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Quelle: dpa/Carsten Koall

Rot-grün-rote Koalitionsverhandlungen

Jetzt geht es ums große Ganze

Die Verhandlungen hängen etwas im Zeitplan, aber sie sind auf der Zielgeraden. Am Wochenende wollen SPD, Grüne und Linke ihren Koalitionsvertrag fertigstellen, am Montag soll er präsentiert werden. Sabine Müller mit einem Rück- und Ausblick.

Der Schreckmoment am Donnerstag währte zum Glück nicht allzu lange. Kurz stand die Sorge im Raum, dass die Koalitionsverhandlungen von der Corona-Pandemie noch aus der Zielkurve getragen werden.

Nachdem ein Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet worden war, machten alle Mitglieder der Spitzengruppe einen PCR-Test - das Ergebnis bei allen: negativ. Nicht auszudenken, wenn Franziska Giffey, Bettina Jarasch oder Klaus Lederer in Quarantäne gemusst hätten. So aber konnten sich die Verhandlerinnen und Verhandler gemeinsam wieder ganz auf die letzten, schwierigen Gespräche konzentrieren.

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Finale bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin: Nach fünf Wochen intensiver Gespräche wollen SPD, Grüne und Linke am Montag ihr Regierungsprogramm vorstellen. Entgegen der ursprünglichen Planung wird auch am Sonntag noch an Details gefeilt.

Tage der langen Messer

Wenn Koalitions- oder Haushalts-Verhandlungen in die entscheidenden Stunden gehen, ist gerne von der "Nacht der langen Messer" die Rede. Mit ein paar Nachtstunden ist es in der Schlussrunde der rot-grün-roten Verhandlungen aber nicht getan. Dem Vernehmen nach lagen am Freitagmorgen noch etliche offene Punkte auf dem Tisch, deren Abarbeitung Zeit brauchen wird. Samstagnachmittag wird es wohl mindestens, bis die Einigung steht, lautet die Einschätzung aus Koalitionskreisen.

Eine zentrale Rolle spielt am Ende immer das Geld: Was ist letztlich finanziell machbar, wo muss noch zusammengestrichen werden? Selbst wenn die Spitzengruppe Themenkomplexe abgeschlossen hatte, blieben oft Fragen für die Schlussrunde. Beim Thema Mobilität etwa, wie viel teurer die Anwohner-Parkvignetten werden und wie viel das geplante verpflichtende Touristen-Ticket für Berlin-Besucher kosten soll.

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Wer bekommt welches Ressort?

Dazu kommt das heikle Thema Ressortverteilung. SPD, Grüne und Linke müssen abschließend klären, wie der genaue Zuschnitt der zehn Verwaltungen in Zukunft aussieht. Zum Beispiel, wo die Wissenschaft demnächst angedockt wird. In der Senatskanzlei bei einer Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey kann sie nach deren Affäre um ihren Doktortitel jedenfalls nicht bleiben, darüber sind sich alle einig.

Auch anderswo dürften sich Zuständigkeiten ändern, weil etwa die SPD von der Linken gerne die Stadtentwicklung übernehmen will, damit Bauen "Chefinnensache" wird. Spannend wird die Frage, wie sich die Grünen aufstellen, um ihren Anspruch zu untermauern, mit der vom Wahlergebnis nur wenig stärkeren SPD auf Augenhöhe zu agieren. Sucht sich die grüne Spitzenfrau Bettina Jarasch ein großes, wichtiges Ressort aus, wie etwa Finanzen oder Verkehr? Oder macht sie es wie Klaus Lederer von der Linken, der statt auf maximale Macht auf maximale Herzensangelegenheit setzt und als Kultursenator in einem weniger kontroversen Ressort glänzen kann.

Koalitionsverhandlungen

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Nichts ist geeint, bevor nicht alles geeint ist

Seitdem die Koalitionsverhandlungen am 22. Oktober begannen und die 16 Facharbeitsgruppen loslegten, haben SPD, Grüne und Linke schon hinter viele Vorhaben einen Haken gesetzt. Anders als die Ampel-Verhandler im Bund haben sie darüber auch immer wieder Zwischenbericht erstattet und etliche Punkte ihres geplanten Programms für die nächsten fünf Jahre vorgestellt.

So soll der Landes-Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen auf 13 Euro steigen, der Öffentliche Personennahverkehr soll ausgebaut werden, beim Klimaschutz sind größere Anstrengungen geplant. In den vergangenen Tagen in dieser Woche kamen dann noch die Pläne für 20.000 neue Wohnungen pro Jahr und mehr Videoüberwachung von Orten mit viel Kriminalität hinzu. Einige Streitthemen wurden durch Formelkompromisse vorerst entschärft, etwa die Frage, wie eine neue rot-grün-rote Regierung mit dem Ergebnis des Enteignungs-Volksentscheids umgehen will. Hier standen die Verhandlungen angeblich auf der Kippe, der Kompromiss verschiebt den Showdown jetzt auf das Jahr 2023.

Wichtig: Die bisher gesetzten Haken sind nur "Zwischen-Haken", denn wie immer in Koalitionsverhandlungen gilt: Bevor nicht alle Punkte geeint sind, kann nichts als geeint gelten.

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Um die Sicherheit in Berlin zu erhöhen, sollen Kriminalitäts-Hotspots in Zukunft per Video überwacht werden. Darauf hat sich die rot-grün-rote Koalition verständigt. Ein weiterer Schwerpunkt soll auf der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität liegen.

Stimmung? Stimmt!

Worauf die drei Parteien in diesen letzten Verhandlungsstunden wohl setzen können: Atmosphärisch scheint es gut zu funktionieren. Bei ihren öffentlichen Auftritten zeigten sich die Spitzenleute fast immer extrem koordiniert, bewusst wurde darauf geachtet, dass jede Partei Punkte herausstreichen durfte, die ihr besonders wichtig sind.

Franziska Giffey ließ zwar mehr oder weniger subtil nie einen Zweifel daran, dass sie in dieser Konstellation die Nummer Eins ist. Aber es war immer das Bemühen spürbar, als Kollektiv aufzutreten, zu signalisieren, dass hier niemand von den anderen überfahren wird. Das setzte einen neuen Tonfall im Vergleich zum teils rauen verbalen Umgang der vergangenen fünf Jahre.

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So geht’s nach einer Einigung weiter

Nachdem der Koalitionsvertrag ausgearbeitet ist und die Schlussredaktion das Papier druckhübsch gemacht hat, werden am Montag die Gremien der drei Parteien und die Öffentlichkeit informiert. Währenddessen ist der Vertrag schon längst im Druck, denn alle Mitglieder der Berliner Linkspartei sollen bis zum 3. Dezember ein Exemplar zugeschickt bekommen. Dann haben sie zwei Wochen Zeit, per Mitgliederentscheid abzustimmen, ob sie den Vertrag billigen und dieser rot-grün-roten Koalition ihren Segen geben.

Bei SPD und Grünen treffen Parteitage diese Entscheidung - bei den Sozialdemokraten am 5. Dezember, bei den Grünen am 12. Dezember. Auch bei der Linken gibt es am 4. Dezember noch einen Parteitag. Der hat zwar keine Entscheidungsgewalt, aber er wird wichtiger atmosphärischer Indikator sein, wie gut es den linken Spitzenleuten gelingt, den Koalitionsvertrag als großen Erfolg zu verkaufen.

Am 17. Dezember soll das Ergebnis des Mitgliederentscheids vorliegen. Dann ist klar, ob Franziska Giffey wie geplant am 21. Dezember im Abgeordnetenhaus zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt werden kann.

Beitrag von Sabine Müller

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