Nach der Abgeordnetenhauswahl
Die Abgeordnetenhauswahl ist gelaufen, die Parteien sortieren sich. Bis eine neue Regierung steht, dauert es noch. Aber das Parlament kann auch ohne Senat schon mal loslegen. Von Thorsten Gabriel
Am schnellsten waren die Liberalen. Die Berliner FDP teilte am Montag mit, sie habe als "Fraktion in Gründung" bereits einen neuen Vorstand gewählt. Das war mutig, denn bis Dienstagnachmittag stand noch nicht endgültig fest, welche Personen dem neuen Parlament wirklich angehören werden. Nur die in den Wahlkreisen direkt gewählten Abgeordneten konnten sich schon sicher sein.
Die CDU verschob deshalb sicherheitshalber ihre konstituierende Fraktionssitzung auf Donnerstagnachmittag. In jedem Falle ist das der erste Schritt: Die neu- und wiedergewählten Abgeordneten schließen sich zu Fraktionen zusammen und wählen Vorstände.
Derweil loten ihre Parteien aus, wer mit wem künftig die Regierung bildet. Die Berliner SPD-Chefin Franziska Giffey will erste Sondierungsgespräche dazu Ende der Woche führen. Zunächst will sie mit den derzeitigen Regierungspartnerinnen Linke und Grüne reden, dann auch mit CDU und FDP.
Anschließend muss sich die SPD entscheiden, mit wem sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen will. Sowohl bei den Sozialdemokraten als auch bei den potenziellen Regierungspartnerinnen werden es Parteigremien wie etwa "Kleine Parteitage" sein, die solchen Verhandlungen zustimmen müssen, bevor es losgehen kann.
Verhandelt wird zwischen den Parteien sowohl in großer Runde als auch in vielen Facharbeitsgruppen, die gebildet werden. Aus vielen Textfragmenten fügt sich so am Ende ein Koalitionsvertrag zusammen – was auch erklärt, weshalb Koalitionsverträge häufig nicht von allzu großer sprachlicher Schönheit und Verständlichkeit geprägt sind. Es sind oft Werke aus der Gattung "politische Gebrauchsanweisung", geschrieben von Fachpolitiker:innen, die gegenseitig wissen, was gemeint ist und die eher selten für ein breites Publikum formuliert sind.
Ganz am Schluss werden die Ressorts aufgeteilt: Welche Partei wird für welche Senatsverwaltungen zuständig sein – auch wenn das natürlich beim Ringen um gemeinsame Inhalt vorher schon mitgedacht wird.
Eine Frist für die Dauer von Koalitionsverhandlungen gibt es nicht. Die vorherige Landesregierung amtiert so lange weiter, bis eine neue im Amt ist. Nach den Erfahrungen der vorangegangenen Wahlperioden könnte dies Ende November, Anfang Dezember der Fall sein. Die SPD hat jedenfalls schon mal einen Parteitag für den 5. Dezember eingeplant, um über einen Koalitionsvertrag abzustimmen.
Das Parlament selbst dagegen kann nicht warten, bis eine neue Regierung in Amt und Würden ist. Artikel 44 der Berliner Verfassung schreibt vor, dass sich das neue Abgeordnetenhaus spätestens sechs Wochen nach der Wahl konstituiert haben muss. Vorgesehen ist bislang dafür der Donnerstag, der 4. November 2021.
Diese erste Sitzung wird vom ältesten Mitglied des neuen Parlaments eröffnet, dem oder der sogenannten Alterspräsident:in. Als stellvertretende Präsidiumsmitglieder amtieren die vier jüngsten Abgeordneten. Ihre Aufgabe ist es, die Wahl des künftigen Parlamentspräsidiums zu leiten. Es bestand in der vergangenen Wahlperiode aus dem Präsidenten, zwei Stellvertreterinnen sowie 13 Beisitzerinnen und Beisitzern.
Das Vorschlagsrecht für die Posten haben die Fraktionen in der Reihenfolge ihrer Stärke. Das bedeutet, das die SPD erneut den Präsidenten oder die Präsidentin stellen wird. Der bisherige Amtsinhaber Ralf Wieland hat nicht erneut für das Abgeordnetenhaus kandidiert.
Wenn sich die Parteien unterdessen auf eine Regierungszusammenarbeit verständigt haben, kann das Parlament, wahrscheinlich in einer späteren Sitzung, die Regierende Bürgermeisterin oder den Regierenden Bürgermeister wählen – voraussichtlich Franziska Giffey. Die weiteren Senatsmitglieder werden nicht gewählt, sondern von der Regierungschefin ernannt. Vor dem Parlament legen sie aber ihren Amtseid ab.
Beitrag von Thorsten Gabriel
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