Regierungsbildung in Berlin
Mehr Klimaschutz, bezahlbares Wohnen, mehr Sicherheit, Verbeamtung von Lehrern: SPD, Grüne und Linke haben 19 Punkte erarbeitet, die den Weg zu Koalitionsverhandlungen ebnen sollen. Entscheiden müssen nun die Parteigremien.
Die Spitzenkandidaten von SPD, Grünen und Linken in Berlin haben sich bei ihrer abschließenden Sondierungsrunde auf einen 19-Punkte-Plan geeinigt. Das entsprechende Sondierungspapier werde nun den jeweiligen Landesparteigremien vorgelegt, sagte SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey am Freitagnachmittag im Kurt-Schumacher-Haus in Berlin-Wedding.
Sie sprach von einem "guten Abschluss" der Sondierungen, alle Beteiligten hätten sich "stark bewegt, das ist für mich die Basis einer künftigen Zusammenarbeit", so Giffey. Man wolle den angepeilten Neubeginn nun mit Leben füllen, "das wird unsere gemeinsame Aufgabe sein", so die SPD-Landeschefin. Schwerpunkte der gemeinsamen Vorhaben seien Klimaschutz, bezahlbares Wohnen, mehr Personal für Polizei und Behörden sowie der soziale Zusammenhalt in der Stadt, betonte sie.
Der Auftakt für die Verhandlungen ist für kommenden Mittwoch oder Donnerstag vorgesehen, so Giffey. Zunächst solle dabei über den Haushalt beraten werden, um die Vorhaben auch stemmen zu können. Zuvor müssen noch Parteigremien zustimmen, was als sicher gilt. Die Sitzungen der Landesvorstände von SPD und Linken sowie des Grünen-Landesausschusses sind am Montag geplant. Sobald die Parteigremien Koalitionsverhandlungen zustimmen, könnten diese in der kommenden Woche beginnen.
Auch die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch und der Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer betonten nach der abschließenden Sondierungsrunde, man habe intensive und gute Gespräche geführt. "Wenn der Geist dieser dritten Sondierungsrunde der Geist ist, der uns durch die Koalitionsverhandlungen und die nächsten fünf Jahre trägt, dann bin ich sehr zuversichtlich", so Jarasch. Die Gespräche seien getragen gewesen "vom gemeinsamen Willen, sich Erfolge zu erarbeiten."
Lederer sprach ebenso von "guten Beratungen" und kündigte vor allem im öffentlichen Bereich sowie im Krankenhaussektor Modernisierungen und Investitionen in die jeweilige Infrastruktur an.
Über das Sondierungspapier hatten die Unterhändler aller drei Parteien mehr als sieben Stunden gesprochen. Neu im Vergleich zur Linie in der bisherigen Koalition ist der Einstieg in die Verbeamtung von Lehrkräften, um dem Lehrermangel zu begegnen. Auch eine temporäre Videoüberwachung von Straßen oder Plätzen mit viel Kriminalität gehört zu den Punkten, bei denen es in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode keine gemeinsame Verständigung gab.
Nach dem erfolgreichen Volksentscheid für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen wollen SPD, Grüne und Linke eine Expertenkommission einsetzen, die "Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung" prüfen soll. Innerhalb eines Jahres soll die Kommission, in der auch Initiatoren des Volksentscheids vertreten sein sollen, Empfehlungen für das weitere Vorgehen des Senats erarbeiten. Das Thema gehört zu den umstrittensten zwischen den drei Parteien.
Neue Akzente sind in der Verkehrspolitik geplant, etwa mehr Augenmerk auf den U-Bahn-Ausbau. Nach Angaben der Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch wird der Klimaschutz als gemeinsame Aufgabe aller Senatsverwaltungen definiert, es soll dazu einen "Klimasenat" geben.
Für die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) wollen die Parteien eine dritte Säule neben den Einnahmen aus Fahrkarten und staatlichen Zuschüssen entwickeln. Details dazu sind noch offen, also auch die Frage, ob es womöglich um eine City-Maut geht. Die umstrittene Verlängerung der Autobahn 100 zum Treptower Park soll zu einem "qualifizierten Abschluss mit Verkehrskonzept" gebracht werden.
