Abgeordnetenhauswahl | Vorläufiges Endergebnis
Am Ende ist die SPD doch noch stärkste Kraft im Abgeordnetenhaus geworden - vor den Grünen, die lange führten. Die CDU folgt kurz dahinter. Die Linke verliert leicht gegenüber 2016. AfD und FDP schaffen erneut den Einzug ins Parlament.
Die SPD hat die Abgeordnetenhauswahl in Berlin gewonnen. Die Partei mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey erreichte am Sonntag nach Auszählung aller Stimmbezirke 21,4 Prozent (- 0,1) und landete vor den Grünen, die auf 18,9 Prozent (+ 3,7) kamen und damit in Berlin ihr stärkstes Ergebnis überhaupt einfuhren.
Die CDU erreichte laut Landeswahlleitung 18,1 Prozent (+ 0,4) , die Linke erzielt 14,0 Prozent und verliert damit 1,6 Prozentpunkte im Vergleich zu 2016. Die AfD kommt auf 8,0 Prozent und muss mit - 6,2 deutliche Verluste hinnehmen. Die FDP ist mit 7,2 Prozent der Stimmen erneut im Abgeordnetenhaus vertreten (+ 0,5) . Wie bisher kann Berlin damit künftig nur von einem Dreierbündnis regiert werden.
SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey wird damit die Nachfolgerin des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), insofern sie dafür im Abgeordnetenhaus die Mehrheit erringt. Müller sagte am Sonntagabend auf die Frage, ob es einen Übergabe-Brief gebe: "Es gibt im Schreibtisch ein Geheimfach, aber im Moment liegt da kein Brief drin. Mal sehen, ob ich noch was schreibe oder einfach was erzähle." Müller gibt das Amt ab, um in den Bundestag zu wechseln. Er führte bisher ein rot-rot-grünes Bündnis mit Grünen und Linken.
Rein rechnerisch wäre eine Fortsetzung von Rot-Rot-Grün möglich. Dafür sprachen sich auch die Spitzenkandidaten von Grünen und Linken aus. Giffey tat dies nicht, sagte am Wahlabend aber, dass es nun "ein klares Votum für SPD und Grüne" gebe. Die SPD werde im Fall des Wahlsiegs zwar "auch mit allen anderen Parteien sprechen", aber der Wählerwille sei deutlich.
Auch am Montagmorgen betonte sie im Inforadio des rbb, man "werde mit allen offen sprechen". Sie sei "froh, dass es so ausgegangen ist, das war ein sehr aufregender Abend." Am Montag werde das Berliner Ergebnis in den Parteigremien ausgewertet und besprochen, wie es dann weitergehe. "Es gibt einen großen Teil der Bevölkerung, der SPD und die Grünen gewählt hat, aber die CDU ist in Berlin fast gleichauf mit den Grünen. Wir haben ein klares Programm gemacht, das ist für mich der klare Kompass. Wir werden jetzt ausloten, mit welchen Partnern das am besten gelingen kann", so Giffey.
Ohne die Grünen werde es keine stabile Regierung geben, sagte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch am Montagmorgen ebenfalls im Inforadio des rbb. Sie freue sich über das beste Ergebnis, das die Grünen jemals in Berlin erreicht hätten: "Wir konnten als einzige Partei in der ganzen Stadt deutlich zulegen. Ich hätte mich noch mehr gefreut, wenn ich die Regierende Bürgermeisterin geworden wäre, aber klar ist, dass die Berliner die Grünen in der Regierung sehen wollen, das ist offensichtlich", so Jarasch.
Sie habe eine deutliche Präferenz für eine Fortsetzung des rot-rot-grünen Bündnisses, so Jarasch. Giffey habe mit ihrer Bewegung in Richtung CDU und FDP keinen Erfolg gehabt, "sie hat längst nicht so zugelegt wie Olaf Scholz, für Berlin ist das ein schwaches SPD-Ergebnis. Die Zeichen sind deutlich und ich freue mich auf Koalitionsverhandlungen", so die Grünen-Spitzenkandidatin.
Der Spitzenkandidat der Berliner Linken, Klaus Lederer, sprach von einem überwältigenden Ergebnis für die bisher regierende rot-rot-grüne Koalition. "14,5 ist etwas, mit dem ich ganz gut umgehen kann", kommentierte er die Prognose für seine Partei. Später rutschten die Linken allerdings auf 13,0 Prozent ab.
