BerlinTrend | Analyse
Für die Berliner Grünen geht es in den Umfragen wieder aufwärts, für die CDU abwärts. Das ist das Ergebnis des neuen BerlinTrends. Die Spitzenkandidaten sind dafür offensichtlich nicht ausschlaggebend - zumindest nicht die auf Landesebene. Von Sebastian Schöbel
Als Bettina Jarasch, die Spitzenkandidatin der Grünen, am vergangenen Wochenende im rbb-Inforadio auf ihre relativ geringen Bekanntheitswerte angesprochen wurde, musste sie erstmal lachen. "Mein Eindruck ist, dass sich das von Tag zu Tag verändert." Die Menschen "sind neugieriger", so Jarasch. "Deswegen wollen mehr und mehr Leute wissen, wer die Frau ist, die im September wohlmöglich ins Rote Rathaus einzieht und die Geschicke der Stadt mitbestimmt."
Zumindest beim zweiten Punkt gibt Jarasch der neue BerlinTrend von infratest dimap im Auftrag der rbb-Abendschau und der "Berliner Morgenpost" recht: Die Chancen der Grünen, im September stärkste Kraft zu werden, sind weiterhin gut. Würde jetzt gewählt werden, kämen sie auf 27 Prozentpunkte der Stimmen, vier Prozentpunkte mehr als beim letzten BerlinTrend im Februar.
An Jarasch selbst dürfte das aber nicht liegen - ihre Werte stagnieren in den Umfragen: Nur 23 Prozent der Gefragten gaben an, Jarasch zu kennen, fast unverändert von 24 Prozent im Februar.
Dass die Umfragewerte der Grünen dennoch wieder steigen, nachdem sie im Februar ein wenig gesunken waren, dürfte also vor allem der Verdienst ihrer neuen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sein. Die historische Nominierung der 40-Jährigen zwei Tage vor Start der BerlinTrend-Umfrage unter 1.162 Wählerinnen und Wählern verschafft auch den Grünen in Berlin Zuspruch - und wird wohl zu ihrem wichtigsten Erfolgsfaktor bei der Abgeordnetenhauswahl werden.
Auch die CDU wird bei der Berlin-Wahl sehr genau auf ihre Bundespartei und Kanzlerkandidat Armin Laschet schauen - nur unter völlig anderen Vorzeichen. "Wir machen uns schon Sorgen, dass die hohen Zustimmungswerte, die Markus Söder deutschlandweit entgegengebracht werden, nicht bei Armin Laschet vorliegen", hatte CDU-Fraktionschef Burkard Dregger der rbb-Abendschau gesagt, nachdem das Kanzlerkandidatenduell zwischen Markus Söder (CSU) und Laschet entschieden war. Die Berliner CDU, allen voran ihr Spitzenkandidat Kai Wegner, hatte sich früh und deutlich für Söder stark gemacht. Gut eine Woche später wird ihre Befürchtung im BerlinTrend bestätigt: Die CDU rutscht um vier Prozentpunkte auf 18 Prozent ab. Setzt sich der Trend fort, könnte Laschet im September bei der gleichzeitig stattfindenden Bundestagswahl eine echte Hypothek für die Berliner CDU werden.
Wenig Erfreuliches können SPD und Linke aus dem BerlinTrend ziehen, sie kommen auf 17 beziehungsweise 14 Prozent, je ein Prozentpunkt weniger als im Februar. SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey genießt zwar weiterhin hohe Bekanntheitswerte, dafür sinkt die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit auf 41 Prozent (-1). Auch der Spitzenkandidat der Linken, Klaus Lederer, büßt bei der Wählerzufriedenheit ein. Vor allem Giffey kommt trotz großer medialer Präsenz und Dauerwahlkampf - auch gegen die beiden Koalitionspartner - in den Umfragen nicht recht vom Fleck, die 20 Prozent Stimmenanteil vom April 2020 konnte sie bisher nicht erreichen.
Bei den Linken ist derweil ein langsamer aber stetiger Sinkflug in den Umfragen seit den famosen 22 Prozent vor drei Jahren nicht mehr zu leugnen. Aus dem hohen Zuspruch für den Mietendeckel konnten sie bislang keinen politischen Profit schlagen.
Rein rechnerisch reicht es aktuell dennoch für eine Fortsetzung der rot-rot-grünen Koalition, wobei die Grünen in die Führungsrolle rutschen würden - so, wie es ihre Spitzenkandidatin Jarasch auch offen formuliert. Andere Farbenspiele, etwa eine Ampel aus Grünen, CDU und FDP ist derweil nur rechnerisch möglich, politisch liegen die Parteien zum Teil weit auseinander.
FDP und AfD verharren im BerlinTrend im hohen einstelligen Bereich. Die AfD steckte monatelang in einem Richtungsstreit, der die tiefen Gräben in der Partei offenlegte. Ein Wahlprogramm gibt es bislang genauso wenig wie einen Spitzenkandidaten oder eine Spitzenkandidatin. Die Freien Demokraten dringen derweil mit ihrer Kritik an den Eindämmungsmaßnahmen und der Beschneidung der Grundrechte nicht recht durch.
Dabei wächst durchaus die Unzufriedenheit mit dem Corona-Krisenmanagement des Senats: Inzwischen sind 70 Prozent der Befragten unzufrieden oder gar sehr unzufrieden damit, insgesamt 14 Prozent mehr als im Februar.
An zu wenig Lockerungen und zu strikten Eindämmungsmaßnahmen liegt es allerdings nicht, eher im Gegenteil: So sprachen sich 69 Prozent der Befragten für die im Rahmen der "Bundes-Notbremse" vereinbarte Schließung von Schulen ab einer Sieben-Tages-Inzidenz von 165 aus. Vor allem FDP und AfD hatten sich grundsätzlich gegen weitere Einschränkungen ausgesprochen.
Beitrag von Sebastian Schöbel
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