Aufarbeitung der Wahlpannen
100 Minuten Unterbrechung, offene Lokale bis 20 Uhr und später: Besonders in Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf ist es am Wahltag zu Pannen gekommen. Die Bezirke haben Fehler geprüft, das Ergebnis ist einhellig. Von Dominik Wurnig und Frank Preiss
Die Wahlleitungen der drei Berliner Bezirke, in denen es am 26. September besonders viele Wahl-Pannen gegeben hat, sehen keinen Grund für Neuwahlen. In keinem Wahlkreis sei es zu dermaßen großen Unregelmäßigkeiten gekommen, die einen solchen Schritt rechtfertigen würden, hieß es am Montag aus den Bezirkswahlausschüssen in Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg.
Das letzte Wort hat nun der Landeswahlausschuss. Am Donnerstag will das Gremium bekanntgeben, inwiefern sich die Unregelmäßigkeiten auf die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen ausgewirkt haben.
In Pankow wurden die Unregelmäßigkeiten der Wahlen vom 26. September genau unter die Lupe genommen. Im Bezirk wurden in sechs Wahlbezirken teilweise falsche Stimmenzettel für die Erststimme der Abgeordnetenhauswahl ausgegeben. Mehr als 300 Erststimmen wurden daher von den Wahlvorständen für ungültig erklärt, obwohl die Wähler und Wählerinnen alles richtig gemacht hatten.
So wurden etwa im Wahllokal Schule am Birkenhof (Wahlbezirk 122) [wahlen-berlin.de] 40 Stimmzettel für die Erststimmen der Abgeordnetenhauswahl vom Wahlkreis 3 ausgegeben. Da die am Stimmzettel genannten Kandidat:innen eigentlich anderswo antreten, wurden die Stimmen ungültig gewertet. Betroffen davon sind Erststimmenwähler:innen diverser Parteien: 1 Linke, 4 Grüne, 4 FDP, 12 AfD, 5 SPD, 1 Basis, 11 CDU, 1 Tierschutzpartei, 1 Freie Wähler.
Offenbar sei es zu der Verwechslung gekommen, da die beiden Wahllokale der zwei verschiedenen Wahlkreise in demselben Gebäude untergebracht waren, hieß es von der Bezirkswahlleitung zur Begründung. Gleichwohl seien die Auswirkungen dieser Verwechslungen aber nicht mandatsrelevant, da Johannes Kraft (CDU) die Erststimmenwahl mit rund 1.100 Stimmen Vorsprung gewann.
Auch in anderen Wahllokalen, darunter die Stimmbezirke 410, 605, 606 und 701, seien Dutzende falsche Stimmzettel ausgegeben worden. Teilweise sei dies noch rechtzeitig aufgefallen und man habe noch die richtigen Wahlzettel verteilen können, sagte Bezirkswahlleiterin Christine Ruflett am Montag bei der Ausschusssitzung. Die letztlich durch diese Fehler ungültigen Stimmen seien aber in keinem Wahlkreis mandatsrelevant gewesen, ergänzte sie. Nicht ausschließen wollte die Bezirkswahlleiterin Ruflett, dass eine Fehlsortierung durch die Druckerei für die falschen Stimmzettel verantwortlich sein könnte.
Fest steht derweil, dass Probleme mit den Stimmzetteln in Pankow zu teils erheblichen Ausweitungen der Öffnungszeiten von Wahllokalen geführt haben. 88 Wahllokale im Bezirk haben ihre Stimmenabgabe zwischen 18 und 18.30 Uhr beendet, 60 Wahllokale bis 19 Uhr, 36 Wahllokale bis 19:30 Uhr, 15 Wahllokale bis 20:00 Uhr und ein Wahllokal sogar bis 20:45 Uhr, wie aus den Zahlen hervorgeht, die am Montag bei der Ausschusssitzung vorgelegt worden sind.
Der Wahlamtsleiter Marc Albrecht begründet dies vor allem mit fehlenden Stimmzetteln in den Wahllokalen, die durch Kuriere nachgeliefert werden mussten. Schon im August habe der Bezirk beim Land Berlin mehr Stimmzettel verlangt, aber nicht bekommen. Laut Albrecht wäre für das Nachdrucken der Wahlunterlagen eine erneute EU-weite Ausschreibung nötig gewesen.
