Das Kriegsende in Berlin wurde in Michael Müllers Elternhaus besiegelt
Der Untergang des "Dritten Reichs" wurde zu allererst in Berlin besiegelt: Die Hauptstadt kapitulierte am 2. Mai 1945 - sechs Tage vor der Kapitulation Gesamtdeutschlands. Die Urkunde dazu unterschrieben Deutsche und Sowjets just in dem Haus, in dem später Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller aufwuchs. Von Andrea Marshall
Hitlers Reichshauptstadt Berlin ist ein einziges Trümmerfeld, als 1945 der Frühlingsmonat Mai anbricht. Gerade ist die erbitterte Schlacht um Berlin mit über 55.000 toten Zivilisten und vermutlich mehreren hunderttausend toten Soldaten auf beiden Seiten zu Ende gegangen, der "Führer" hat sich am 30. April das Leben genommen, auf der Ruine des Reichstags weht seit demselben Tag die Sowjetfahne. Die Rote Armee hat die Stadt aus allen Himmelsrichtungen in die Zange genommen.
Im Haus Schulenburgring Nr. 2 in Berlin-Tempelhof hat die Hauswirtin Anni Goebels ihre Wohnung räumen müssen. In dem herrschaftlichen Gründerzeitbau, aus dem zuvor drei jüdische Bewohner deportiert und ermordet worden waren, sind am 27. April hohe Militärs aus Moskau eingezogen: der Stab der 8. Gardearmee unter Wassili Tschuikow. Die Privaträume der Hauswirtin dienen jetzt einige Tage lang als Kommandozentrale der sowjetischen Militärführung in Berlin.
Der Altbau befindet sich in der Nähe des Tempelhofer Flughafens, der als letzter Fluchtweg gilt. Viele Jahre später wächst just in diesem Haus der jetzige Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller auf. Sein Vater Jürgen Müller lebt noch heute dort.
Der 1. Mai 1945 ist ein Dienstag. Nach den Selbstmorden der Nazi-Führung zeichnet sich jetzt das endgültige Kriegsende ab. Im Schulenburgring Nummer 2 herrscht ab 4.00 Uhr früh hektische Betriebsamkeit. General Hans Krebs soll mit den Sowjets einen Waffenstillstand aushandeln. Neun Stunden dauern die Verhandlungen – und scheitern. Die Alliierten bestehen auf der bedingungslosen Kapitulation des deutschen Reiches.
Am Abend macht sich allgemeine Erschöpfung breit – vielleicht auch, weil die Sowjets im zerbombten Berlin ausgiebig den "Tag der internationalen Arbeitersolidarität" feiern, wie der "Spiegel" später schreibt. Zu einem letzten Sturmangriff auf die Deutschen kommt es nicht. "Wir stürmen nicht mehr, wir kriechen", beklagt General Sokolowski.
Aber zum Schlafen kommen die Militärs im Schulenburgring auch in dieser Nacht nicht. Es wird hin und her telefoniert. Um 2.00 Uhr früh, am 2. Mai, kündigt sich ein weiterer deutscher Unterhändler an. Der vorherige, General Krebs, hat Selbstmord begangen.
Am Vormittag erreicht General Helmuth Weidling den Schulenburgring. Wieder geht es um Formulierungen. Man einigt sich schließlich auf den - aus heutiger Sicht - seltsamen ersten Satz "Am 30.4.45 hat sich der Führer selbst entleibt und damit uns, die wir ihm die Treue geschworen hatten, im Stich gelassen." Es folgt die Einsicht: "Jeder, der jetzt noch im Kampf um Berlin fällt, bringt seine Opfer umsonst". Dann die Konsequenz: An die Soldaten der Berliner Garnison ergeht die Aufforderung, sofort die Waffen niederzulegen.
Diesen Text - die Kapitulationsurkunde - tippt der Berliner Jude und Kommunist Stefan Doernberg auf seiner Reiseschreibmaschine ab. Er ist für die Rote Armee auch als Dolmetscher an den Verhandlungen um die Kapitulation der Nazi-Wehrmacht beteiligt, später, in der DDR, wird er als Historiker große Bekanntheit erlangen. Seine Vorlage unterzeichnen dann General Weidling und Generaloberst Tschuikow dann auf dem Wohnzimmertisch im Erdgeschoss des Schulenburgring Nr. 2.
