Mögliche Koalitionen nach der Berlin-Wahl
Franziska Giffey ist die Siegerin der Berlin-Wahl und kann sich nun die Regierungspartner aussuchen. Doch nicht jede Option ist gleich wahrscheinlich - oder gar machbar. Tatsächlich lauern fast überall Probleme für Giffey. Von Sebastian Schöbel
Der SPD-Wahlsieg macht Spitzenkandidatin Franziska Giffey nicht nur zur neuen Regierenden Bürgermeisterin in Berlin: Die 43-Jährige kann sich nun fast nach Belieben die politischen Partner für eine Regierungskoalition aussuchen. Neben der Weiterführung der rot-rot-grünen Koalition gibt es noch drei andere Optionen - allerdings ist keine davon frei von Fallstricken.
Dass sie an den Grünen zumindest bei den Sondierungsgesprächen nicht vorbeikommt, hatte Giffey bereits am Sonntagabend betont. "Es gibt ein klares Votum für SPD und Grüne, damit müssen wir umgehen", sagte sie dem Sender Phoenix. Dabei blieb Giffey auch, als sich die SPD im Laufe der Nacht immer weiter absetzte.
Unproblematisch wäre eine weitere Zusammenarbeit mit der zweitstärksten Partei in der Bundeshauptstadt allerdings nicht. Und das liegt nicht nur an den zahlreichen politischen Foulspielen, mit denen sich die beiden Parteien im Laufe der vergangenen fünf Jahre gegenseitig gequält haben.
Am Montagmorgen sagte Giffey im rbb, es gebe einen großen Teil der Bevölkerung, "die der SPD ihre Stimme gegeben haben – aber auch den Grünen. Man muss aber auch sagen, dass die CDU fast gleichauf mit den Grünen gelandet ist". Sie betonte, bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen so viel SPD-Programm hinbekommen zu wollen, wie möglich. "Darum geht es in den Sondierungen."
Vor allem bei der Mobilitätswende drückt Giffey auf die Verträglichkeitsbremse, sie will das privat genutzte Auto nicht annähernd so schnell wie die Grünen aus dem Stadtbild verdrängen. Die Vorstellung einer Stadt, in der Menschen vor allem Rad fahren, ist aus Giffeys Sicht eine "Büllerbü-Fantasie". Weder City Maut noch eine spürbare Reduktion der Parkplätze wären mit ihr zu machen. Auch beim Erreichen der Klimaziele sind die Grünen deutlich ambitionierter als die SPD - was vor allem bei der Debatte über weitere Auflagen etwa im Bausektor schwierig werden könnte. Dass die Grünen lieber neue Tramstrecken statt U-Bahn-Linien errichten möchten, ist ein weiterer Eintrag auf der Liste der Differenzen.
Hinzu kommt, dass es bald fünf statt bisher drei grüne Bezirksbürgermeister in Berlin geben wird. Wie stark die auf lokaler Ebene die politische Agenda der ganzen Stadt beeinflussen können, beweist seit Jahren Friedrichshain-Kreuzberg, Vorreiter in Sachen Pop-Up-Radwege und Vorkaufsrecht.
Allerdings reicht es nicht für ein rot-grünes Zweierbündnis, weswegen Giffey einen dritten Partner braucht.
Zahlenmäßig am stabilsten wäre die "Kenia"-Koalition mit den Grünen und der CDU. Doch dass die Grünen dieses Bündnis eingehen, muss stark bezweifelt werden. Zu groß sind die Differenzen zwischen Christdemokraten und Öko-Partei. Die Unterschiede in der politischen Ausrichtung sind bei Weitem nicht nur auf die umstrittene Verlängerung der A100 oder das Erreichen der Klimaneutralität beschränkt. Der polizeifreundliche "Law-and-Order"-Ansatz der CDU verträgt sich nicht mit grünen Vorstellungen von Cannabis-Legalisierung und Anti-Diskriminierungsvorgaben für die Sicherheitsbehörden.
Annähern könnten sich die drei Partner zumindest in der Wohnungspolitik: Zwar hat Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch die Vergesellschaftung großer Immobilienunternehmen nicht rundweg abgelehnt, der Schritt sei für sie aber nur "ultima ratio". Stattdessen setzt sie zunächst auf eine Zusammenarbeit aller Akteure beim Wohnungsneubau - was mit SPD und CDU wohl zu machen wäre. Fraglich ist allerdings noch, wie sehr die eher linke grüne Basis in Berlin nach der Wahl auf die Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" pochen wird.
Aus all den genannten - und vielen weiteren - Gründen wäre auch eine rot-gelb-grüne "Ampel" aus SPD, Grünen und FDP aktuell kaum denkbar. Die dürfte schon am Streit über die Randbebauung des Tempelhofer Feldes scheitern, die von den Liberalen per Volksentscheid erzwungen werden soll. Dass FDP und Grüne den Wunsch nach legalem Cannabis teilen, dürfte kaum als Ausgleich reichen.
Zumindest bei den Sondierungen einfacher hätte es Giffey mit der einzigen möglichen Koalition, für die sie die Grünen nicht braucht: Rot-schwarz-gelb, von den Spin-Doktoren bereits "Deutschland-Koalition" getauft. Hier würde es inhaltlich für Giffey in zahlreichen Themenbereichen passen, von der Innen-, über die Klima- bis zur Wohnungspolitik.
Größtes Hindernis dürfte allerdings die eigene Partei werden: Dass die eher linke Berliner SPD-Basis eine Zusammenarbeit mit CDU und FDP auf dem von Giffey beschworenen "Weg der Mitte" klaglos mitträgt, ist kaum zu erwarten. Die Parteijugend hatte sich vor der Wahl bereits klar für eine Fortsetzung von rot-rot-grün ausgesprochen. Genauso taten es auch 44 Prozent Berliner:innen in der repräsentativen Vorwahlbefragung von Infratest Dimap. Keine andere Koalitionsoption bekam mehr Zuspruch.
Dass sich gleichzeitig nur 38 Prozent der Befragten mit der Arbeit des bisherigen rot-rot-grünen Senats zufrieden zeigten, ist ein Widerspruch, den auch Giffey wohl nicht ohne Probleme auflösen kann.
Beitrag von Sebastian Schöbel
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