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Audio: rbb24 | 28.11.2022 | Jan Menzel | Quelle: dpa/Christoph Söder

Wiederholungswahl in Berlin

Wenn Kandidaten nicht mehr kandidieren

Die Berlin-Wahl muss noch einmal stattfinden. Das ist komplizierter als man denkt. Etliche Kandidaten, die vor gut einem Jahr angetreten sind, wollen oder können nicht mehr. Wer soll nun auf dem Stimmzettel stehen? Von Jan Menzel

Immerhin kann Bernd Schlömer noch schmunzeln. "Es ist ein kleines Kuriosum", sagt der FDP-Politiker, der sich gemeinsam mit den anderen Kandidatinnen und Kandidaten wie in einer Zeitschleife fühlen darf. Der Abgeordnete Schlömer war von der FDP im Frühjahr 2021 als Kandidat für die Abgeordnetenhauswahl in Friedrichshain-Kreuzberg aufgestellt worden. Doch dann kam ein verlockendes Angebot dazwischen: Die Parteifreunde aus Sachsen-Anhalt wollten ihn haben. Schlömer wollte auch und wurde Staatssekretär in Magdeburg.

Dem Berliner Abgeordnetenhaus gehört Schlömer seit der vergangenen Wahl nicht mehr an. Er wohnt auch nicht mehr in Berlin und will auch gar nicht zurückkehren. "Und jetzt stehe ich wieder zur Wahl. Das ist wie ein kleines Flämmchen, das immer wieder aufglüht, obwohl das Leben schon längst weitergegangen ist", schmunzelt der Liberale und ehemalige Chef der Piratenpartei. Wiederholungswahl bedeutet eben Wiederholungswahl und zwar nach Möglichkeit 1 zu 1.

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Remlinger will nicht gezwungen werden

In einem ganz ähnlichen Dilemma steckt die Grünen-Politikerin Stefanie Remlinger. Sie kandidierte bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Pankow, verpasste aber den Einzug ins Landesparlament. Remlinger orientierte sich daraufhin neu und wurde zunächst Stadträtin im Bezirk Mitte. Inzwischen ist die 52-Jährige dort sogar zur Bezirksbürgermeisterin aufgestiegen und das möchte sie auch bleiben.

"Ich habe nicht vor, noch mal ins Abgeordnetenhaus einzuziehen und ich will auch nicht für das Abgeordnetenhaus kandidieren", erklärt Remlinger in einer Mischung aus Frust und Verzweiflung. Das habe sie dem Landeswahlleiter in einem Brief auch so mitgeteilt und sich dabei die persönliche Bemerkung gestattet, "dass ich das fast wie einen Verstoß gegen meine Freiheitsrechte empfinde, wenn ich gezwungen wäre, offiziell noch mal in Pankow zu kandidieren."

Countdown für den Landeswahlleiter

Bei der Linkspartei wiederum sorgt der Fall der Abgeordneten Stefanie Fuchs aus Treptow-Köpenick für Kopfzerbrechen. Fuchs hatte Anfang des Monats erklärt, dass sie der Politik aus persönlichen Gründen den Rücken kehren möchte. Ihr Name würde bei einer originalgetreuen Wiederholungswahl ebenfalls wieder auf den Wahlzetteln landen. Wer ein Kreuz für Fuchs machen würde, hätte seine Stimme praktisch verschenkt.

Lösen - und zwar im Eiltempo - muss diese Probleme der neue Landeswahlleiter Stephan Bröchler. Erst seit Kurzen hat er sein schmales und karges Büro in der Innenverwaltung bezogen. "Die Landeswahlleitung arbeitet auf Hochtouren", versichert der Verwaltungswissenschaftler und meint damit auch die Vorbereitungen für die Stimmzettel. Sie sollen am 30. November fertig sein und dann an die Druckerei gehen. Bis dahin muss also spätestens klar sein, was mit Kandidaten wie Fuchs, Remlinger und Schlömer passiert.

