neu ankommenden Menschen zu prüfen und zu entscheiden. Bei den Vulnerablen, also Familien mit Kindern, Lebensältere oder kranke Menschen, allein reisende Frauen, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass da Abschiebungsverbote in Betracht kommen und bei allein reisenden Männern dann durchaus das seit 2015 Undenkbare in Erwägung gezogen werden und Schutzanspruch abgelehnt werden. Das fällt dem BAMF bei anderen Ethnien relativ leicht. Und wenn jemand abgelehnt ist, dann kann er dagegen klagen. Dann werden die Gerichte entscheiden, ob das gerechtfertigt war oder nicht.
Für die Betroffenen ist es auch schlimm, nicht zu wissen, was mit ihnen wird. Es ist besser, eine klare Entscheidung zu haben.
Während das BAMF laufende Asylentscheidungen gestoppt hat, wird in der Politik schon über den Schutzstatus von hunderttausenden Syrern diskutiert. Ist das der richtige Zeitpunkt?
Die Menschen, die schon bei uns sind, hier zum Teil schon wunderbar integriert sind, zurückzuschicken, ist etwas, was wir uns keinesfalls leisten sollten, sondern wir sollten den Menschen, die uns hier vertrauen und angekommen sind, hier auch eine Perspektive bieten.
Anders sieht das bei Straftätern aus oder Menschen, die sich auch nach Jahren hier nicht integriert haben, immer noch von sozialen Sicherungssystemen abhängig sind, kein Deutsch sprechen. Bei dieser Gruppe kann man dann schon über eine Rückführung sprechen. Aber noch nicht jetzt, sondern dann, wenn sich die Verhältnisse geklärt haben und man in Syrien verlässliche Ansprechpartner hat. Das wäre jetzt die Aufgabe der Diplomatie, der Politik, genau diese Ansprechpartner zu suchen, um dafür die Voraussetzungen zu schaffen.
Welche Rolle könnte Deutschland bei einem Neuanfang in Syrien spielen?
Wir wissen nicht, wie sich die Lage in Syrien entwickelt. Aber ist es nicht unangenehm, dass die Europäer und gerade auch die Deutschen als größtes Land in Europa bei allem, was im Nahen Osten passiert, eigentlich so auf der Seitenlinie stehen? Ich würde mir wünschen, dass Deutschland, Frankreich sich da viel stärker einbringen und eben auch anfangen mitzugestalten, was jetzt in Syrien passiert. Es gibt offensichtlich dort ein Macht-Vakuum, wo man Einfluss nehmen könnte. Es ist nicht so, dass wir nichts zu bieten hätten und es anderen Mächten überlässt, zu entscheiden, was dort passiert.
Wir können sehr viel zum Wiederaufbau Syrien beitragen und idealerweise im Schulterschluss mit unseren europäischen Partnern eben den Menschen in Syrien auch ein Angebot machen und helfen. Wir haben hier eine Millionen Syrer im Land, wovon viele mittlerweile perfekt Deutsch sprechen und über viele Fertigkeiten verfügen. Das wäre durchaus auch eine wirtschaftliche Chance, sich da beim Wiederaufbau zu engagieren – wenn es denn von den Rahmenbedingungen her möglich ist. Auch Polen und Franzosen haben Expertisen.
Wenn wir nichts machen, ist es wahrscheinlicher, dass radikale Elemente da die Macht übernehmen und dieses Vakuum ausfüllen.
Man sollte in die Position kommen, um einen Beitrag zu leisten. Dieses Stillstands-Denken, was da jetzt auch mit dieser Entscheidung nichts zu entscheiden vom Bamf zum Ausdruck kommt, klingt für mich eher, wie Probleme kultivieren und nicht Chancen wahrnehmen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bei dem vorliegenden Interview handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung. Das Gespräch führte Robert Schwaß für Antenne Brandenburg.
Sendung: Antenne Brandenburg, 10.12.2024, 16:40 Uhr
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