Pannen in Berliner Wahllokalen
Am Wahlsonntag gab es in einigen Berliner Wahllokalen Pannen. In wie vielen genau, weiß die Landeswahlleitung immer noch nicht. Ein Politikwissenschaftler bezeichnet die Wahl unterdessen als "irregulär" und bringt eine Wiederholung ins Gespräch.
Nach der pannenreichen Wahlnacht in Berlin hat Landeswahlleiterin Petra Michaelis verschiedene Probleme eingeräumt, personelle Konsequenzen aber zunächst abgelehnt. Für eine Aufgabe ihres Amtes sehe sie derzeit keinen Grund, sagte Michaelis am Montag.
Allerdings räumte sie ein, dass es in einigen Wahllokalen zu wenig Stimmzettel gegeben haben soll, in anderen Wahllokalen viel zu lange Schlangen von wartenden Wählern sowie falsche Stimmzettel an manchen Stellen. In wie vielen der 2.257 Berliner Wahllokalen es Probleme gab, wie lange Wähler maximal warten mussten und wann der letzte Wahlberechtigte seine Stimme abgab, konnte Michaelis nicht sagen. Das müsse jetzt mit einer Bestandsaufnahme geklärt werden.
Michaelis verwies gleichzeitig auf die organisatorische Verantwortung der zuständigen Bezirkswahlleitungen, die die Stimmzettel bestellten und verteilten. "Selbstverständlich hatten wir genug Stimmzettel vorbereitet, wir waren mit rund 110 bis 120 Prozent an Stimmzetteln der Wahlberechtigten ausgestattet", sagte Michaelis. "Für mich war unverständlich, dass wohl in einigen Wahllokalen die Stimmzettel ausgegangen sind." So seien die Wahlvorstände in den jeweiligen Wahllokalen dafür zuständig, dass die Stimmzettel an die richtige Stelle transportiert würden und am Wahltag ständig genügend bereit lägen.
Der Leiter der Landeswahlleitungs-Geschäftsstelle, Gert Baasen, sagte, die Gesamtzahl der Wahllokale mit Problemen habe seiner Einschätzung nach im oberen zweistelligen oder unteren dreistelligen Bereich gelegen. Es gehe in vielen Beschwerden um die gleichen Wahllokale. Als Bezirke nannte er Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg.
Zudem sprach Petra Michaelis aufgrund der fünf Wahlzettel, Urnenwahl unter Coronabedingungen und dazu der Berlin-Marathon von einer großen Herausforderung an die Organisatoren. Sie sei aber zuversichtlich gewesen, dass die Wahl gut vorbereitet gewesen sei. Probleme bestanden demnach insbesondere darin, dass Stimmzettel nicht rechtzeitig an Wahllokale nachgeliefert wurden. Ihr sei es nicht verständlich, dass das in einigen Bezirken nicht geklappt habe, so Petra Michaelis. Es seien genügend Stimmzettel für die Wahlberechtigten beschafft worden.
Professor Timm Beichelt, Politikwissenschaftler an der Viadrina, stellte indes in den Raum, dass die Wahl in Berlin in einzelnen Wahllokalen und Stadtteilen wiederholt werden müsse. Auf Nachfrage des rbb bezeichnete Beichelt die Wahl in Berlin zum Teil als "irregulär".
Als sehr kritisch bewertet Beichelt die offensichtliche "Nichtverfügbarkeit von Stimmzetteln". Auch sei eine neutrale Stimmabgabe nicht möglich, wenn trotz Prognose und Hochrechnungen, Wahllokale bis 20.15 Uhr auf hätten. "Politikinteressierte Menschen könnten anders wählen, wenn sie schon Prognosen kennen", so Beichelt. Sollte es in diesen Lokalen knappe Ergebnisse gegeben haben, dann wäre eine Wahlwiederholung wahrscheinlich.
Beichelt war in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach Wahlbeobachter der OSZE in Osteuropa, darunter Russland, Estland, Moldowa und der Ukraine.
Hinsichtlich der Anfechtbarkeit kommen Experten zu unterschiedlichen Schlüssen: Zuvor hatte unter anderem der Berliner Staatsrechtler Christian Pestalozza mit Blick auf die Probleme gesagt: "Es könnte sein, dass jemand diesen Fakt als Anlass für eine Wahlprüfungsbeschwerde nimmt." Fraglich sei allerdings, ob die Sache erfolgreich wäre.
Sendung: Inforadio, 27.09.2021, 12 Uhr
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