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Niemand wird gestrichen

"Es wird keine Streichungen geben", stellt Bröchler gegenüber dem rbb nun klar. Ganz zu Anfang der Diskussion sei zwar mal erwogen worden, Kandidaten, die nicht mehr zur Verfügung stehen, auf den Stimmzetteln durchzustreichen. Dann hätte man in dem jeweiligen Wahllokal Aushänge machen müssen, wer anstelle der Durchgestrichen antritt. "Aber das hätte die Bürgerinnen und Bürger nur verwirrt", ist der Landeswahlleiter überzeugt.

Stattdessen sollen auf den Stimmzetteln, die die Briefwähler zugeschickt bekommen und die am Wahltag in den Wahllokalen liegen, von Anfang an die richtigen Kandidaten-Namen stehen. "Wenn jemand weggezogen ist, dann rückt der oder die nächste von der Bezirks- und Landesliste nach", erklärt der Landeswahlleiter. Das gleiche Verfahren käme auch zur Anwendung, wenn Kandidierende zwischenzeitlich verstorben sind.

Komplizierter als bei den Listenkandidaten der Parteien, ist es bei den Direktkandidaten in den Wahlkreisen, die mit der Erststimme gewählt werden. Hier gibt es keine "natürlichen" Nachrücker, weil es für die Wahlkreise keine Listen gibt. Jede Partei nominiert für jeden Wahlkreis nur einen Direktkandidaten. Stephan Bröchler und die Landeswahlleitung haben dafür aber auch eine Lösung gefunden, bei der sie auf die Listen der Parteien zurückgreifen.

Neue Namen, alte Bekannte

Im Fall der Grünen-Politikerin Remlinger sieht das dann so aus: "Wenn sie verzichtet, anzutreten, dann rückt quasi ein Kandidat oder eine Kandidatin nach, so lange die Listen reichen", erläutert Bröchler. Allerdings gibt es einen entscheidenden Zusatz: Auf den Listen der Parteien für die Zweitstimmen stehen immer auch Direktkandidaten, die gleichzeitig um die Erststimme in einem Wahlkreis kämpfen.

Wer aber schon einen Direktwahlkreis hat, kann keinen zweiten bekommen. Auf der Parteienliste kommt daher der oder die erste Kandidatin ohne Direktwahlkreis zum Zuge. Wer das im Fall von Stefanie Remlinger sein wird, konnten die Grünen noch nicht sagen. Bei den Linken ist dagegen schon klar, dass als Ersatz für Stefanie Fuchs mit der Dragqueen Gloria Viagra eine schillernde Persönlichkeit ins Rennen geht.

Die Linken haben noch eine weitere Überraschung im Ärmel: Der ehemalige Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel war bei der vergangenen Wahl ins Abgeordnetenhaus gewählt worden, trat sein Mandat aber nicht an. Nach einem Jahr Politik-Pause steht Scheel vor einem Comeback. Nach Informationen des rbb will er erneut kandidieren.

Keine Veränderungen bei SPD und CDU

Auch die AFD hat mehrere Direktkandidaten in den Bezirken Mitte, Reinickendorf und Tempelhof, die bei der Wiederholungswahl nicht wieder dabei sein werden. Man habe aber noch keinen "abschließenden Überblick", so ein Parteisprecher gegenüber dem rbb.

Von der CDU heißt es, dass es bei ihr keine Änderungen geben wird. Bei der SPD gibt es mindestens zwei Fälle: Marzahn-Hellersdorfs Bezirksbürgermeister Gordon Lemm und Mittes Bildungsstadträtin Maja Lasic.

Bernd Schlömer von der FDP kann die Wahl entspannt von Sachsen-Anhalt aus verfolgen. Auch in seinem Fall wird jemand nachrücken, wobei die FDP in seinem alten Wahlkreis in Friedrichshain-Kreuzberg wohl kaum eine realistische Chance auf das Direktmandat haben dürfte.

 

Sendung: rbb24, 28.11.2022, 15:30 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

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