Interview | Vom Wahllokal weggeschickter 21-Jähriger
Philipp Wellner traf am Sonntag gegen 17:30 Uhr vor seinem Wahllokal in Pankow ein, um seine Stimme abzugeben. Doch daraus wurde trotz Warte-Marathon nichts, wie er im Interview erzählt. Es fehlte an Wahlzetteln. Die trafen zwar ein - doch es waren zu wenige.
Herr Wellner, Sie sind 21 Jahre alt und die Wahl am Sonntag war – zumindest was die Bundestagswahl betrifft – ihre erste Wahl.
Philipp Wellner: Das stimmt, es war beziehungsweise wäre meine erste Bundestagswahl gewesen. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 konnte ich schon mitwählen.
Sie sind also gestern zu Ihrem Wahllokal vor Ort gegangen. Was passierte dann?
Ich war zeitlich relativ knapp vor Ort in Pankow - gegen 17:30 Uhr war ich da. Da stand schon eine ziemlich große Menschenmenge vor dem Wahllokal. Allerdings nicht in Schlangenform. Ich dachte gleich, dass das etwas seltsam aussieht, und habe versucht herauszufinden, was da los ist. Dann stellte sich jemand aus dem Wahllokal auf eine Bank und hat gesagt, es gäbe keine Wahlzettel mehr. Und auch sie wüssten nicht so recht, was sie machen sollten. Sie würden herumtelefonieren, um noch Zettel heranzukriegen. Nachdem der Mann kurz überlegt hatte, sagte er, dass alle, die jetzt noch nicht gewählt hätten, sich anstellen und registrieren lassen sollten. Damit sie noch wählen könnten.
Das habe ich dann auch gemacht. Das ging schnell - ich habe meinen Ausweis vorgezeigt und meine Einladung zur Wahl. Der Mann hat dann vermerkt, dass ich da war. Dann bin ich wieder rausgegangen. Kurz darauf hieß es, dass alle, die sich registriert hätten noch weiter warten sollten. Vielleicht kämen noch Wahlzettel, hieß es. Also haben wir alle gemeinsam weiter gewartet.
Das galt aber nur für Menschen, die vor 18 Uhr am Wahllokal eingetroffen waren?
Ja, nach 18 Uhr ging gar nichts mehr, da wurde zugemacht. Ab dann kam keiner mehr rein. Eine Person kam nach 18 Uhr, weil sie nach eigenen Angaben vorher schon da war und man ihr gesagt hätte, sie solle später nach 18 Uhr wiederkommen – da könne man auch noch wählen. Die Person wurde dann aber weggeschickt.
Dass man nach 18 Uhr kommen und wählen könne, hat aber zu mir niemand gesagt. In meiner Gegenwart hieß es, alle müssten vor 18 Uhr registriert und auf dem Gelände sein.
Sie haben dann so lange gewartet, bis die avisierten Wahlzettel noch kamen?
Genau. Ich habe mit den anderen Wahlberechtigten etwa eine Stunde auf dem Gelände gewartet. Dann kam ein Bote, der sagte, er hätte etwa 20 Wahlzettel dabei. Damit ging er zum Wahlleiter.
Und Sie waren auch etwa 20 Wartende?
Nein, wir waren deutlich mehr. Eher etwa zwischen 50 und 100 Personen warteten da noch. Aber eine ganze Menge waren da auch schon gegangen, weil sie nicht mehr warten wollten.
Wir haben uns dann nochmal angestellt – ich bin aber nicht drangekommen, weil ich zu weit hinten stand. Dann bin also wieder rausgegangen und habe auf dem Gelände weiter gewartet, weil ich davon ausgegangen bin, dass nochmal neue Zettel kommen. Aber dann wurde kommuniziert, dass unklar sei, ob die 20 Stimmen überhaupt abgegeben werden können, weil es ja zu wenige seien, um alle Wartenden wählen zu lassen. Das solle erst noch entschieden werden.
Soweit ich es mitbekommen habe, wurde dann die 20 Zettel nicht mehr verwendet. Ich habe dann draußen trotzdem noch ein bisschen gewartet. Da habe ich mir die Hochrechnungen dann angesehen.
Passierte denn dann noch was?
Ja, die Wahlleute kamen gegen 19 Uhr raus und haben die Wahl abgebrochen. Sie sagten, alle sollten nach Hause gehen, sie würden jetzt dicht machen. Ich bin dann nach Hause gegangen und habe dort die Landeswahlleiterin im Interview sagen hören, dass alle ihre Stimme abgeben konnten. Das hat mich wirklich geärgert. Denn das war eindeutig nicht der Fall. Und das müsste auch zu dem Zeitpunkt, zu dem das Interview stattfand, auch bekannt gewesen sein. Dass da also Leute nach Hause geschickt wurden.
Das heißt, Sie und mindestens 30 weitere Menschen haben jetzt schlichtweg nicht gewählt?
Mindestens, ja. Ich habe auch keinerlei Information dazu bekommen, ob und wie ich jetzt noch wählen kann.
Wie haben Sie das Verhalten der Wahlleute empfunden?
Die telefonierten die ganze Zeit herum, weil sie auch keine Infos hatten. Sie haben wohl auch niemanden erreicht – oder niemand hat ihnen helfen wollen. Sie wirkten ziemlich aufgelöst und wussten nicht, was sie machen sollten.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Prieß, rbb|24
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