Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Fahrverbote
Jahrelang haben die Städte bei der Luftverschmutzung weggeschaut. Nun könnten sie dafür die Quittung vom Bundesverwaltungsgericht bekommen. Die Richter entscheiden über Fahrverbote. Der Berliner Senat will die mit einem Maßnahmen-Mix abwenden. Von Jan Menzel
Zumindest Verkehrssenatorin Regine Günther gibt sich optimistisch. "Es ist ein Katalog, der schon Eindruck machen wird", sagt sie mit Blick auf den 10-Punkte-Plan des Berliner Senats. Auf den hatten sich Politik, Wirtschaft, Verbände und Vertreter aus der Wissenschaft auf einem Mobilitätsgipfel beim Regierenden Bürgermeister im Januar verständigt.
Eine konkrete Maßnahme ist die Abwrackprämie für Taxis. In Berlin sind laut Zahlen der Wirtschaftsverwaltung 5.207 Taxis mit Dieselantrieb unterwegs. Rund ein Fünftel erfüllt nur die Euro-Normen 0 bis 4. Der Senat will mit der Prämie einen Anreiz setzen, die größten Dreckschleudern aus dem Verkehr zu ziehen. Wer sein Dieseltaxi verschrottet und dafür einen Hybrid-Wagen anschafft, bekommt eine staatliche Prämie in Höhe von 2.500 Euro.
Doch bei möglichen Nutznießern wie dem Unternehmer Richard Leipold fällt die Prämie glatt durch. "Sie ist, wenn ich so sagen darf, schlicht ein Schaufenster-Gesetz", sagt Leipold, der auch Chef der Berliner Taxi Vereinigung ist. Für seinen Verband mit rund 400 Wagen bringt die Prämie nichts - denn fast alle Taxis fahren schon mit Erdgas. Aber auch für viele Taxi-Betriebe, die Diesel-Fahrzeuge im Fuhrpark haben, wird sich die Prämie kaum rechnen, ist Leipold sicher.
"Mercedes-Benz hat im letzten Jahr 6.000 Euro dafür ausgeben, dass die Leute ihre Mercedes-Benz-Fahrzeuge in Zahlung geben und einen Neuen kaufen", weiß er. So gesehen steht es 6.000 Euro zu 2.500 Euro. Wenn die Prämie des Senats Taxi-Unternehmer zum Umstieg auf Hybridfahrzeuge bewegen soll, müsste noch einmal ordentlich was oben drauf kommen. Auch deshalb, weil die allermeisten Berliner Diesel-Taxis jüngeren Baujahrs, also noch nicht abgeschrieben, sind. Ein Fahrzeugwechsel dürfte für die Besitzer finanziell kaum möglich sein.
Wie sehr Wunsch und Wirklichkeit auseinander klaffen, erfahren derzeit auch die Verkehrsbetriebe. Mit Straßenbahn und U-Bahn ist die BVG schon jetzt ein Pionier der Elektromobilität. Nun sollen weitere Elektrobusse angeschafft werden. 30 davon stehen im 10-Punkte-Plan des Senats. Die Ausschreibung ist raus und Angebote liegen vor, so BVG-Sprecherin Petra Reetz. Doch Elektrobusse "von der Stange" gibt es nicht. Bei Dieselbussen könne die BVG den Herstellern einfach sagen: "Ich hätte gern mal hundert Busse." Bei Bussen mit Elektroantrieb sei das derzeit nicht möglich, sagt Reetz.
Dennoch hofft die BVG, dass 2019 der erste der neu bestellten Elektrobusse durch Berlin rollen könnte. Die übrigen sollen dann nach und nach folgen. Einen ähnlich langen Atem braucht auch die Umsetzung andere Maßnahmen aus dem 10-Punkte-Plan. So wird der Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur für E-Autos Jahre in Anspruch nehmen. Der Senat will Handwerk und Gewerbe den Umstieg auf Elektrofahrzeuge mit einem Förderprogramm schmackhaft machen.
Die Förderung des Radverkehrs gehört ebenfalls zu den Senatsplänen, mit denen Fahrverbote abgewendet werden sollen. Im Frühjahr soll auf einem Straßenabschnitt der Hasenheide zum ersten Mal ein breiter Radstreifen der neuesten Generation von der Fahrbahn abgetrennt. Der berlinweite Ausbau eines bedarfsgerechten und sicheren Radverkehrsnetzes wird realistischer Weise ein Zehn-Jahres-Projekt werden.
Kurzfristig setzt Verkehrssenatorin Regine Günther auf Tempolimits auf besonders belasteten Straßenabschnitten. In einem Modellversuch soll unter anderem auf der Potsdamer Straße, der Hauptstraße und auf dem Tempelhofer Damm untersucht werden, ob Tempo 30 die Stickoxid-Belastung reduziert.
Eine "messbare Reduktion" erhofft sich Verkehrssenatorin Günther, wenn - wie geplant - neben dem Tempolimit, die Ampelschaltungen optimiert und Falschparker in der zweiten Reihe rigoros abgeschleppt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass weniger Stop and Go und ein besserer Verkehrsfluss die Stickoxid-Belastung um 5 vielleicht 10 Prozent verringern könnte.
Ob der Berliner Mix aus punktuellen und langfristigen Maßnahmen reicht, um Richter zu überzeugen und das Schadstoff-Problem aus der Welt zu schaffen, steht auf einem anderen Blatt. Erst kürzlich hatte eine breit angelegte Messreihe von rbb|24 und der Technischen Universität gezeigt, dass die Grenzwerte an weit mehr Straßen als bislang bekannt massiv überschritten werden.
Sendung: Inforadio | 22.02.2018 | 07:20 Uhr
Beitrag von Jan Menzel
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