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Audio: rbb24 Inforadio | 25.02.2023 | Thorsten Gabriel | Quelle: IMAGO/Felix Zahn

Franziska Giffey nach der Berlin-Wahl

Schicksalstage einer Regierenden

Die Zukunft von Franziska Giffey hängt an ein paar Dutzend Stimmen. Regierende Bürgermeisterin kann sie nur bleiben, wenn die SPD am Ende weiter vor den Grünen liegt. Wenn nicht, könnte ihre steile politische Karriere zu Ende sein. Von Jan Menzel

Sie macht das, was eine Regierende Bürgermeisterin nach einer Wahl machen muss. Franziska Giffey regiert, repräsentiert und sondiert. Siebeneinhalb Stunden sitzt sie mit den alten und vielleicht neuen Koalitionspartnern Grüne und Linke zusammen. Kaum kürzer fällt die Runde mit der CDU aus. Am Abend steht die Regierende auf dem Roten Teppich der Berlinale. Ach ja, und der Senat tagt auch noch und dann gibt es den Gipfel gegen Jugendgewalt.

Die Regierende im Schwebezustand

Politik ist schon in normalen Zeiten ein Knochenjob. In Wahlkampfzeiten und danach gilt das noch einmal mehr, zumal wenn so viel Unsicherheit herrscht.

Fast zwei Wochen nach der denkwürdigen Wiederholungswahl ist noch nicht entschieden, wer mit wem die Stadt regiert und was aus der Frau im Roten Rathaus wird. "Wir sondieren ergebnisoffen", beschreibt Franziska Giffey den Schwebezustand. Genauso offen wie die Koalitionsfrage ist zur Zeit aber auch das genaue Ergebnis dieser Wahl und damit ist eben auch offen, was aus ihr wird.

Koalitionsgespräche nach Berlin-Wahl

Berliner SPD will mit Linken und Grünen am Donnerstag weitersondieren

Beim ihrem ersten Sondierungstreffen haben SPD, Grüne und Linke laut Berlins Regierender Bürgermeisterin Giffey über das Wahlergebnis und mögliche Veränderungen in der Zusammenarbeit diskutiert. Der nächste Gesprächstermin steht bereits fest.

Wenn der Landeswahlleiter am Montag das amtliche Endergebnis feststellt und bekannt gibt, geht es für die ehemalige Bürgermeisterin von Neukölln, die frühere Bundesfamilienministerin und amtierende Regierende Bürgermeisterin politisch um alles oder nichts. Denn sollten die Sozialdemokraten nach über 20 Jahren das Rote Rathaus verlieren oder sollte gar die Oppositionsrolle winken, werden in der Partei Dämme brechen, die bislang gehalten haben.

Weit abgeschlagen hinter dem Wahlsieger

Die Auszählung zunächst "vergessener" Stimmen im Bezirk Lichtenberg hat gezeigt, wie knapp die Ergebnisse vielerorts sind. Nur eine Handvoll Stimmen kann den Ausschlag geben, wer ein Direktmandat gewinnt. Wenn sich hier etwas verändert, kommt automatisch die gesamte Mechanik der Überhang- und Ausgleichsmandate in Bewegung. Berlinweit liegt die SPD ohnehin nur knapp 100 Stimmen vor den Grünen auf Platz Zwei, weit abgeschlagen hinter dem Wahlsieger CDU.

Das beste Szenario für Giffey wäre, dass sich an dieser Reihenfolge auch mit dem amtlichen Endergebnis nichts ändert. So könnte Giffey ihren Anspruch auf das Amt der Regierenden Bürgermeisterin weiter aufrechterhalten. "Ich bin gekommen, um zu bleiben", hat Giffey im Wahlkampf gesagt. Wer sie beobachtet, könnte durchaus auf die Idee kommen, dass hier eine ihren Traumjob gefunden hat. Giffey müsste dafür die rot-grün-rote Koalition fortsetzen, auch wenn die nicht ihr Herzens-Bündnis ist.

Berlin-Wahl

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Zunächst vergessene Wahlbriefe, dann ein Patt zwischen zwei Kandidaten - und jetzt ein neues Ergebnis: Der CDU-Kandidat hat mit zehn Stimmen Vorsprung gewonnen, wie am Montag mitgeteilt wurde. Doch das letzte Wort ist wohl noch nicht gesprochen.

