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Audio: Inforadio | 04.07.2021 | Tobias Schmutzler | Quelle: dpa/C. Soeder/rbb24

Wahlprogramm-Check

Das planen die Berliner Parteien in der Arbeitsmarktpolitik

Vom bedingungslosen Grundeinkommen bis zum "bürokratielosen ersten Jahr" für Gründer: Die Parteien setzen auf Innovationen – streiten aber, ob Unternehmen eher Freiraum oder klare Regeln brauchen. Von Tobias Schmutzler und Sabine Müller

Hinweis: Die Reihenfolge der Parteien richtet sich nach dem Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2016: SPD 21,6 Prozent; CDU 17,6 Prozent; Linke 15,6 Prozent; Grüne 15,2 Prozent; AfD 14,2 Prozent; FDP 6,7 Prozent

SPD

SPD: Ein Herz für Einkaufsstraßen

Kernzitat: "Die Stadt und ihre Verwaltung sollen sich stärker als bisher als Partnerinnen von Wirtschaft und Innovation verstehen."

Helfen will die SPD den Einkaufsstraßen, die sich in Zeiten des Onlinehandels behaupten müssen. Die Partei will die Gründung von "Einkaufsstraßen-AGs" fördern, in denen sich Händler zusammenfinden, um beispielsweise hybride Modelle aus stationärem und Internet-Handel zu entwickeln.

Auch sonst will die Partei verlässlich an der Seite der Wirtschaft stehen. Eine neue "Berliner Reallabor-Strategie" soll Unternehmen ermöglichen, in räumlich begrenzten Bereichen Innovationen zu erproben. Für Gründerinnen planen die Sozialdemokraten einen "zentralen Fördernavigator" sowie einen "Chancen-Fonds", damit Unternehmen leichter an Fremdkapital kommen.

Schon heute ist der Berliner Landesmindestlohn der höchste Mindestlohn der Republik. Wenn es nach der SPD geht, soll er aber noch weiter steigen: von 12,50 Euro auf mindestens 13 Euro. Wichtig ist der Partei zudem der Arbeitsschutz. Auf einer neuen Hotline sollen unter anderem Betriebsräte Beschwerden loswerden können.

Das "solidarische Grundeinkommen", aktuell ein Modellprojekt der rot-rot-grünen Koalition für 1.000 ehemalige Langzeitarbeitslose, wollen die Sozialdemokraten verstetigen.

CDU

CDU: Weg von der "Hartz-IV-Hochburg"

Kernzitat: "Unser wichtigster Job sind sichere Jobs."

Investitions-Pakt, Transformations-Agentur, Task-Force, Masterplan - die CDU will Wirtschaft und Beschäftigten auf wortgewaltige Weise unter die Arme greifen. Nach der Corona-Pandemie soll alles, was die Wirtschaftskraft hemmen könnte, auf den Prüfstand kommen. "So werden wir die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft entfesseln", versprechen die Christdemokraten. Im Instrumentenkasten dafür liegen: eine vorübergehende Senkung der Gewerbesteuer und eine stärkere Wirtschaftsförderung in den Bezirken. Zudem will die Partei Bürgschaften und gezielt Aufträge an kleine und mittlere Firmen vergeben - damit künftig mehr Innovationen das Label "Made in Berlin" tragen.

Den Umbau und das Marketing für Einzelhandelszentren will die CDU mit mindestens 100 Millionen Euro unterstützen, außerdem Unternehmens-Gründungen gemeinsam mit privaten Partnern mit zwei Milliarden Euro Kapital unterstützen. Der Wunsch der Partei: Berlin soll zum Zentrum für Künstliche Intelligenz, 3D-Druck und Wasserstoff werden, außerdem Gesundheitshauptstadt Europas.

Damit die Wirtschaft genug gut ausgebildete Fachkräfte hat, fordert die CDU eine "neue Weiterbildungskultur": Unternehmen, die Budgets zurückstellen, um Beschäftigte in Sachen Digitalisierung zu schulen, sollen Steuervorteile erhalten.

Für Langzeitarbeitslose plant die Partei besondere Hilfsangebote, unter anderem ein Mentoren-Modell. Dadurch soll Berlin "von der Hartz-IV-Hochburg zur Hauptstadt des sozialen Aufstiegs und der Chancengerechtigkeit" werden.

Linke

Linke: Daumenschrauben für Firmen anziehen

Kernzitat: "Dort, wo das Land Berlin direkt die Arbeitsbedingungen in der Privatwirtschaft beeinflussen kann, muss dies zugunsten der Beschäftigten erfolgen."

Die Linke erklärt sich in ihrem Wahlprogramm zur Anwältin der Beschäftigten. Neue Arbeitsformen in den digitalen Branchen, die aus Sicht der Linken oft nicht sozial abgesichert sind, betrachtet sie genauso mit Argwohn wie schlechte Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Pflegebereich.

Potenzial für Berlin sieht die Partei dennoch in der Digital-, Medien- und Kreativwirtschaft. Allerdings müsse deren Wachstum so gesteuert werden, dass unter anderem Klimaziele erreicht würden. Fördergelder will die Partei gezielt einsetzen - und beispielsweise nur noch Unternehmen öffentlich fördern, die nach einschlägigen Tarifverträgen oder, wenn es in der Branche keine gibt, zumindest den Landesmindestlohn von 12,50 Euro zahlen.

Einen weiteren Steuerhebel sieht die Linke in der Idee einer landeseigenen Berliner Industrie-Holding. Über diese solle sich Berlin an Unternehmen beteiligen, die in der Corona-Krise in Schwierigkeiten geraten sind. Von den Beteiligungen verspricht sich die Partei wiederum, künftig Einfluss auf die Firmen auszuüben, um beispielsweise die betriebliche Mitbestimmung von Beschäftigten und die Tarifbindung voranzutreiben.

