Berlin-Wahl und das Nachbarland
S-Bahn-Linien, Mietpreise, Energieversorgung: Es gibt viele Themen, die Berlin und Brandenburg verbinden. Doch eine gemeinsame Strategie fehlte zuletzt oft. Die Berlin-Wahl könnte auch für Brandenburg Weichen stellen. Von Amelie Ernst
"Zusammen schaffen wir das", das war die Botschaft, die die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und der Brandenburger Ministerpräsident und SPD-Chef Dietmar Woidke vor einigen Tagen bei einer gemeinsamen Wahlkampftour verbreiten wollten. Zusammen kämpfen sie für eine Verlängerung der U-Bahnlinie 7 von Rudow weiter zum Flughafen BER in Schönefeld. Dabei hofft man gemeinsam auf Geld vom Bund: Berlin-Brandenburg sei schließlich die am stärksten wachsende Region in ganz Deutschland, so Giffey. Und da seien auch entsprechende Verkehrsanbindungen wichtig.
Doch selbst wenn der Bund, wie von Giffey und Woidke erhofft, den Großteil der Kosten für die U-Bahn-Verlängerung übernehmen würde, kämen noch etwa 90 Millionen Euro auf die Länder zu – das meiste davon auf Brandenburg und den Landkreis Dahme-Spreewald. Denn der Großteil der Strecke befindet sich auf Brandenburger Gebiet. Doch profitieren würden laut Analyse vor allem Berlinerinnen und Berliner von der U-Bahn-Anbindung an den Flughafen.
Allzu oft sprechen bei Nutzen-Kosten-Analysen die Zahlen für Berlin, denn hier wohnen schlicht mehr Menschen, deren Bedürfnisse dann auch bei Verkehrs- und anderen Projekten in den Vordergrund rücken. Selbst boomende Brandenburger Orte wie Falkensee westlich von Berlin, Velten im Norden und Rangsdorf im Berliner Süden bekommen – Stand jetzt – keinen S-Bahn-Anschluss. Es lohnt sich nicht, zumindest nicht nach den aktuellen Kriterien der Nutzen-Kosten-Untersuchungen (NKU). Linke und BVB/Freie Wähler im Brandenburger Landtag fordern deshalb, dass die bisherigen Kriterien auf den Prüfstand gestellt werden. Denn nur wenn die KNU positiv ausfallen, fließen auch Bundesmittel.
Das Beispiel der S- und U-Bahn-Verbindungen zeigt, wie eng Berlin und Brandenburg politisch verzahnt sind, und wie sehr man vom Wohlwollen der jeweils anderen Landesregierung abhängig ist. Ohne Unterstützung aus Brandenburg keine U-Bahn-Verlängerung – und ohne Unterstützung aus Berlin nicht ausreichend medizinische Angebote für die Brandenburger:innen. Außerdem bietet Brandenburg denen Platz, die in Berlin keinen (mehr) finden: Denn in Brandenburg gibt es noch Freiräume, um sich zu entfalten, und zumindest in vielen Regionen noch bezahlbare Miet- und Immobilienpreise.
So wie in Wiesenburg/Mark (Landkreis Potsdam-Mittelmark): Aus einem alten Sägewerk wird dort das sogenannte KO-Dorf. Ein Ort, an dem Menschen gemeinsam arbeiten und wohnen sollen. Hier sei es so wie Berlin früher einmal war, sagt Wiesenburgs Bürgermeister Marco Beckendorf (Linke). "Arm und sexy. Das gilt jetzt eher für Wiesenburg."
Boomtown Wiesenburg – damit diese Vision wahr wird, setzt Bürgermeister Beckendorf auch auf die Berliner Politik. Die brauche einen weiten Horizont, wenn es in der Großstadt immer enger und teurer werde. "Die Leute wollen nicht an den Stadtrand verdrängt werden, sondern an Orte, an denen sie glücklich sind." Dass diese Orte in Brandenburg liegen, das versteht sich für Beckendorf von selbst.
Im Landtag findet man, dass sich das in der Berliner Politik noch nicht überall herumgesprochen hat – trotz gemeinsamer Landesplanung und der neu eingerichteten Konferenz der beiden Länderparlamente. Man müsse die Region gemeinsam denken, sagt die CDU-Abgeordnete Nicole Walter-Mundt. "Das ist der wesentliche Punkt. Und den vermisse ich immer wieder." So gibt es zwar eine gemeinsame Krankenhausplanung – einen gemeinsamen Landesnahverkehrsplan dagegen nicht.
Es ist nicht lange her, dass Berlin und Brandenburg bei Themen wie den Corona-Regeln oder dem 29 Euro-Ticket getrennte Wege gingen. Brandenburg wartet ab, Berlin prescht voraus – dieser Eindruck drängte sich zuletzt oft auf. Ob und das so bleibt, das hängt auch ab vom Ergebnis der Berlin-Wahl und dem künftigen Berliner Senat.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.02.2023, 14:50 Uhr
Beitrag von Amelie Ernst
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