Kann Giffey auch Juniorpartner?

Ganz anders wäre die Lage, wenn Giffey und die SPD sich am Ende mit dem dritten Platz begnügen müssten. Dann käme einiges, wenn nicht alles ins Rutschen. Rot-Grün-Rot könnte in so einem Fall als Grün-Rot-Rot weitermachen. Entsprechend den politischen Gepflogenheiten stünde den Grünen als stärkste Kraft das Rote Rathaus zu. Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hatte es im Wahlkampf darauf angelegt und provokant die Frage in den Raum gestellt: "Kann die SPD auch Juniorpartner?"

Noch spannender ist allerdings die Frage, ob Giffey bereit wäre, in die Rolle des Juniorpartners unter einer Regierenden Bürgermeisterin Bettina Jarasch zu schlüpfen. Einiges spricht dafür, dass das nicht ihrem Verständnis entsprechen würde. Zumal sie und die grüne Mobilitätssenatorin sich im Wahlkampf nichts geschenkt haben. Freundinnen waren beide ohnehin nie. Als Politikerinnen verkörpern sie dann doch sehr unterschiedliche Typen.

Eine Kettenreaktion in der SPD, wenn...

Eher vorstellbar scheint da, dass Giffey sich für ein Super-Senatorinnen-Amt unter einem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner erwärmen könnte. Politisch gäbe es in dieser Konstellation durchaus einige Schnittmengen: Sowohl Giffey als auch Wegner halten nichts davon, den Autoverkehr deutlich zu reduzieren. Beide sind sich einig, dass die Enteignung großer Wohnungskonzerne der falsche Weg ist. Doch auch wenn Schwarz-Rot für Franziska Giffey politisch und persönlich eine Option sein könnte, die Berliner SPD wird sich nur schwer in diese ungeliebteste aller möglichen Konstellationen zwingen lassen. Eher droht bei einem möglichen Verlust des Roten Rathauses und insbesondere bei einem Abbiegen in Richtung Große Koalition eine Kettenreaktion in der Partei.

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Auffällig ist, dass in der sonst stets diskussionsfreudigen Berliner SPD nach der historischen Wahlschlappe gespannte Stille herrscht. Der Kreischef von Charlottenburg-Wilmersdorf Kian Niroomand wagte sich kurz mit der Forderung nach einem "Neuanfang" aus der Deckung. Niroomand wurde aber prompt wieder von der Parteispitze eingefangen. Ein Altvorderer der SPD sinnierte darüber, ob es nicht besser wäre, sich nach diesem Wahlergebnis in der Opposition zu erneuern. Breite öffentliche Unterstützung dafür oder gar Aufruhr gibt es in der Partei nicht.

Bislang keine Äußerungen über möglche Alternativen

"Wir wollen Ruhe, damit es zu einer Wiederauflage des rot-grün-roten Bündnisses kommt", sagt einer, der sich mit der Parteiseele und dem Machgefüge gut auskennt und nicht zu den Unterstützern der Landesvorsitzenden und Regierenden Bürgermeisterin zählt. Umgekehrt bedeutet das: Wenn Franziska Giffey den Weg Richtung CDU einschlagen sollte oder die SPD in die Opposition gehen müsste, wäre es mit der Ruhe schlagartig vorbei. Konflikte, die jetzt mühsam unter dem Teppich gehalten werden, würden offen ausbrechen.

Franziska Giffey selbst hat sich nie dazu geäußert, was sie machen würde, wenn sie nicht weiter als Regierende Bürgermeisterin arbeiten könnte. "Ach wissen Sie, damit beschäftige ich mich nicht", hat sie im Wahlkampf stets gesagt. Das ist typisch Giffey: Optimistisch bleiben und das Ziel Rotes Rathaus fest im Blick behalten. Kommt es aber doch anders, würden etwa die Grünen an der SPD vorbei ein Bündnis mit der CDU schmieden, dürften Giffeys Tage als Landesvorsitzende der Berliner SPD gezählt sein.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.02.2023, 17:20 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

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