Der Protokollant der Verhandlungen, der Dichter Jewgeni Dolmatowski, berichtet anschließend öffentlich am Brandenburger Tor von den Ereignissen. Das Foto, das ihn mit einer Hitler-Büste unter dem Arm zeigt, geht um die Welt.
Damit ist der Krieg für Berlin offiziell beendet. Für Gesamtdeutschland wird die bedingungslose Kapitulation sechs Tage später, am 8. Mai, in Karlshorst besiegelt.
Heute erinnert eine Gedenktafel an der Hausfassade im Schulenburgring an die Ereignisse. Am Samstag, dem 70. Jahrestag der Unterzeichnung, wird Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor dem Gebäude, das zugleich sein Elternhaus ist, einen Kranz ablegen. Auch der Botschafter der Russischen Föderation, Wladimir M. Grinin, will bei dem Termin um 9.30 Uhr eine Rede halten. Im Preußischen Landtag findet ab 11 Uhr eine gemeinsame Gedenkstunde des Abgeordnetenhauses und des Berliner Senats zum Kriegsende statt, bei der auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier spricht.
Im Schulenburgring Nummer 2, dem Haus, in dem Weltgeschichte geschrieben wurde, gedenken die Bewohner, Nachbarn und Freunde anschließend gemeinsam – bei einem Fest mit historischen Bezügen, Lesungen und einem Straßenkonzert.
Am 21. April 1945 überschritten erstmals sowjetische Soldaten die Berliner Stadtgrenze, binnen weniger Tage erreichten sie die Innenstadt. An diesen Vormarsch erinnern großformatige historische Fotos an sechs Berliner Plätzen: Brandenburger Tor, Lustgarten, Alexanderplatz, Joachimsthaler Platz, Wittenbergplatz und Potsdamer Platz. Jeder Ort widmet sich einem bestimmten Aspekt der Alltagsgeschichte.
Open-Air-Ausstellung "Alltag zwischen Krieg und Frieden" bis 26. Mai
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ist die zentrale Holocaustgedenkstätte Deutschlands, knapp eine halbe Millionen Gäste kommen jährlich zum Denkmal nahe des Brandenburger Tors.
Vortrag "The Memorial to the Murdered Jews of Europe and the Architecture of Remembrance" von Architekt Peter Eisenman: 5. Mai, 19 Uhr im Max Liebermann Haus
Festakt zum 10. Jahrestag der Übergabe des Denkmals: 7. Mai, 17 Uhr
Lesung "So weit wie möglich weg von hier": 28. Mai, 19 Uhr in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt
In Berlin-Karlshorst, wo heute das Deutsch-Russische Museum ist, wurde in der Nacht auf den 9. Mai 1945 die Kapitulation der Wehrmacht unterzeichnet. Das Museum bietet zum Jahrestag den ganzen Sommer über Ausstellungen, Tagungen und Vorträge.
Museumsfest: 8. Mai, 10 - 24 Uhr
Vernissage "Der 9. Mai. Formen des Gedenkens an das Kriegsende": 8. Mai, 11 Uhr
Das Kriegsende vor 70 Jahren scheint heute in weiter Ferne. Die Zwingli-Kirche erinnert mit einer filmischen Zeitreise an den Moment, in dem sich Ende und Anfang begegnen. Dokumentarfilme mit Originalmaterial wechseln ab mit Spielfilmen aus späteren Jahren.
Filmreihe "Stunde Null" zum Frühling in Berlin 1945/2015: 2. - 9. Mai
Die Akademie der Künste, das Allianz Stiftungsforum, die DZ Bank Berlin, das Europäische Haus und die Stiftung Brandenburger Tor erinnern gemeinsam an das Kriegsende als einschneidendes Ereignis der deutschen Geschichte, das unser Denken und Handeln bis heute bestimmt.
