Vorkommnisse am Wahltag
Der Wahlsonntag in Berlin war von einer ungewöhnlichen Zahl von Pannen überschattet. Das genaue Ausmaß ist immer noch unklar. Der Senat will nun externe Fachleute für die Untersuchung einsetzen - und muss erst einmal Berichte aus den Bezirken abwarten.
Der Berliner Senat will bei der Aufarbeitung der Organisationsprobleme und Pannen bei den Wahlen zum Bundestag und zum Abgeordnetenhaus externe Fachleute hinzuziehen. Diese sollen die Geschehnisse bewerten und analysieren, "was sich in Zukunft ändern muss", wie Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) am Dienstag nach einer Senatssitzung mitteilte. Details und Namen stünden noch nicht fest.
Denn zunächst müssten die Ergebnisse der laufenden Bestandsaufnahme durch die zuständigen Stellen auf Bezirks- und Landesebene abgewartet werden. Hier habe der Senat noch kein vollständiges Bild. Innensenator Andreas Geisel (SPD) habe in der Senatssitzung mitgeteilt, dass erst sieben von zwölf Berliner Bezirken ihre Berichte dazu übermittelt hätten.
Bei den Wahlen am 26. September hatten sich den ganzen Tag über lange Schlangen vor vielen Wahllokalen gebildet. Zum Teil gaben Wähler noch weit nach offizieller Schließung der Lokale ihre Stimmen ab. Nach dem Wahltag hatten sich Berichte gehäuft über fehlende oder falsche Stimmzettel, mögliche Auszählungs- und andere Pannen.
Zudem hatte es in Berlin in mindestens 99 Wahlbezirken ungewöhnlich viele ungültige Stimmen gegeben. Das ergab eine Datenanalyse von rbb|24. Betroffen waren demnach mehr als 13.000 Stimmen bei allen Wahlgängen. Die Datenauswertung belegte damit Berichte über falsche Stimmzettel aus anderen Wahlkreisen, die als ungültig gewertet werden mussten.
Die Organisationsmängel hatten bundesweit zu Kopfschütteln geführt. Landeswahlleiterin Petra Michaelis hatte deshalb in der Vorwoche ihren Rücktritt angeboten. Am Dienstag nun wurde sie offiziell vom Senat abberufen.
Noch unklar ist das genaue Ausmaß unterschiedlichster Probleme und die Frage, ob sie Auswirkungen auf die Mandatsvergabe hatten. War das der Fall, müsste die Wahl zumindest in den betroffenen Wahlbezirken oder Wahlkreisen womöglich wiederholt werden. Das steht aber noch nicht fest.
Kollatz sagte zu diesen Berichten, dass bisher "nicht alles, was öffentlich diskutiert wurde", bestätigt werden könne. "Aber was auch klar ist: Es ist auf alle Fälle zu Vorfällen gekommen, zu denen es nicht hätte kommen sollen." Als Beispiele für bestätigte Vorkommnisse nannte er falsche Wahlzettel in manchen Wahllokalen oder "erhebliche Kommunikationsprobleme" zwischen Wahllokalen und den bezirklichen Wahlvorständen. Kirchengemeinden, Verbände, Vereine und Initiativen.
Die Co-Vorsitzende der Berliner Grünen, Nina Stahr, forderte eine restlose Aufklärung der Vorkommnisse. Die Unstimmigkeiten seien "extrem ärgerlich", sagte sie am Morgen im rbb-Inforadio. Es gelte, das Vertrauen in die Demokratie wieder zu stärken. Auch die Berliner AfD forderte jüngst eine Sondersitzung zu den Wahlpannen. "Berlin hat sich international der Lächerlichkeit preisgegeben", sagte der scheidende AfD-Fraktionschef Georg Pazderski.
Die Bundesregierung hatte eine gründliche Untersuchung angemahnt. "Es ist die Verantwortung der zuständigen Berliner Stellen und Verantwortlichen, das, was geschehen ist, ganz klar aufzuarbeiten", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert Ende vergangener Woche.
Inzwischen haben mehrere Seiten Beschwerden gegen die Wahl angekündigt. Dass der ganze Urnengang wiederholt werden muss, halten Experten und Politiker nach jetzigem Stand für unwahrscheinlich. Eine Anfechtung der Wahl ist erst nach Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses möglich. Damit ist laut Senat am 14. Oktober zu rechnen.
Artikel im mobilen Angebot lesen