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Video: Abendschau | 12.11.2021 | Studiogespräch Dorit Knieling (RBB) | Quelle: dpa/M. Skolimowska

Halbzeit bei Koalitionsverhandlungen

So könnten die Posten im künftigen Berliner Senat verteilt werden

Selbst alte Hasen zittern bis zum Schluss. Denn erst ganz am Ende von Koalitionsverhandlungen und meist zu später Stunde werden die Senats-Posten endgültig verteilt. Ein Überblick über mögliche Kandidaten zur Halbzeit der Gespräche. Von Jan Menzel

Der Moment der Wahrheit kommt, wenn der Koalitionsvertrag fertig da liegt. Die Phrase "Erst die Inhalte, dann die Personen" hat dann ausgedient. In diesem Moment entscheiden sich politische Karrieren. Es gibt Gewinner und Verlierer. Und es gibt immer wieder faustdicke Überraschungen. Das wird auch bei diesen rot-grün-roten Koalitionsverhandlungen in Berlin so sein.

Vorausgesetzt SPD, Grüne und Linke einigen sich auf eine Zusammenarbeit und die jeweiligen Parteitage billigen den Koalitionsvertrag, können sich nur zwei Frauen und ein Mann ihrer Sache sicher sein. SPD-Landeschefin Franziska Giffey wird Regierende Bürgermeisterin. Die Grüne Bettina Jarasch und der Linke Klaus Lederer ihre Stellvertreterin beziehungsweise Stellvertreter im Bürgermeister-Amt. Was auf den anderen Positionen passiert, bleibt Verhandlungsmasse bis zur letzten Minute.

Lisa Paus | Quelle: dpa/Annette Riedl

Wird die Finanzverwaltung grün?

Da die Grünen der eigentliche Wahlgewinner sind und prozentual nur knapp hinter der SPD liegen, muss sich das auch bei der Ressortverteilung widerspiegeln. Wenn schon nicht das Rote Rathaus müsste mit der Finanzverwaltung das mächtigste Ressort drin sein. Wer auf der Landeskasse sitzt und den Haushalt macht, regiert faktisch überall mit hinein. In anderen Bundesländern wurde es genauso geregelt: In Schleswig-Holstein ist eine Grüne Finanzministerin, in Bremen ein Grüner Finanzsenator.

Als Spitzenkandidatin hätte Bettina Jarasch den ersten Zugriff. Jarasch war aber zuletzt religionspolitische Sprecherin. Aus Grünen-Kreisen ist zudem zu hören: Sie will nicht. Deshalb könnten Fachpolitikerinnen zum Zuge kommen. Clara Herrmann etwa war lange im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses und zuletzt als Stadträtin für Finanzen zuständig. Der Haken: Herrmann will Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg werden. Im Bundestag sitzt mit der 53-jährigen Volkswirtin Lisa Paus eine ausgewiesene Fachfrau. Als finanzpolitische Sprecherin brächte sie alles mit. Fragt sich nur, ob im Bund nicht noch spannendere Aufgaben auf Paus warten.

Iris Spranger | Quelle: dpa/Britta Pedersen

Iris, die Baumeisterin?

Im großen Bereich Bauen und Wohnen spricht alles dafür, dass die Linke die Stadtentwicklungsverwaltung hergeben muss. Spitzenkandidatin Franziska Giffey hat den Wohnungsneubau nicht ohne Grund zur "Chefinnensache" erklärt. Die SPD plagt zudem seit fünf Jahren der Phantomschmerz, die Zuständigkeit fürs Bauen und Wohnen verloren zu haben.

Hier wäre Abhilfe möglich. Und Personal würde sich auch finden. Engelbert Lütke Daldrup, ehemaliger Flughafen-Boss und BER-Bezwinger, steht in den Koalitionsverhandlungen zwar mit seinem Expertenwissen zur Verfügung, drängt sich dem Vernehmen nach aber nicht als Senator auf. Innensenator Andreas Geisel war schon mal Chef der Stadtentwicklungsverwaltung, würde dies auch wieder machen, wird aber wohl an anderer Stelle gebraucht.

So könnte es auf eine Frau hinauslaufen, die völlig überraschend bislang leer ausgegangen ist. Iris Spranger wollte schon zwei Mal Präsidentin des Abgeordnetenhauses werden, trat dieses Mal aber nicht an. Als Sprecherin der Fraktion für Bauen und Wohnen, als Vertraute der beiden Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh und gewiefte Netzwerkerin könnte sie den Sprung in den Senat schaffen.

Diskutiert wird aber auch über die Variante, die große Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen aufzuspalten. Dann könnte SPD-Frau Spranger ein separates Bauressort übernehmen. Für eine eigene Stadtentwicklungsverwaltung wäre die grüne Fraktionsvorsitzende Antje Kapek als studierte Stadtplanerin erste Wahl.

Maja Lasic | Quelle: dpa/Sophia Kembowski

Verbeamtung als Gewinner-Thema?

