Studie der Otto-Brenner-Stiftung
Es ist kompliziert: 16- und 17-Jährige dürfen in Berlin die Bezirksparlamente mitwählen, das Abgeordnetenhaus aber nicht. Einige verpassen daher die Chance zur Stimmabgabe. Andere, die ihre Wahlrecht kennen, sind von der Ungleichbehandlung enttäuscht.
Unterschiedliche Altersgrenzen bei Wahlen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene führen bei jungen Menschen zu einer erheblichen Verunsicherung, ob sie teilnehmen dürfen oder nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung.
Besonders deutlich sei dies im September 2021 am Superwahltag in Berlin geworden, wo zeitgleich auf allen drei Ebenen - Bundestag, Abgeordnetenhaus, Bezirksverordnetenversammlungen - gewählt wurde, heißt es. Bundestag und AGH durfte wählen, wer über 18 Jahren alt war. Für die BVV-Wahl galt die Altersgrenze von 16 Jahren.
Die Befunde zeigten, dass rund zehn Prozent der 16- und 17-Jährigen nicht von ihrer Wahlberechtigung für die Kommunalwahl gewusst hätten. Gleichzeitig gab der Studie zufolge ein nicht unerheblicher Teil der minderjährigen Berliner bei einer Befragung fälschlicherweise an, bei der Bundestagswahl wahlberechtigt zu sein. Neben zahlreicher anderer Pannen kam es in Berlin 2021 bei der AGH- und Bundestags-Wahl 2021 auch zu Stimmenabgaben von Minderjährigen.
"Wir sehen, dass der Flickenteppich aus Wahlaltersgrenzen zu erheblichen Fehlwahrnehmungen unter jungen Menschen geführt hat", sagte der Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der FU Berlin, als einer der Autoren der Studie. Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass junge Menschen aus unteren Schichten ihre Wahlberechtigung häufiger falsch wahrnähmen als andere.
Die befragten jungen Berlinerinnen und Berliner ab 18 Jahren gaben zudem an, sie freuten sich am meisten über die Berechtigung zur Teilnahme an der Bundestagswahl und weniger über die Möglichkeit, die Kommunalvertretungen mitzuwählen. Bei den minderjährigen Befragten fiel die Begeisterung über die Wahlberechtigung auf kommunaler Ebene moderat aus, der Ärger über die Nichtzulassung zur Bundestagswahl dagegen größer.
"Mit anderen Worten: Nur bei Kommunal- oder Landtagswahlen wählen zu dürfen, holt junge Menschen emotional nicht wirklich ab, führt ihnen aber vor Augen, dass sie bei den wichtigen Wahlen noch nicht dabei sein dürfen", heißt es in der Studie.
Die Befragungen waren nach der Wahl 2021 durchgeführt worden. In Berlin beteiligten sich nach Angaben der Otto-Brenner-Stiftung 5.105 Menschen im Alter zwischen 15 und 20 Jahren daran. In Brandenburg waren es 1.230. Die Otto-Brenner-Stiftung ist die Wissenschaftsstiftung der Gewerkschaft IG Metall.
In elf Bundesländern dürfen inzwischen auch 16- und 17-Jährige die Kommunalparlamente mitwählen, in sechs Ländern auch die Landtage. Auch für die nächste Europawahl 2024 wird in Deutschland das Wahlalter 16 gelten. Das hat der Bundestag im November beschlossen.
In Berlin dürfen 16-Jährige aktuell nur bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen mitwählen. Die rot-grün-rote Koalition will dies aber ändern und Minderjährige auch zu den Wahlen zum Abgeordnetenhaus zulassen. Dies gilt aber noch nicht für die Wiederholungswahl am 12. Februar 2023. Hier darf bei der AGH-Wahl nur mitmachen, wer spätestens am Tag der Wiederholungs-Wahl das 18. Lebensjahr vollendet hat.
In Brandenburg können sich Jugendliche ab 16 Jahren an Kommunal- und auch Landtagswahlen sowie Volksbegehren beteiligen.
Für Bundestagswahlen gilt dagegen weiter die Altersgrenze 18 Jahre. Zwar würden die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP diese gern auf 16 Jahre senken, doch die Union lehnt dies ab. Ihre Zustimmung wäre jedoch nötig, weil für eine Änderung des Wahlalters das Grundgesetz geändert werden müsste.
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