Verfolgt wird die Zielsetzung, 20.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Dafür soll der "Stadtentwicklungsplan Wohnen" überarbeitet werden. Bis 2030 sollen mindestens 200.000 Wohnungen "mit Stadtquartieren und Wohnungsbaupotenzialen untersetzt werden". Bau- und Planungsverfahren sollen beschleunigt werden, mit den Bezirken soll dabei enger zusammengearbeitet werden. Die bezirklichen Bauämter sowie die Straßen- und Grünflächenämter sollen mehr Personal bekommen.
Es soll ein Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen gegründet werden, das die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die Genossenschaften und die privaten Wohnungsunternehmen einbezieht, um Wohnungsbauvorhaben konsequent voranzutreiben. "Wir setzen dabei auf das Prinzip Kooperation statt Konfrontation", so Giffey. Das Bündnis solle auch für bezahlbare Mieten im Bestand sorgen, um die soziale Mischung in der Stadt zu erhalten und Verdrängung entgegenzuwirken. In Berlin soll für einen befristeten Zeitraum ein Mietenmoratorium umgesetzt werden.
Eine Expertenkommission soll die Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens zur Vergesellschaftung der Wohnungen großer Immobilienunternehmen prüfen. In der Expertenkommission sollen auch Mitglieder der Initiative des Volksbegehrens sitzen. Die Kommission soll innerhalb eines Jahres eine Empfehlung für das weitere Vorgehen an den Senat geben, der dann eine Entscheidung darüber trifft.
Der U-Bahn- und Straßenbahnausbau soll zügig und mit mehr Personal vorangebracht werden. Der bestehende Nahverkehrsplan, die Berlin-Brandenburger Strategie i2030, der Radverkehrsplan und das Berliner Mobilitätsgesetzes sollen finanziell abgesichert werden. Die Ladesäuleninfrastruktur für E-Autos soll ausgebaut werden. Der 16. Bauabschnitt der A 100 soll fertiggestellt werden, der Bau des 17. Bauabschnitts soll dagegen in der neuen Legislaturperiode nicht weiter vorangetrieben werden.
Die landeseigenen Unternehmen sollen eine Vorreiterrolle einnehmen und weiter mit gutem Beispiel vorangehen. Schwerpunkte bei den Investitionen sind energetische Sanierung, Flächenentsiegelung, Begrünung von Dächern und Fassaden und das Regenwassermanagement. Die Berliner Kleingärten sollen gesichert werden. Eingeführt werden soll ein "Senatsausschuss Klimaschutz", der bei Bedarf bei der Reduktion von CO2-Emissionen nachsteuern soll.
Alleinerziehende sollen stärker unterstützt, der Ausbau von Kitaplätzen fortgesetzt werden. Die Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule soll erhalten bleiben, die Digitalisierung und die Schulbauoffensive sollen konsequent fortgesetzt werden. Lehrerinnen und Lehrer in Berlin sollen wieder verbeamtet werden. Das aktive Wahlalter soll auf 16 Jahre abgesenkt werden.
Die Berliner Wirtschaft soll nach der Pandemie wieder auf Erfolgskurs kommen und an das Wirtschaftswachstum vor Corona anknüpfen. Die Corona-Hilfe werde für die von der Pandemie betroffenen Bereiche der Berliner Wirtschaft über 2021 hinaus fortgeführt. Mit einem Zukunftsprogramm "Neustart Berlin" soll ein Fokus auf das Gastgewerbe, die Hotel- und Veranstaltungswirtschaft, die Messe, den Einzelhandel und die Kultur gelegt werden. Die Wirtschaft und Industrie sollen bei den Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation in Richtung Klimaneutralität unterstützt werden.
Maßnahmen sollen sicherstellen, dass Bürgerinnen und Bürger innerhalb von 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt bekommen. Die Digitalisierung der Berliner Verwaltung soll beschleunigt werden, die Ämter mehr Personal bekommen. Eine Verwaltungsreform soll die Prozesse und Verfahren vereinfachen und beschleunigen.
Bei der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden soll mehr Personal eingestellt werden, die Sichtbarkeit der Polizei erhöht werden. Temporäre und anlassbezogene Videoüberwachung soll genutzt werden. Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität soll ebenso entschieden fortgeführt werden wie der Kampf gegen den Rechtsextremismus.
Sendung: Abendschau, 15.10.2021, 19:30 Uhr
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