Interview | Protest gegen Rechtsextremismus
Als Reaktion auf Recherchen, die ein Geheimtreffen von Rechtsextremisten in Potsdam offenbarten, wurde deutschlandweit demonstriert - auch in Luckenwalde. Die Anmelderin ist bis heute politisch aktiv - auch mit anderen Mitteln.
Caroline Fritsch meldete im Januar 2024 erstmals in ihrem Leben eine Demonstration in ihrer Heimatstadt Luckenwalde (Teltow-Fläming) an - als Reaktion auf "Correctiv"-Recherchen zu einem Geheimtreffen von Rechtsextremisten in Potsdam. 600 Menschen nahmen an der Protestveranstaltung teil. Insgesamt hat Luckenwalde 21.000 Einwohnerinnen und Einwohner.
In der Folge gründete Fritsch mit Mitstreitern die Initiative "Wir hier in Luckenwalde", die sich für eine vielfältige und tolerante Stadtgesellschaft einsetzt. Bis heute plant die Initiative Gesprächsformate, Musikevents und andere Aktionen.
rbb|24: Frau Fritsch, ein Jahr des Protests gegen Rechtsextremismus liegt hinter Ihnen und Ihrer Initiative "Wir hier in Luckenwalde". Wie hat sich das Team entwickelt?
Caroline Fritsch: Unsere Initiative ist nach den ersten Demos tatsächlich erst gewachsen und ich würde sagen, wir funktionieren stabiler denn je. Und das ist keineswegs selbstverständlich.
Dass es nicht selbstverständlich ist, zeigt sich wohl dadurch, dass es in Sachen Demos gegen Rechtsextremismus ruhiger geworden ist. Hat das mit den ungebrochenen Erfolgen der AfD bei Wahlen zu tun?
Man muss sich das vorstellen: Jedes Mal, wenn man eine Demo macht, ist das wie so ein Hochgefühl - und danach folgt dann doch so ein kleines Tief, vor allem, wenn man die Wahlergebnisse sieht. Wir müssen uns dann immer wieder neu motivieren. Zum Glück gibt es in unserem 10er-Team immer mindestens zwei, die die anderen wieder aus dem Loch ziehen.
Bleiben wir kurz bei den Wahlergebnissen: Würden Sie sagen, dass Ihre Bemühungen gegen rechtsextreme Positionen am Ende erfolglos waren?
Nein, es sind nur Erfolge, die nicht unbedingt in Zahlen fassbar sind. Wenn Menschen zu uns sagen: "Es ist total cool, was ihr da macht. Ich fange mal an, mich etwas besser zu informieren oder ich teile Eure Veranstaltungen". Oder wenn sich neue Gruppierungen zusammenfinden. Dann sind wir vielleicht ein kleines positiv wirkendes Rädchen im ganzen demokratischen Getriebe.
Hat sich dann über das Jahr hinweg der Fokus der Initiative verschoben? Wen wollten Sie vor einem Jahr erreichen und wen heute?
Anfangs haben wir versucht Menschen zu überzeugen, die bewusst die AfD wählen. Wir haben uns in Bürgerdialoge der AfD gesetzt und das Gespräch gesucht. Wir wurden immer wieder ausgeladen, beschimpft oder beleidigt und ausgegrenzt. Dann haben wir für uns erkannt, dass das Energie zieht und dass es etwas mit uns macht, was wir nicht möchten. Es nimmt uns die Hoffnung.
Wer ist also heute Ihr Adressat und was ist die Botschaft?
Wir haben festgestellt, dass wenn wir mit jungen Menschen zusammenarbeiten und mit jungen Menschen ins Gespräch kommen, dass da einfach noch ganz viel Potenzial ist, um ein positives Bild von der Zukunft zu zeichnen. Gerade hier in der vermeintlichen Provinz. Hier ist eben nicht alles negativ oder politisch verrottet. Hier gibt es noch ganz viel Neues, was hier entsteht und ganz viel Hoffnung und ganz viele gute Projekte. Und die wollen wir sichtbar machen.
Schauen wir auf das Potsdamer Treffen von Rechtsextremisten, das im Januar letzten Jahres durch "Correctiv"-Recherchen bekannt wurde. Sie sagen von sich selbst, dass Sie vorher nicht sonderlich politisch aktiv waren. Warum war das ein Wendepunkt?
Mir war schon vorher bewusst, dass nach all den Krisen, die wir gerade durchgestanden haben in der Gesellschaft, Pandemie, Ukrainekrieg, dass es ein gefährliches Pflaster ist und dass sich Rechtspopulismus noch stärker festbeißen kann. Ich glaube aber, es war das erste Mal, aufgrund dieser "Correctiv"-Recherchen, dass ich das wirklich gespürt habe. Aus diesem Gefühl heraus wusste ich: Wir müssen was tun.
Auf dem Potsdamer Treffen wurde der Begriff "Remigration" geprägt. Heute benutzt die AfD diese Formulierung ganz selbstverständlich im Wahlkampf.
Ich kann mich daran erinnern, dass beim Bürgerdialog der AfD gesagt wurde: Wir haben nie über Remigration gesprochen. Das würden wir uns nie rausnehmen und ein Dreivierteljahr später ist es in aller Munde und der Aufschrei bleibt aus. Das ist genau die Taktik der AfD. Sie machen das, was man nicht sagen darf sagbar und kommen damit in der Gesellschaft durch und das ist das, was so gefährlich ist.
Eine der letzten Aktionen der Initiative war, einen Wunschbaum in Luckenwalde aufzustellen. Mehr als 180 Wünsche haben die Leute dort hinterlassen? Was war für Sie auffällig?
Auffällig war, dass wir gar nicht auf Widerstand gestoßen sind. Es ging nicht gegen uns, es ging nicht gegen Ausländer. Die Wünsche der Menschen waren direkt aus ihrem Alltag. Einer wünschte sich einen niedrigeren Dönerpreis, der nächste einen Zebrastreifen. Es ging um bezahlbare Miete - ums Leben.
Was sagt Ihnen das? Und wie schöpfen Sie daraus Hoffnung?
Ich glaube, vielen Menschen geht es gar nicht darum, andere auszuschließen. Ich glaube, es geht darum selbst gesehen zu werden. Viele glauben, dass wenn der Fokus auf bestimmte Gruppen gelegt wird, dass sie selbst nicht mehr wahrgenommen werden. Dem ist natürlich nicht so, aber die Menschen müssen von der Politik auch das Gefühl vermittelt bekommen: Wir nehmen Euch alle mit, egal wie groß oder klein Eure Probleme sind.
Nach dem Bruch der Ampelkoalition steht nun der Bundestagswahlkampf vor der Tür. Was wünschen Sie sich von den demokratischen Parteien?
Die Parteien müssen in der Fläche wieder viel aktiver werden. Momentan macht die AfD das am geschicktesten, weil sie im Vergleich zu den anderen Parteien nahbar ist. Es reicht schon, dass man die Leute mit Vornamen anspricht, ein Glas Wein oder Bier zusammen trinkt und schon haben die Leute eine Verbindung. Im Zweifel glauben sie denen dann mehr als den Menschen, die im Bundestag sitzen, die sie nur aus der Zeitung kennen. Den anderen Parteien kann ich nur raten: Weniger Ego, mehr Fakten, mehr Gesprächsbereitschaft. Kommt mal her in die Provinz, streitet Euch auch mal mit den Leuten über Lösungen von alltäglichen Problemen! Traut Euch und gebt die Leute nicht auf!
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Alexander Goligowski.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 10.1.2025, 19:30 Uhr
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