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Audio: rbbKultur | 09.11.2019 | Susanne Papawassiliu | Quelle: rbb/Susanne Papawassiliu

Besuch an der Ostküste Kanadas

Wo Berlin noch in Ost und West geteilt ist

Das geteilte Berlin gibt es in Deutschland seit 30 Jahren nicht mehr. Doch an der Ostküste Kanadas hat Susanne Papawassiliu East- und West Berlin entdeckt. Die beiden Orte haben ihre Namen allerdings lange vor der deutschen Teilung erhalten.

Wer auf dem Highway NS 103 durch die ostkanadische Provinz Nova Scotia unterwegs ist, trifft auf einen bemerkenswerten Abzweig: Er führt nach Liverpool und West Berlin. Gleich links, gut 50 Meter vom Ortseingang entfernt, lebt Borden Conrad. Der Mitte 70-Jährige ist Rechtsanwalt und Hobbyhistoriker. Die Geschichte seiner Familie in West Berlin reicht 200 Jahre zurück. Und ungefähr in dieser Zeit kam es auch zur Namensgebung.

West Berlin in Kanada hat wenig mit Großstadtflair zu tun | Quelle: rbb/Susanne Papawassiliu

"In den 1870ern lebte hier eine Frau, die der Meinung war, dass die ursprünglichen Ortsnamen Pudding Pan (dt. "Pudding-Pfanne") und Blueberry ("Blaubeere") etwas volkstümlich klingen", erklärt Borden Conrad. "Deshalb beantragte sie, dass Pudding Pan in East Berlin und Blueberry in West Berlin umbenannt werden." Die meisten Siedler kamen aus Deutschland, daher sei sie der Auffassung gewesen, dass das gut passen würde, so der Hobbyhistoriker. "Ich denke, es ist eigentlich ein Witz, dass sie den Namen der Hauptstadt Preußens wählte, weil die meisten Siedler hier gar nicht aus Preußen kamen."

1886 wird Namensänderung besiegelt

Mit ihrer Idee, der preußischen Hauptstadt in Kanada ein Denkmal zu setzen, hatte sie Erfolg: 1886 wurde per Parlamentsbeschluss die Namensänderung besiegelt. So gab es nun West Berlin und East Berlin – und das schon lange bevor es zur Deutschen Teilung kam.

West Berlin liegt direkt am Meer. Die Küste im Südosten Neuschottlands ist steinig und ein bisschen rau. Der Weg nach East Berlin führt landeinwärts durch dicht mit Tannen und Gelbbirken bewachsenes Gebiet. Nach zwei Kilometern ist das Ziel erreicht.

Das East Berlin mal anders hieß, ist immer noch auf dem Ortsschild zu sehen | Quelle: rbb/Susanne Papawassiliu

In East und West Berlin geht es heute eher ruhig zu

Rund zehn Häuser stehen hier, großzügig verteilt auf dem ehemaligen Farmland. Heute wird hier nichts mehr angebaut. Geschäfte oder Cafés? Fehlanzeige. Es geht ruhig zu hier: Die rund 30 Menschen, die in East- und West Berlin leben sind Ruheständler. So wie Doug Cross, ein echter East Berliner. Seine Familie gehört zu den Begründern der Ortschaften. "Meinem Ur-ur-ur-urgroßvater gehörte ganz East Berlin und auch Teile von West Berlin. Das war alles aufgeteilt zwischen den vier Brüdern", berichtet Doug Cross.

Das Geld verdienten sich die West- und East Berliner einst mit Landwirtschaft und vor allem Fischfang. "Es wimmelte hier nur so von allen möglichen Fischen. Und man kann es sich gar nicht mehr vorstellen, wenn man den Preis für Hummer heute sieht", so Cross. "Aber damals war das ein Armenessen. Ich erinnere mich, dass  mein Vater erzählte, dass es oft mehr Hummer gab, als man essen konnte, und so haben sie ihn auf den Äckern verteilt als Dünger."

East und West Berlin sind zwei Kilometer voneinander entfernt | Quelle: rbb/Susanne Papawassilliu

"Wir waren schon immer vereint"

Kam den Menschen hier eigentlich nie der Gedanke, eine Gemeinde aus den beiden Mini-Dörfern zu machen? Ein vereintes Berlin? Insbesondere nach dem Fall der Mauer? Oder spätestens jetzt, 30 Jahre später? Das amüsiert Doug Cross. "Ich denke, wir waren schon immer vereint. Ich weiß zwar nicht von wo genau jeder stammt, aber wir haben ja eh alle deutsche Wurzeln", sagt Doug Cross. "Und ich denke, das ist alles so weit weg von unserem Alltag. Nachdem die Mauer gefallen ist, sind wir hier wieder zur Tagesordnung übergegangen. Wir sind ein so unbedeutender kleiner Ort, dass wir eigentlich nie darüber nachgedacht haben."

So unbedeutend aber auch wieder nicht. Immer wieder kommen Neugierige vorbei, auf ihrem Weg entlang der beliebten  Leuchtturmroute in Novia Scotia. Der Fall der Mauer vor 30 Jahren wurde hier zwar wohlwollend registriert.  Aber das war es auch schon. Allerdings gibt es durchaus Überlegungen für eine erneute Umbenennung der beiden Ortschaften, weiß Borden Conrad aus West Berlin. "Vor kurzem haben ein paar Leute, die neu hier hergezogen sind, Interesse gezeigt, die alten Ortsnamen, Blueberry und Pudding Pan, wieder zu aktivieren." Aber für den Hobbyhistoriker steht fest: "Es bleibt dabei. Das ist Berlin, West- und East Berlin."

Sendung: rbbKultur, 09.11.2019, 07:10 Uhr

Beitrag von Susanne Papawassiliu

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