Zweimal ohne erforderliche Mehrheit
Erst im dritten Anlauf haben die Berliner Abgeordneten Kai Wegner zum neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt. In zwei Wahlgängen hatte der CDU-Kandidat zuvor die erforderliche Mehrheit verfehlt.
In einem mehrstündigen Wahlkrimi hat das Berliner Abgeordnetenhaus erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder einen CDU-Politiker zum Regierenden Bürgermeister gewählt. Der 50-jährige Kai Wegner bekam am Donnerstag erst im dritten Wahlgang ausreichend Stimmen, um die Nachfolge von Franziska Giffey anzutreten.
Er erhielt in der geheimen Abstimmung 86 Ja-Stimmen, genau so viele, wie die Koalitionspartner CDU und SPD zusammen an Abgeordneten haben. 70 Abgeordnete stimmten im dritten Wahlgang gegen Wegner. Wegner nahm die Wahl an.
Nach der Wahl wurde die Amtsübergabe im Roten Rathaus vollzogen. Dort wurden auch die neuen zehn Senatorinnen und Senatoren ernannt und anschließend im Abgeordnetenhaus vereidigt. Wegner ernannte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey zur Bürgermeisterin und Finanzsenator Stefan Evers zum Bürgermeister.
Anschließend traf sich der neue Senat zu seiner konstituierenden Sitzung im Roten Rathaus. CDU und SPD stellen künftig jeweils fünf Senatorinnen und Senatoren.
In den ersten beiden Wahlgängen war Wegner gescheitert. Er bekam zunächst 71 Ja-Stimmen, im zweiten Anlauf 79 Stimmen. Für die ersten beiden Wahlgänge war eine absolute Mehrheit von 80 Stimmen nötig. Die neue Berliner Koalition aus CDU und SPD verfügt über 86 Stimmen und die Opposition aus Grünen, Linken und AfD über 73.
Nach Ende des zweiten Wahlgangs hatten die Fraktionen von Bündnis 90/Grünen und Linken die Einberufung des Ältestenrates beantragt. Einen dritten Wahlgang habe es noch nie in Berlin gegeben, hieß es von der Linken zur Begründung, deshalb müssten offene rechtliche Fragen geklärt werden. Die Sitzung wurde deshalb für eine halbe Stunde unterbrochen.
Für Diskussionen sorgte eine Ankündigung der AfD, im dritten Durchgang der geheimen Wahl für Wegner zu stimmen.
Der neue Regierende Bürgermeister, Kai Wegner, sagte im rbb, er glaube nicht, dass er Stimmen aus der AfD-Fraktion erhalten habe. "Wir hatten 86 Stimmen, das ist genau die Koalitionsmehrheit", so Wegner. "Ich glaube, dass die AfD hier chaotisieren will, sie will das nutzen, weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass die AfD einen Regierenden Bürgermeister wählt, der die größte AfD-Jägerin aus ganz Deutschland nach Berlin holt."
Damit spielte Wegener auf die Berufung der neuen Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für die CDU) an, die sich zuvor als stellvertretende Chefin des Bundesamtes für Verfassungsschutz für eine Beobachtung der AfD durch die Behörde ausgesprochen hatte.
Politiker von CDU und SPD hatten sich nach dem zweimaligen Scheitern Wegners gegenseitig die Schuld für das Wahl-Debakel zugewiesen. In der SPD gibt es Vorbehalte gegen eine schwarz-rote Koalition. Denn mehrere Kreisverbände, die SPD-Jugendorganisation Jusos und Gewerkschaften hatten gegen die Koalition mit der CDU mobil gemacht.
Die Berliner CDU hatte sich einstimmig für ein gemeinsames Bündnis mit der SPD entschieden. Bei einem CDU-Parteitag war der Koalitionsvertrag ohne Gegenstimme durchgegangen, bei der SPD fiel die Zustimmung in einem Mitgliedervotum mit 54,3 Prozent deutlich geringer aus.
Nach der Wahl Wegners zum Regierenden Bürgermeister wählte die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus einen neuen Vorsitzenden. Dirk Stettner, zuletzt baupolitischer Sprecher der CDU im Landesparlament, wird Wegner als Fraktionschef nachfolgen. Er habe bei der Wahl eine Zustimmung von 92 Prozent bekommen, teilte der Sprecher der Fraktion, Olaf Wedekind, am Donnerstagabend nach einer Sondersitzung mit.
Zum neuen Parlamentarischen Geschäftsführer wählte die Fraktion Stephan Schmidt, Abgeordneter aus Reinickendorf. Er bekam den Angaben zufolge eine Zustimmung von 83 Prozent. Schmidt ist Nachfolger von Stefan Evers, der als neuer Berliner Finanzsenator vereidigt wurde.
Die CDU war als stärkste Partei aus der Wiederholungswahl im Februar hervorgegangen und hatte SPD und Grüne auf die Plätze verwiesen. Giffey war daraufhin bereit, für die Koalition mit Schwarz-Rot ihr Amt aufzugeben, das sie bei einer Fortsetzung von Rot-Grün-Rot behalten hätte. Die Abstimmung im Februar war nötig geworden, weil es bei der regulären Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 zahlreiche organisatorische Pannen gegeben hatte.
Sendung: rbb Fernsehen, 27.04.2023, 20:15 Uhr
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