Grüne

Grüne: Testballon bedingungsloses Grundeinkommen

Kernzitat: "Wir setzen auf alternative Wirtschaftsmodelle, die Nachhaltigkeit und Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellen."

Die Grünen wollen bei einem Dauerbrenner der arbeitspolitischen Streitthemen Nägel mit Köpfen machen: Der Partei schwebt ein Pilotprojekt für ein bedingungsloses Grundeinkommen in Berlin vor, entwickelt in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen. Damit machen die Grünen einen Schritt weg vom Modellprojekt des "solidarischen Grundeinkommens", das in Berlin bereits getestet wird und vor allem ein Steckenpferd des aktuellen Koalitionspartners SPD ist.

Diese Abgrenzung wird auch darin sichtbar, dass die Grünen andere Schwerpunkte gegen Langzeitarbeitslosigkeit setzen: So fordern sie einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt, der aber durch das Teilhabechancengesetz des Bundes finanziert werden soll - ergänzt durch ein neues "Berliner Perspektiven Programm für Langzeitarbeitslose", das die Partei zusätzlich ins Leben rufen will.

Einen weiteren Fokus legen die Grünen auf eine bessere Förderung von Alleinerziehenden. Auch Frauen verspricht die Partei in ihrem Programm gezieltere Unterstützung, unter anderem durch mehr Kinderbetreuungsplätze. Grundsätzlich sprechen sich die Grünen in allen Arbeitsbereichen für faire und sichere Arbeitsbedingungen aus. Konkret fordern sie im Bereich der Kultur höhere Mindesthonorare.

AfD

AfD: Große Visionen, wenig Details

Kernzitat: "Berlin braucht ein neues Wirtschaftswunder."

Der AfD schwebt Großes vor: Der Wirtschaftsstandort Berlin soll "im Vergleich der Metropolen der Welt wieder vorne mitmischen". Statt "schlechte bezahlte Dienstleister und kleine Start-ups" sollen deutsche, europäische und internationale Technologie-Unternehmen aus Zukunftsbranchen nach Berlin geholt werden.

Grundsätzlich wünscht sich die AfD eine "Willkommenspolitik" für Investoren. Das heißt aus ihrer Sicht vor allem: Bürokratie abbauen. Viel konkreter wird die Partei im Programm nicht. Weil die AfD aber auch die Partei des Mittelstands und der Handwerker sein will, fordert sie eine Investitions-Offensive der öffentlichen Hand. Wenn Schulen, Straßen oder der ÖPNV modernisiert werden, soll die Stadt diese Aufträge bevorzugt an kleine und mittelständische Unternehmen aus Berlin vergeben.

Gegen den Fachkräftemangel im Handwerk empfiehlt die AfD unter anderem ein höheres Meister-Bafög und eine Meister-Gründungsprämie. Zahlen dazu nennt sie nicht. Vorgehen will die AfD außerdem gegen zu viel Sozialstaat. Eine "Sozialstaatsbremse" soll dafür sorgen, dass – analog zur Schuldenbremse – die sozialen Leistungen nicht weiter ausgebaut werden. Als Grund nennt die AfD, sie wolle die „"bgabenlast" für die Zahlenden und künftige Generationen begrenzen.

Zudem fordert die Partei eine Reform der Jobcenter sowie eine "Qualifikationsoffensive", um Menschen für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen. Details zu beidem: Fehlanzeige.

FDP

FDP: Maximal unternehmensfreundlich

Kernzitat: "Wir wollen die schöpferischen und produktiven Potenziale in Berlin entfesseln und von bürokratischen Hemmnissen befreien."

Mit einem zuvorkommenden wirtschaftlichen Klima will die FDP Unternehmen anlocken - damit Berlin eine Modellregion für digitale Gesundheits-Apps und Telemedizin wird. Um neue Technologien wie selbstfahrende Autos zu erproben, wollen die Liberalen zeitweise Gesetze außer Kraft setzen.

Gründern will die Partei das Leben erleichtern: mit einem "bürokratielosen ersten Jahr", in dem weniger Vorschriften gelten. Zudem verspricht die FDP ein "Startup-Stipendium", das 1.000 Gründerinnen und Gründer ein Jahr lang mit 1.000 Euro monatlich fördern würde.

Damit genug Fachkräfte nach Berlin kommen, schlagen die Liberalen ein Belohnungssystem vor: Wer eine dringend benötigte Fachkraft vermittelt, soll eine "Bring a friend"-Prämie bekommen. Wer diese Prämie aber bezahlt und wie hoch sie sein soll, steht nicht im FDP-Programm.

Um Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten zu helfen, fordern die Freien Demokraten ein neues Bündnis aus Senat, Jobcenter und Zeitarbeitsunternehmen. Eine Beschäftigung in der Zeitarbeit könnte für die Betroffenen eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt sein, so die FDP. Außerdem wollen die Freien Demokraten die Selbstständigkeit im Handwerk fördern, indem das Land Berlin künftig Meisterprüfungen bezahlt.

Hinweis: Die Reihenfolge der Parteien richtet sich nach dem Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2016: SPD 21,6 Prozent; CDU 17,6 Prozent; Linke 15,6 Prozent; Grüne 15,2 Prozent; AfD 14,2 Prozent; FDP 6,7 Prozent

Sendung: Inforadio, 02.07.2021, 6 Uhr

Beitrag von Tobias Schmutzler und Sabine Müller

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