Bildung ist die Zukunft, aber der Chefsessel in der Bildungsverwaltung verspricht einen Job im Dauerkrisen-Modus. Lehrermangel, schlechte Pisa-Ergebnisse, zu wenig Kita- und Schulplätze bestimmen die Tagesordnung. Lob von Schülern, Eltern, Lehrern und Bildungs-Lobbyisten kann niemand erwarten. Deshalb und auch weil sich bei ihnen keine Personen aufdrängen, lassen Grüne und Linke kein besonderes Interesse an der Bildungsverwaltung erkennen, so dass am Ende doch wieder die SPD am Ruder sein könnte.

Dafür spricht auch, dass sich die Partei mit der Wiedereinführung der Lehrer-Verbeamtung durchgesetzt hat. Dieses vermeintliche Pfund im Kampf gegen den Lehrermangel würde man kaum einem Koalitionspartner zur Profilierung überlassen.

Mit der ehemaligen bildungspolitischen Sprecherin Maja Lasic stünde eine Fachpolitikerin bereit, die nicht mehr im Abgeordnetenhaus sitzt und zumindest als Staatssekretärin vorstellbar wäre. Gut möglich, dass Franziska Giffey ihre Kontakte bis in die Bundespolitik spielen lässt, um einen Experten, einen profilierten Schulleiter oder einen fachkundigen Import von außen für das Projekt "Beste Bildung" als Senator beziehungsweise Senatorin zu gewinnen.

Werner Graf | Quelle: dpa-Zentralbild

Graf als Günther-Erbe?

Im neuen Senat wird die Umwelt- und Verkehrsverwaltung auf jeden Fall grün bleiben. Die bisherige Senatorin Regine Günther hat auf eine erneute Amtszeit verzichtet. Damit wäre der Weg für den Landesvorsitzenden Werner Graf frei. Graf ist in den Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen auch faktisch in die erste Reihe vorgerückt.

Als Landesvorsitzender hat er sich um Verkehrsthemen gekümmert. Er kommt aus dem einflussreichen Kreuzberger Kreisverband, ist ein Parteilinker und genießt das Vertrauen von Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. Es gibt allerdings eine zentrale Bedingung für den Karriere-Kick-Off: Graf muss in das innergrüne Männer-Frauen-Quotierungssystem passen.

Andreas Geisel | Quelle: imago images/Emmanuele Contini

Verlängerung für Geisel?

Für Andreas Geisel könnte es dagegen weitergehen wie bisher. Seit fast fünf Jahren ist er Innensenator. Kaum im Amt musste Geisel den Terroranschlag am Breitscheidplatz meistern. Dazu kommen alle Jahre wieder der 1. Mai als Tag als Bewährung, der Endlos-Konflikt um die Rigaer Straße und eine Hauptstadt-Polizei, die sich am Rande der Belastungsgrenze sieht.

Aufschlussreich ist, dass Linke und Grüne auffällig viel Anerkennendes für Geisel übrighaben, weil er neben "Law and Order" auch die Bürger- und Freiheitsrechte im Blick hat. Dieses Lob ist aber ein kleines bisschen vergiftet. Denn Geisels Traumressort dürfte nach wie vor die Stadtentwicklung sein. Und Linke und Grünen heben vor allem deshalb nicht den Finger, weil sie wissen, dass sie mit einer Innenpolitik, die unbequeme Entscheidungen treffen muss, bei ihrer Wählerschaft nicht punkten können.

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Zahlenspiele in den kleineren Ressorts

Gerne weiter machen würde sicherlich der Grüne Dirk Behrendt als Justizsenator - und die Chance für den Parteilinken aus Kreuzberg ist da. Allerdings müssten die Grünen dafür wohl vier Ressorts abbekommen. Sonst würde die innerparteiliche Frauenquote einer zweiten Runde für Behrendt im Wege stehen.

Bei der Linkspartei hängt alles an der Frage, ob sie mit drei oder nur mit zwei Ressorts aus den Koalitionsverhandlungen kommt. Sozialsenatorin Elke Breitenbach hat sich ein gutes Standing erarbeitet. Gerade die Bekämpfung der Obdachlosigkeit hat sie zu ihrer Aufgabe gemacht wie keiner ihrer Amtsvorgänger und -Vorgängerinnen. Nach allem, was zu hören ist, wäre sie bereit weiterzumachen.

Die Chefinnen und Chefs entscheiden

Am Ende werden sich aber die Spitzenleute der drei Parteien in der Nacht der langen Messer tief in die Augen schauen und auch in eigener Sache entscheiden, wer was bekommt. Franziska Giffey kann nach der Affäre um ihre Doktorarbeit kaum Wissenschaftssenatorin werden. Die Zuständigkeit für die Hochschulen könnte zu Kultursenator Klaus Leder wechseln.

Wobei nicht sicher ist, ob er bleibt, was er ist. Denn die Kultur wäre für eine Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey mindestens genauso attraktiv wie für die Grüne Bettina Jarasch. Ihr wird auch nachgesagt, dass sie sich gerne ein neues Ressort rund um Integration und Anti-Diskriminierung basteln würde. Während sich hartnäckig das Gerücht hält, Franziska Giffey könnte die Wirtschaftspolitik zu sich ins Rote Rathaus holen.

Sendung: Inforadio, 12.11.2021, 15:10 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

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