Lesung "Kriegsende 1945 - Ein Lesemarathon": 3. Mai, 14 - 16 Uhr (1. Teil) und 16 - 18 Uhr (2. Teil)
Filme "Jahrgang 45" und "Stunde Null": 13 und 16 Uhr
Lesung "Versuche, dein Leben zu machen" mit Margot Friedländer: 14 Uhr
Fotografie-Ausstellung "Pariser Platz 1945": 14 - 18 Uhr
Diskussion "Das Kulturelle Gedächtnis als Motor einer Zukunft Europas": 18 Uhr
Der Quadriga des Brandenburger Tors stehen lebensgroße Pferdeskulpturen unmittelbar gegenüber. Das Werk des mexikanischen Künstlers Gustavo Aceves soll die historische Versehrtheit der Quadriga widerspiegeln und an gesellschaftspolitische Herausforderungen der heutigen Zeit erinnern.
Ausstellung: 02. - 10. Mai
An der Gedächtniskirche wird es ein Gedenk- und Friedensfest mit Podiumsdiskussionen, Lesungen und Konzerten geben. Unter dem Motto "70 Jahre nach der Befreiung – dem Frieden ein Fest" richten die Überlebende der KZ Auschwitz und Ravensbrück, Esther Bejerano, Zeitzeugen und Jugendverbände mit zivilgesellschaftlichen Organisationen die Veranstaltungen aus.
Friedensfest: 8. - 10. Mai
Die Ausstellung "1945 - Niederlage. Befreiung. Neuanfang. Zwölf Länder Europas nach dem Zweiten Weltkrieg" zeigt die Situation nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Die Schau soll auch einen Einblick in den Alltag der Menschen gewähren. Mehr als 500 Ausstellungstücke werden dazu präsentiert - aus den Beständen des Deutschen Historischen Museums und Leihgaben aus 14 Ländern. Außerdem will das Museum Filme, Vorträge und Podiumsdiskussionen veranstalten.
"1945 - Niederlage. Befreiung. Neuanfang.": 24. April - 25. Oktober 2015
Der Krieg war für Deutschland eigentlich schon im Januar 1945 verloren, trotzdem setzte die Regierung Hitler den Krieg fort. Die Sonderausstellung beleuchtet die letzten chaotischen Kriegsmonate, zwischen Zerstörung und Terror sowie Orientierungslosigkeit und Zukunftsangst.
"Deutschland 1945 - Die letzten Kriegsmonate": 9. Dezember 2014 - 25. Oktober 2015
Vaterlandsliebe, Hass gegen den Feind, Mitleid mit den eigenen Opfern: Im Krieg geht es immer auch um gesteigerte Emotionen. Das Museum Europäischer Kulturen geht diesen Gefühlen im Krieg nach.
"Der gefühlte Krieg": 27. Juni 2014 - 30. August 2015
Das Bode-Museum widmet sich den Kunstwerken, die während des Krieges und in den Wirren der Nachkriegszeit zerstört oder gestohlen wurden. Dabei soll es auch um Probleme der Restaurierung beschädigter Bilder gehen.
"Das verschwundene Museum": 19. März - 27. September 2015
Das AlliiertenMuseum präsentiert in Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges und den Einmarsch der amerikanischen, britischen und französischen Truppen in Berlin Anfang Juli 1945 die europäische Wanderausstellung "Routes of Liberation: European Legacies of the Second World War". Die multimediale Schau betrachtet das Kriegsende 1945 und seine Folgen aus verschiedenen nationalen Blickwinkeln.
"Routes of Liberation: European Legacies of the Second World War": 1. Juli - 30. August 2015
Die Dauerausstellung "Widerstand gegen den Nationalsozialismus" dokumentiert den Kampf gegen die nationalsozialistische Diktatur. Dabei werden einzelne Lebensschicksale sowie Motive, Ziele und Aktionen der Menschen und Gruppen dargestellt. Auch die Reaktionen des nationalsozialistischen Staates auf die Herausforderungen des Widerstandes werden thematisiert.
"Widerstand gegen den Nationalsozialismus": seit 2. Juli 2014
Cecil F. S. Newman kam im Juli 1945 mit den Pioniertruppen der Britischen Armee als Besatzer in die Trümmerstadt Berlin - der Ingenieur war an der Wiederherstellung der Infrastruktur beteiligt und entwickelte unter Stadtbaurat Hans Scharoun den ersten Plan für ein Neues Berlin. Das Stadtmuseum Berlin zeigt seine Fotografien aus den Nachkriegsjahren.
