Berliner Linke nach Absage durch SPD
Die Linke war mit den Sondierungsgesprächen eigentlich zufrieden, das zeigt ihr Abschlussbericht, der dem rbb vorliegt. Nun aber steht sie vor dem Gang in die Opposition – und möglicherweise vor einem Umbruch. Von Sebastian Schöbel
Während die Berliner Grünen noch von Enttäuschung und Irritation sprechen, probieren die Linken schon mal Oppositionsjargon aus. "Sollte sich die SPD tatsächlich in eine Koalition mit der rückwärts gewandten CDU begeben", warnte Linken-Chefin Katina Schubert, "droht der Stadt ein sozialer wie gesellschaftlicher Rollback."
Die Aussage kam, nachdem die Linken – genauso wie die Grünen – von der Absage der SPD aus den Medien erfahren hatten. Die beiden verprellten Koalitionspartner reagierten sichtlich angefasst: Es sei eigentlich vereinbart worden, vor der Entscheidung noch einmal miteinander zu sprechen, heißt es auf rbb-Nachfrage sowohl aus dem grünen als auch dem linken Sondierungsteam. Nicht einmal die beiden Spitzenkandidaten seien von ihrer Noch-Senatskollegin Franziska Giffey persönlich informiert worden.
Stattdessen gab es zum Abschied eine Abrechnung: In ihrem Sondierungspapier lässt die SPD kaum ein gutes Haar an Grünen und Linken. R2G sei "derzeit kein gemeinsames dauerhaftes und belastbares Projekt", heißt es in dem Schriftstück. Den Linken attestiert das SPD-Sondierungsteam zwar eine "verbindliche Herangehensweise und Verabredungsfähigkeit der politischen Führung", doch die Partei stehe "vor einer Zerreißprobe", weil "zentrale Protagonist:innen aktiv an einer Spaltung der Partei" arbeiten würden. Wer gemeint ist, wissen die Berliner Linken genau: Das Lager um Sahra Wagenknecht und die Russlandpolitik. Das wertet man im Karl-Liebknecht-Haus als besonders gemeines Ablenkungsmanöver, schließlich hatten sich gerade die Berliner Linken früh und deutlich gegen Wagenknecht positioniert
Allerdings wirft die SPD den Linken auch vor, in der Berliner Landespolitik zum Problem zu werden: Die Sondierungen hätten gezeigt, "dass die Aufweichung von Beschlüssen und die Verzögerung von Prozessen, zum Beispiel bei der Wohnungsbauförderung oder bei Bebauungsplänen, sich nicht nur verstetigen, sondern verstärken werden". Auch das reißt alte Wunde auf: Die SPD hatte nach der Wahl 2021 den Linken das Bauressort wieder abgenommen, mit dem Argument, den Neubau vor dem wirtschaftsfeindlichen Koalitionspartner schützen zu müssen. Die Linken revanchierten sich, in dem sie zu den lautesten Kritikern von Giffeys Neubau-Versprechungen wurden – von der Regierungsbank aus. An SPD-Bausenator Andreas Geisel arbeiteten sich dann vor allem Linken-Politiker wie Katalin Gennburg und Niklas Schenker ab. Aus Geisels Umfeld hieß es in der Wahlnacht am 12. Februar, er habe sich im Bauausschuss manchmal wie in einem Untersuchungsausschuss gefühlt – wegen der Linken.
Im Sondierungspapier der Linken, welches dem rbb vorliegt, kommt all das wiederum gar nicht zur Sprache. Im Gegenteil: Auf zwei Seiten wird aufgelistet, worauf man sich geeinigt hatte. Trotz angespannter Haushaltslage sollen Bürgerinnen und Bürger weiter entlastet werden, in der Bildungspolitik setzt man weiter auf Schulbauoffensive und verstärkte Lehrkräfteausbildung, und das Neutralitätsgesetz werde schnell auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hin angepasst. Selbst beim vermeintlich größten Brocken, der Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen, wurde laut dem Papier eine Lösungsformel gefunden: Ausgehend von den Empfehlungen der Expertenkommission solle ein Weg erarbeitet werden, der "in mehreren Schritten zu einer rechtssicheren Vergesellschaftung von Wohnraum führen kann."
Für einige Fragen wurden offensichtlich keine Lösungen gefunden, sie wurden auf mögliche Koalitionsverhandlungen verschoben: wie man die von der SPD geforderten Fortsetzung des 29-Euro-Tickets finanzieren kann, oder wie ein rot-grün-roter Senat künftig besser im Team regieren kann, statt wie zuletzt Streit öfter gegeneinander. Den Vorwurf, die Grünen hätten dabei vor allem eine alles dominierende Regierende Bürgermeisterin Giffey einhegen wollen, werten die Linken als sozialdemokratische Nebelkerze: Es sei vielmehr darum gegangen, einander auch mal Erfolge zu gönnen, heißt es auf Nachfrage. Die Linken jedenfalls kommen in ihrem Sondierungsbericht zu dem Schluss, "dass alle drei Parteien "eine Präferenz für eine Weiterführung der rot-grün-roten Koalition haben".
Die SPD sieht das offenbar anders. Für die Linke steht damit die Rückkehr in die Opposition an – und möglicherweise eine Phase des Umbruchs. Denn während Klaus Lederer trotz des verpassten Direktmandats über die Landesliste ins Abgeordnetenhaus zurückkehrt, gilt das für Justizsenatorin Lena Kreck und Sozialsenatorin Katja Kipping nicht. Beide wurden erst nach der Wahl 2021 nach Berlin geholt und haben kein Mandat im Parlament. Kreck könnte in die Wissenschaft zurückkehren. Kipping hingegen hatte sich für den Senatsposten extra aus dem Bundestag verabschiedet. Ihre Zukunft wäre dann ungewiss.
Allerdings hat sich die gebürtige Dresdnerin vor allem in der Flüchtlingskrise Meriten erworben. Im Mai steht die nächste Wahl einer Parteiführung an – und der Parteitag im September votierte klar für eine Doppelspitze. Gut möglich, dass die 45-jährige Kipping dann noch einmal eine Rolle spielen wird.
Beitrag von Sebastian Schöbel
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