Berliner Spitzen von SPD, Grüne und FDP
Siebeneinhalb Stunden dauerten die Gespräche zu einer möglichen Ampel-Regierung für den Berliner Senat. Deutlich länger als vorher veranschlagt. Die designierte Regierende Bürgermeistern Giffey bleibt zum Inhalt der Gespräche schmallippig.
SPD, Grüne und FDP haben ein erstes Sondierungsgespräch im Dreier-Format am Montag beendet. Nach siebeneinhalb Stunden verließen die Teilnehmer nach und nach den Ort des Treffens, die SPD-Landesgeschäftsstelle im Wedding.
Nach der Zusammenkunft mochten die Beteiligten nichts Substanzielles sagen und verwiesen auf die vereinbarte Vertraulichkeit. Die SPD-Landesvorsitzende und designierte Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sprach lediglich von "guten Gesprächen", die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch von "extrem intensiven Gesprächen". FDP-Vertreter hielten sich mit derartigen Einschätzungen zurück.
Gut zwei Wochen nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl haben damit Dreiersondierungen mit Verhandlungen über eine sogenannten Ampel-Koalition in Berlin begonnen. Für das Treffen waren ursprünglich drei Stunden angesetzt worden.
Am Dienstagvormittag um 10 Uhr ist ein weiteres Sondierungstreffen geplant, diesmal von SPD, Grünen und Linken - die drei Parteien regieren seit 2016 zusammen. Bisher hatten SPD, Grüne, CDU, Linke und FDP in Zweierformaten Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Hinblick auf eine mögliche Koalition ausgelotet. Am Freitag hatten dann SPD und Grüne überraschend angekündigt, parallel in zwei Dreierrunden weiter zu sondieren. Eine Vorentscheidung für die nächste Koalition ist damit verschoben worden.
Das liegt auch an den sehr unterschiedlichen Bewertungen der Alternativen: Die designierte Regierende Bürgermeisterin und SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey erklärte am Freitag, die SPD habe eine Präferenz für die Ampelkoalition mit Grünen und FDP. Im Wahlkampf hatte sie das noch offengelassen. Die Grünen und die Linken halten nach wie vor die bisherige Koalition aus ihnen und der SPD für die bessere Entscheidung.
Auch aus mehreren SPD-Kreisverbänden, vom stellvertretenden Landesvorsitzenden und von den Berliner Jusos gab es bereits die Forderung, weiter auf die Zusammenarbeit mit Grünen und Linken zu setzen. Berliner SPD-Politiker wie der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel und der ehemalige Kulturstaatssekretär und kürzlich bei den Wahlen zum Bundestag gescheiterte Tim Renner sprachen sich am Wochenende für eine Ampel-Koalition aus [plus.tagesspiegel.de / Bezahlinhalt].
Giffey hat angekündigt, die Sondierungen bis Mitte Oktober abschließen zu wollen. Dann soll der Landesvorstand entscheiden, welche Koalition die Sozialdemokraten eingehen, Giffey und der Co-Landesvorsitzende Raed Saleh haben im Vorstand die Mehrheit. Noch im Dezember möchte sie dann Regierende Bürgermeisterin sein.
Sie betonte zuletzt, Rot-Grün-Rot werde deshalb weiter sondiert, weil sich die bisherigen Koalitionspartner "sehr beweglich" gezeigt hätten bei Themen wie Wohnungsneubau, Modernisierung der Verwaltung oder innere Sicherheit. Zugleich klang sie aber nicht so, als würde sie sich von ihrer Ampel-Präferenz leicht abbringen lassen. "Wir wollen ein fortschrittliches Dreierbündnis vorschlagen, das wirklich zukunftsfähig ist, das gerade auch bei jungen Wählern auf Zuspruch trifft. Und das dafür steht, diese Stadt zu einen und nicht zu spalten", sagte Giffey. Ein Seitenhieb darauf, dass Grünen und Linken oft vorgeworfen wird, sie schauten nur auf die Innenstadt, wo sie stark sind, und vergäßen die Außenbezirke.
Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hatte sich bereits im Vorfeld für eine Fortsetzung des rot-rot-grünen Bündnisses ausgesprochen. Im Zuge der laufenden Sondierungen kritisierte sie die Ampel-Option nicht. Jarasch machte aber deutlich, dass es allein der Wunsch von Franziska Giffey und der SPD gewesen sei, diese Option weiter zu prüfen. "Wir folgen gerne dem Wunsch der SPD, nochmal Dreier-Gespräche zu führen und dann auf dieser Grundlage eine gute, fundierte Entscheidung treffen zu können. Das ist offensichtlich das, was sie für ihre Entscheidung brauchen", sagte Jarasch.
Rot-Grün-Rot käme zusammen auf 92 Sitze im Parlament, nötig sind für eine Mehrheit mindestens 75. Eine sogenannte Ampel-Koalition würde gemeinsam 80 Sitze bedeuten.
Die möglichen Koalitionspartner FDP und Linke waren von der Ankündigung von SPD und Grünen, parallel zu sondieren, erst einmal düpiert - entsprechend äußerten sich beide. Die FDP erklärte in einer knappen Pressemitteilung, sie nehme die Einladung zum Gespräch am Montag an - und machte gleichzeitig klar, es dürfe jetzt keine lange Hängepartie geben: "Parallele Sondierungen sind ein wenig wertschätzender Zustand für alle Verhandlungspartner, der nicht von Dauer sein darf", teilte die Partei am Freitag mit.
Die Linkspartei-Landeschefin Katina Schubert sagte dem rbb erwartungsgemäß, sie halte von der Ampel-Sondierung nichts. "Wenn man die Wahlprogramme nebeneinander legt, gibt es da wenig Gemeinsamkeiten, zumindest in den Fragen, die die Stadt im Moment wirklich bewegen. Das ist etwas, was ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann." Als Knackpunkte möglicher Bündnisse gelten etwa die Verkehrs- und Wohnungspolitik.
Der Chef der Berliner CDU, Chef Kai Wegner, warf der SPD im Zusammenhang mit den laufenden Sondierungen zur Regierungsbildung "Partei-Taktik" und "Machtspielchen" vor. "Ich finde es schwierig, wenn man jetzt einerseits mit den Linken und andererseits mit der FDP weitersondiert", sagte Wegner dem "Tagesspiegel" (Montag). "Beide Parteien sind inhaltlich völlig gegensätzlich, aber mit beiden sondiert man ergebnisoffen?" Um Inhalte und was gut für Berlinerinnen, Berliner und die Stadt sei gehe es der SPD dabei wohl nicht.
Wegner unterstrich, dass SPD und CDU in ihren bilateralen Sondierungsgesprächen eine Menge Gemeinsamkeiten herausgearbeitet hätten. "Es hat uns überrascht, dass das Wahlprogramm der SPD viele Übereinstimmungen mit unserem hat", schilderte er. "Vieles wäre möglich gewesen. Deshalb waren wir für eine Deutschland-Koalition mit SPD und FDP." Zwischen SPD und Grünen habe es zuletzt in der Legislaturperiode viel Streit gegeben. "Ich weiß nicht, wie das jetzt zwischen beiden Parteien besser werden sollte", so Wegner.
Sendung: Inforadio, 11.10.2021, 23 Uhr
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