Abgeordnetenhaus und Bezirke
Am Mittwoch will das Verfassungsgericht des Landes bekanntgeben, ob die Wahl zum Abgeordnetenhaus in den kommenden 90 Tagen wiederholt werden muss. Die Berliner Entscheidung muss aber noch nicht die letzte sein.
Mehr als ein Jahr nach der von Pannen geprägten Abgeordnetenhauswahl in Berlin will der Verfassungsgerichtshof des Landes am Mittwoch seine Entscheidung über eine Wahlwiederholung verkünden.
In der mündlichen Verhandlung Ende September ließ Gerichtspräsidentin Ludgera Selting bereits erkennen, dass das Gericht dazu neigt, die Wahl für ungültig zu erklären. Ob es bei der Berliner Entscheidung bleibt, ist allerdings noch offen - möglicherweise könnte auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe noch eine Rolle spielen.
Am 26. September 2021 fanden in der Hauptstadt gleichzeitig die Wahlen zum Bundestag, zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksversammlungen statt. Dabei kam es zu zahlreichen Pannen: Stimmzettel fehlten, Wahllokale wurden vorübergehend geschlossen oder blieben länger geöffnet, vor vielen bildeten sich lange Schlangen. Beim Verfassungsgerichtshof gingen deshalb zahlreiche Beschwerden gegen das Wahlergebnis ein.
Je nach unterstelltem Wahlfehler war dies nur unter anderem betroffenen Abgeordneten und Kandidaten, den Wahlleitungen, der Senatsinnenverwaltung und Parteien möglich. Insgesamt gingen laut Gericht 35 Einwände ein. Die neun Richterinnen und Richter befassten sich bei der öffentlichen Verhandlung im September aber nur mit vier davon - jenen von der Landeswahlleitung, der Senatsinnenverwaltung sowie von AfD und Die Partei. Als Grund wurde genannt, dass diese geeignet seien, "alle relevanten Fragen im Zusammenhang mit dem Wahlgeschehen abzudecken".
In der Verhandlung fand die Gerichtspräsidentin deutliche Worte: Es habe "eine Vielzahl von Wahlfehlern" gegeben, die auch mandatsrelevant gewesen seien, sagte Selting in einer ersten rechtlichen Einschätzung. Die Fehler hatten demnach Einfluss auf die Sitzverteilung im Parlament.
Bei den bekannten Wahlfehlern handle es sich zudem "nur um die Spitze des Eisbergs". Selting zufolge sollten deshalb sowohl die Wahlen zum Abgeordnetenhaus als auch den Bezirksverordnetenversammlungen vollständig wiederholt werden.
Die Volksvertretungen auf Bezirksebene waren ebenfalls neu gewählt worden. Eine Entscheidung will das oberste Gericht der Hauptstadt nun am Mittwoch verkünden. Bleiben die Richterinnen und Richter bei ihrem Standpunkt, wäre es erst das zweite Mal seit Gründung der Bundesrepublik, dass ein Gericht eine Landtagswahl für ungültig erklärt. Das erste Mal passierte dies 1991 in Hamburg, weil bei der Kandidatenaufstellung der CDU gegen Wahlrechtsgrundsätze verstoßen worden war.
Eine Wahlwiederholung - in Gänze oder in einzelnen Wahlkreisen - müsste dann eigentlich innerhalb von 90 Tagen stattfinden. Auch die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts würde daran sehr wahrscheinlich nichts ändern. Eine Verfassungsbeschwerde hätte laut einem Sprecher des Karlsruher Gerichts "keine aufschiebende Wirkung". Wie sich Eilanträge auswirken könnten, sei schwer vorauszusehen. Berlins neuer Wahlleiter Stephan Bröchler sagte dem "Spiegel" bereits im Oktober, dass er sich auf einen Termin Mitte Februar vorbereite.
Ob einige Berlinerinnen und Berliner dann auch für den Bundestag neu abstimmen dürfen, ist unklar. Der Bundestag sprach sich zwar am Donnerstag für eine Teilwiederholung der Bundestagswahl in der Hauptstadt aus. In insgesamt 431 Abstimmungsbezirken soll erneut gewählt werden. Da jedoch das Bundesverfassungsgericht gegen den Beschluss angerufen werden kann, könnte es hier auch erst 2024 einen Wahltermin geben.
Sendung: rbb24 Abendschau, 15.11.2022, 19:30 Uhr
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