Wiederholungswahl mit Hindernissen
Bei den Vorbereitungen der Berliner Wiederholungswahl werden immer wieder neue Pannen bekannt. Der neue Landeswahlleiter spricht von "Fehlern, die nicht passieren dürfen". Trotzdem sei die Situation viel besser als 2021. Von Christoph Reinhardt
Eine fehlende Wahlscheinnummer auf einem Rücksendeumschlag in Reinickendorf. Ein fehlendes Dienstsiegel auf einem Wahlschein in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ein falsches Wahldatum auf einem englischsprachigen Informationsblatt zur BVV-Wahl. Im Bezirk Treptow-Köpenick wurden in
49 Fällen Briefwahlunterlagen doppelt verschickt, wie eine Sprecherin des Bezirks jetzt auf Anfrage mitteilte. Grund sei ein Softwarefehler.
Drei Wochen vor der Wiederholungswahl hat der Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses die SPD-Innensenatorin und den neuen Landeswahlleiter einbestellt. Sie sollen den Abgeordneten erklären, wieso es trotz aller nach der peinlichen Chaoswahl 2021 getroffener Vorkehrungen Woche für Woche neue Irritationen gibt.
Für die SPD-Innensenatorin Iris Spranger ist die Diagnose klar: Gerade die hohe Sensibilität im Umgang selbst mit kleinsten Pannen erwecke einen falschen Anschein. "Ich glaube, es gab noch nie eine Situation, in dem ein Landeswahlleiter so vorbereitet in die Wahl hineingegangen ist. Und dass jede einzelne aufgetretene Sache sofort vom Wahlleiter, der Geschäftsstelle und den Bezirken besprochen und korrigiert wurde."
Selbst wenn es nichts zu korrigieren gibt, veröffentlicht Landeswahlleiter Stephan Bröchler vermeintliche Wahlfehler auf seiner Internetseite. Als die CDU monierte, dass auf einem roten Rücksendeumschlag die Wahlscheinnummer fehlte, stellte Bröchler klar, dass dies auch gar nicht vorgeschrieben sei und die abgegebenen Stimmen dadurch nicht ungültig werden.
Mehr Aufwand verursachte eine Panne, bei der 1.700 Briefwähler einen falschen Stimmzettel bekamen. Der FDP-Bewerber hatte nach der Wahl Berlin verlassen und hätte eigentlich ersatzlos vom Stimmzettel gestrichen werden müssen, einen Nachrücker gab es nicht, aber sein Name wurde trotzdem erneut abgedruckt. Der Versand wurde gestoppt, die Stimmzettel neu gedruckt – und alle Betroffenen angeschrieben, damit sie einen neuen Wahlschein beantragen können.
Eine doppelte Stimmabgabe werde in diesem Fall verhindert, erklärt Bröchler, weil dabei der erste Wahlschein ungültig gemacht und die ursprünglich verwendeten Stimmzettel gar nicht erst mitgezählt würden. Aber auch die Stimmen derer, die nicht aktiv werden, würden mitgezählt – die Stimmen für den verzogenen FDP-Bewerber wären in diesem Fall allerdings ungültig. "Das darf nicht passieren, das ärgert mich auch maßlos", sagt Bröchler. "Aber es gibt keine hundertprozentig fehlerlosen Wahlen."
Schlicht peinlich sei ein Fehler, bei dem der zweite Vorname eines Kandidaten genauso falsch vom Stimmzettel 2021 für die Wiederholungswahl übernommen worden war. Obwohl der Bewerber den Fehler schon damals angezeigt hatte. Der Mitarbeiter, dem das Unterlaufen sei, habe an dem Tag 18 Stunden gearbeitet, sagt Bröchler, "der ist total zerknirscht". Bröchler setzt auf einen bewusst offenen Umgang mit solchen Fehlern: Er wolle den Berlinerinnen und Berlinern signalisieren, dass jede Panne und jeder Fehler ernst genommen und korrigiert werde.
Zumindest über fehlendes Vertrauen der Wahlberechtigten in die Briefwahl kann er sich nicht beschweren: Rund 364.000 Wahlscheine hat der Landeswahlleiter bis jetzt gezählt, etwas mehr als zum entsprechenden Zeitpunkt vor der letzten Wahl. Für einen pannenarmen Wahltag ist das ein gutes Zeichen: Je mehr Menschen per Brief wählen, desto weniger Druck entsteht in den Wahllokalen. Dort sind nun deutlich mehr Wahlhelfer eingeplant, mehr Zeit in den Wahlkabinen, obwohl weniger Stimmzettel auszufüllen sind – die Situation sei eine ganz andere als bei den Chaoswahlen von 2021, konstatiert der Wahlleiter.
Dennoch mahnt Bröchler zumindest langfristig mehr Befugnisse und eine bessere Ausstattung seiner Behörde an. Um den reibungslosen Ablauf der Europawahlen 2024, der Bundestagswahl 2025 und der regulären Berliner Wahlen 2026 gewährleisten zu können, benötige die Landeswahlleitung Durchgriffsrechte gegenüber den Bezirken und mehr Personal.
Gleich nach den Wiederholungswahlen müssten sich die Abgeordneten daran machen, die Vorschläge der Expertenkommission abzuarbeiten und das Berliner Wahlrecht anzupassen, fordert SPD-Innensenatorin Spranger die Abgeordneten auf. Die Wiederholungswahlen müssen allerdings noch unter denselben rechtlichen Bedingungen durchgeführt werden wie die Wahlen 2021, das hat das Landesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt. Spranger will das allerdings nicht als Ausrede für noch einen holprigen Wahlabend hinnehmen. Sie erwarte, dass alle Beteiligten auch so an einem Strang ziehen, schon wegen der Außenwirkung. "Ich möchte das Bild der Bundeshauptstadt Berlin wieder herstellen: Wir können Wahlen."
Beitrag von Christoph Reinhardt
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