Denkbar sind aber auch andere Dreierbündnisse. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner sagte am Montagmorgen im Inforadio des rbb erneut, seine Partei sei bereit, Rot-Rot-Grün zu beenden: "Wir haben ein Ergebnis, das andere Optionen als dieses Linksbündnis ermöglicht. Die SPD muss jetzt genau überlegen, ob sie das umsetzen will, was sie in den vergangenen Wochen während des Wahlkampfs angekündigt hat: A100-Weiterbau, Randbebauung des Tempelhofer Felds, mehr Videoschutz, U-Bahn-Ausbau - das konnte sie mit Rot-Rot-Grün nicht umsetzen. Wenn wir einen Neustart wollen, dann stehen wir bereit", so Wegner.
Auch die Berliner FDP bot der Wahlsiegerin Giffey Koalitionsgespräche an. FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja sagte am Montagmorgen im Inforadio vom rbb, die SPD könne ihre Wahlversprechen mit Grünen und Linken nicht umsetzen: "Franziska Giffey hat in Berlin dafür geworben, einen Politikwechsel zu machen. Diesen Politikwechsel kann sie schwer mit Grünen und Linken gestalten", so Czaja. Er betonte, die FDP habe Zuwächse in der Stadt zu verzeichnen. Man werde mit AfD und Linken nicht sprechen. Der FDP gehe es um eine "Koalition der Mitte".
Die AfD-Spitzenkandidatin Kristin Brinker gab sich trotz der Verluste für ihre Partei am frühen Abend optimistisch. Das sei noch nicht das Endergebnis. Im Wahlkampf hätten viele Bürger Interesse an den AfD-Themen gezeigt.
Am Wahlsonntag war es in Berlin zu zahlreichen Pannen gekommen. In einigen Wahllokalen seien die Wahlzettel ausgegangen, sagte Landeswahlleiterin Petra Michaelis am Abend im rbb. In anderen wiederum wurden Stimmzettel vertauscht.
Dies führte zu starken Verzögerungen bei der Stimmabgabe und zum Teil zu langen Warteschlangen vor den Wahllokalen. Wer sich bis 18 Uhr angestellt hatte, durfte auch abstimmen. In einigen Wahllokalen zog sich die Stimmabgabe bis etwa gegen 20 Uhr hin.
In den kommenden Tagen sollen laut Landeswahlleitung die Probleme beim Ablauf aufgearbeitet werden. Bundeswahlleiter Georg Thiel forderte einen "detaillierten Bericht" von Michaelis zu den Pannen an. Dass die Wahl deshalb anfechtbar sein könnte, davon geht Michaelis nicht aus. Wer erst nach 18 Uhr seine Stimme abgegeben habe, habe dies unbeeinflusst tun können.
Die Wahlbeteiligung in Berlin lag am Sonntag bei 75,6 Prozent, das war deutlich mehr als bei der Abgeordnetenhauswahl 2016. Die Wahlbeteiligung damals lag bei 66,9 Prozent. Allerdings wurde vor fünf Jahren nicht gleichzeitig eine Bundestagswahl durchgeführt, bei der die Wahlbeteiligung generell höher ist. Bei der letzten Bundestagswahl vor vier Jahren lag die Wahlbeteiligung in Berlin ebenfalls bei 75,6 Prozent.
Einen Rekordwert gab es bei den Briefwahlen. Nach Angaben der Landeswahlleiterin wurden insgesamt 988.201 Wahlscheine ausgestellt. Damit liegt die Zahl der Menschen, die sich die Briefwahlunterlagen haben zukommen lassen, 44 Prozent über der Bundestagswahl 2017. Vor vier Jahren waren es 686.177 Wahlscheine.
Das Berliner Landesparlament besteht aus mindestens 130 Abgeordneten, aktuell sind es durch Überhang- und Ausgleichsmandate 160 Frauen und Männer. In der jetzigen Wahl bewarben sich 34 Parteien mit Landes- oder Bezirkslisten um die Zweitstimmen der Wählerinnen und Wähler. 2016 waren es 21.
Neben der Wahl zum Abgeordnetenhaus ging es am Sonntag in Berlin auch um die Bundestagswahl, um zwölf neue Bezirksparlamente und den Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne.
Der Volksentscheid war erfolgreich. Die Mehrheit stimmt für die Vergesellschaftung, das nötige Quorum von mindestens rund 612.000 Ja-Stimmen wurde erreicht.
Beim Volksentscheid ging es um die Frage, ob Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen und "Gewinnerzielungsabsicht" vergesellschaftet, also gegen Entschädigung enteignet werden sollen. Die Initiative "Deutsche Wohnen Co enteignen" glaubt, auf diese Weise den Anstieg der Mieten in Berlin stoppen und langfristig bezahlbare Mieten sichern zu können.
Sendung: Abendschau, 27.09.2021, 06:25 Uhr
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