"Berlin 1945/46 - Fotografien von Cecil F.S. Newman": 17. Juli - 25. Oktober 2015
In einer Foyerausstellung zeigt das Filmmuseum Potsdam zehn Filme aus der Zeit von 1946 bis 1991, in denen der Zweite Weltkrieg, der Widerstand gegen die Nazi-Diktatur oder die Verführung vieler Deutscher durch den Nationalsozialismus ein zentrales Thema bilden.
"Nie wieder Krieg!": 13. März - 14. Juni 2015
Nach dem Ende der Kampfhandlungen in Europa trafen sich im Sommer 1945 im Schloss Cecilienhof in Potsdam die drei Hauptalliierten des Zweiten Weltkriegs, um über die Neuordnung Europas und die Zukunft Deutschlands zu beraten. An die sogenannte "Dreimächtekonferenz von Berlin" erinnert eine Dauerausstellung im Schloss Cecilienhof, im Sommer soll es ein Jubiläumsprogramm mit Lesungen, Konzerten und Sonderführungen geben.
"Schloss Cecilienhof - 70 Jahre Potsdamer Konferenz": Dauerausstellung
Hier wird die größte Schlacht des Zweiten Weltkrieges auf deutschem Boden dokumentiert. Im Winter und Frühjahr 1945 starben bei den Kämpfen um die Brückenköpfe und bei der Schlacht um die Höhen zehntausende Soldaten verschiedener Nationen und unzählige Zivilisten. Die Gedenkstätte ist heute ein wichtiger Ort des Erinnerns, Gedenkens und Mahnens.
"Vermisst in Klessin": 18. April - 31. Oktober 2015
Eine kleine Ausstellung, gemeinsam gestaltet mit dem Verein für Heimatkunde und dem Kreisarchiv Barnim, ist hier zu sehen. Neu aufgelegt wird die Museumspublikation "Eberswalde 1945 - Dokumente und Erinnerungen".
Schwedt wurde im Zweiten Weltkrieg fast zu 85 Prozent zerstört. Daran erinnert ein gemeinsames Projekt des deutsch-polnischen Museumsnetzwerkes.
"1945. Spurensicherung im unteren Odertal": 8. Mai - 27. September 2015
Zum Internationalen Museumstag gibt es am 16. und 17. Mai einige Veranstaltungen, die sich dem Ende des Krieges widmen. Geplant ist beispielsweise eine Stadtrundfahrt.
Gezeigt wird eine Sonderausstellung zum Thema "Ende und Anfang", eine Schau der
Friedensbibliothek und des Antikriegsmuseums Berlin. Zum Programm gehören auch
Sonderveranstaltungen, wie Lesungen oder Vorträge zur Gubener Geschichte.
"Ende und Anfang": 8. Mai - 31. Juli 2015
Seit April gibt es die neue Freiluftausstellung über die sogenannte Kesselschlacht von Halbe im April 1945. Sie informiert auf Deutsch und Englisch über Kämpfe und Opfer, die Rolle des Ortes im Nationalsozialismus und den Umgang mit der Vergangenheit. Auch Versuche Rechtsextremer, den Gedenkort zu vereinnahmen, werden thematisiert.
"Kesselschlacht von Halbe": seit 10. April 2015
Die zweistündige Sondertour des Vereins "Berliner Unterwelten" berichtet anschaulich und mit Zeitzeugenberichten über den Neuanfang vor 70 Jahren und das Leben in der Trümmerstadt Berlin.
Sondertour: 23. April - 24. Mai, Donnerstag - Sonntag, 11 und 14 Uhr, Treffpunkt: U-Bahnhof Brandenburger Tor
Etwa zweistündige Entdeckungstouren führen auf drei Berliner Trümmerberge - den Volkspark Prenzlauer Berg, den Insulaner und die Humbolthöhe. Die Teilnehmer hören dabei über MP3-Player Biografien von Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs. Die Touren sind besonders für Jugendliche geeignet.
Volkspark Prenzlauer Berg: 2. und 10. Mai, 14 und 16 Uhr
Insulaner Schöneberg: 3. und 9. Mai, 14 und 16 Uhr
Humboldthöhe Wedding: 1. und 8. Mai, 14 und 16 Uhr
Beitrag von Andrea Marshall
Artikel im mobilen Angebot lesen