Wie viele Menschen in Pankow letztlich nicht mehr ihre Stimmen abgeben konnten, weil sie nicht so lange warten konnte, konnte Ruflett nicht beziffern. Sie könne darin aber letztlich keinen Grund für die Anfechtung der Wahl sehen: “Ich habe keinen Hinweis gefunden, dass ein Wahlvorstand gesagt hätte: "Stimmzettel aus. Gehen sie nach Haus“, so Ruflett.
Insgesamt gab es in einem Wahlkreis - auf Antrag der Linken -, sowie in acht Wahlbezirken Neuauszählungen. Gegenüber der "Schnellmeldung" - so nennt das Amt das Ergebnis vom Wahltag - hat sich demnach aber kein Mandat verändert.
Auch in Friedrichshain-Kreuzberg gab es große Pannen am Superwahltag - keine davon befand auch der dortige Bezirkswahlausschuss am Montag für mandatsrelevant. Bei der Abgeordnetenhauswahl wurden demnach 1.969 Zweitstimmzettel aus einem anderen Bezirk benutzt. Nachdem diese in der Wahlnacht ungültig erklärt wurden, hat am Montag der Bezirkswahlausschuss diese Entscheidung rückgängig gemacht. Die Stimmen zählen jetzt doch.
121 falsche Erststimmenzettel wurden bei der Abgeordnetenhauswahl in den Wahlkreisen 1, 4 und 6 ausgegeben – diese Wählerstimmen bleiben jedoch ungültig. Dies sei nicht mandatsrelevant, da der Abstand zwischen den Kandidat:innen in allen Wahlkreisen groß sei, argumentierte der Bezirkswahlleiter Hans-Dieter Bohm vor dem Ausschuss.
In 21 Wahlbezirken kam es zu Unterbrechungen der Wahl – in der Regel, weil die Stimmzettel aus waren. In den Wahlbezirken 401 (Schule am Königstor) [wahlen-berlin.de] und 412 (Georg-Weerth-Schule) [wahlen-berlin.de] gab es mit je 100 Minuten die längste Wahlunterbrechungen. Beide Stimmbezirke haben nun eine sehr niedrige Wahlbeteiligung.
Die Beisitzer der Grünen forderten im Ausschuss eine Neuauszählung der Erststimmen im Wahlkreis 4, wo Monika Hermann (Grüne) um 211 Erststimmen von Valgolio Damiano (Linke) geschlagen wurde.
Auch für die AfD war das Ergebnis der BVV-Wahl in Friedrichshain-Kreuzberg knapp: Nur rund 50 Stimmen liegt die Partei von einem zweiten Bezirksmandat entfernt. Deshalb forderten am Montag auch die AfD-Beisitzer eine Neuauszählung. Darüber muss nun der Landeswahlausschuss entscheiden.
Der Wahlausschuss in Charlottenburg-Wilmersdorf hat sich bereits am vergangenen Freitag getroffen. Hier habe es neben der mandatsrelevanten Nachzählung im Wahlkreis 6 für das Abgeordnetenhaus keine weiteren nennenswerten Verschiebungen gegeben, teilte die Bezirkssprecherin am Montag auf rbb|24-Nachfrage mit. Die neuerliche öffentliche Auszählung im Wahlkreis 6 hatte ergeben, dass der Grünen-Kandidat Alexander Kaas Elias mehr Stimmen als die bisherige Wahlkreis-Abgeordnete Franziska Becker (SPD) gewinnen konnte. "Weitere mandatsrelevante Verschiebungen gab es nicht", so die Bezirkssprecherin.
Bei der Ausschusssitzung am Freitag sei es nicht um eine Analyse von Wahlpannen gegangen. Vielmehr habe "rein formell eine Ergebnisfeststellung" im Vordergrund gestanden, so die Bezirkssprecherin weiter. Am Wahltag hatten mehrere Wählerinnen und Wähler in Charlottenburg-Wilmersdorf geklagt, es seien schon frühzeitig keine Stimmzettel mehr vorhanden gewesen. Zudem seien Stimmzettel mit denen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg vertauscht worden.
Sendung: Inforadio, 11.10.2021, 16:00 Uhr
Beitrag von Dominik Wurnig und Frank Preiss
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