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Audio: rbb24 Inforadio | 14.02.2023 | Sebastian Schöbel | Quelle: dpa/A.Karpe-Gora

Auswirkung der Wiederholungswahl

CDU meldet Ansprüche auf Bezirksrathäuser an

Während die CDU nach der Wiederholungswahl realistische Chancen aufs Rote Rathaus hat, sieht es in den Bezirken ganz anders aus: Hier verhindert das Beamtenrecht, dass die Bezirksverwaltung die neuen Mehrheiten widerspiegelt. Von Sebastian Schöbel

Was auf der Berliner Landesebene gerade Gegenstand hitziger Debatten über demokratischen Anstand und Moral ist, gehört auf Bezirksebene längst zur politischen Normalität: Wahlgewinner besetzen nicht immer auch den Posten des Regierungschefs. Zählgemeinschaften in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) haben schon viele lokalpolitische Ambitionen zunichte gemacht.

Die CDU musste das 2021 zum Beispiel in Reinickendorf erleben. Damals gewann die Partei mit Spitzenkandidat Michael Wegner 29 Prozent der Stimmen, mehr als alle Mitbewerber. Doch SPD, Grüne und FDP bildeten eine Zählgemeinschaft, um Sozialdemokrat Uwe Brockhausen zum Bürgermeister zu wählen.

BVV-Wahlen 2021

So wurde in den Berliner Bezirken gewählt

Mehrere Machtwechsel in Bezirksparlamenten, oft zugunsten der Grünen, teils starke Verluste für Linke und AfD - und eine kleine Partei, die überraschend stark abgeschnitten hat. Die Ergebnisse der Berliner BVV-Wahlen im Überblick.

Was damals keiner wusste: Etwas mehr als ein Jahr später würde Wegner eine zweite Chance bekommen, durch die Wiederholungswahl. Am Sonntag gewann die CDU sogar 40 Prozent der Stimmen. Doch ob Wegner nun auch das neobarocke Rathaus am Antonyplatz übernimmt, ist unklar.

Gesetz sieht Wiederholungswahl nicht vor - viele Jobs sind sicher

Denn während sich die Bezirksverordneten in ganz Berlin am Sonntag erneut zur Wahl stellen mussten, hatten die Bezirksbürgermeister und Bezirksstadträte ihre Jobs bereits weiterhin sicher. Der Grund: Sie wurden nach der Wahl 2021 zu Beamten auf Zeit, und zwar bis zum Ende der Wahlperiode. So will es das Gesetz. Dass sie durch eine Wiederholungswahl frühzeitig abgewählt werden, ist schlicht nicht vorgesehen. Vorzeitig abgewählt werden können Bürgermeister und Stadträte in Berlin nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in der BVV. Zuletzt ist das dem grünen Bürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel passiert.

"Da schlägt das Beamtenrecht das Demokratieprinzip", erklärt Parteienforscherin Julia Reuschenbach in der rbb24 Abendschau. "Man müsste jetzt zu einem gemeinsamen Konsens kommen, dass man angesichts komplett neuer Mehrheiten eine Regelung findet, um das auszubessern."

Eine Pflicht, jetzt neue Bezirksämter zu wählen, gibt es nicht. Zu diesem Schuss kommt auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Abgeordnetenhaus, das die AfD in Auftrag gegeben hat. Es liegt dem rbb vor. Demnach sind die Mitglieder der Bezirksämter "rechtmäßig ernannte Beamte auf Zeit" für die Dauer der gesamten Wahlperiode.

Die werde durch die Wiederholungswahl nicht beendet, so die juristischen Experten des Abgeordnetenhauses. Das habe auch der Verfassungsgerichtshof so geurteilt. Deswegen haben zum Beispiel auch Entscheidungen der Bezirksämter, die seit der Wahl 2021 gefällt wurden, ebenso Bestand wie Entscheidungen und Gesetze von Senat und Abgeordnetenhaus, unabhängig von der Wiederholungswahl.

Die Bezirksämter nun einfach neu zu wählen, verletzte das Beamtenrecht, "widerspricht dem Gebot von Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit und wäre mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden", so das Gutachten.

AfD droht mit Klage

Berlins AfD-Chefin Kristin Brinker will das nicht akzeptieren und droht bereits mit einer Klage. "Fast alle bestehenden Bezirksämter haben ihre politische und moralische Legitimation verloren", so Brinker. Daran ändere auch das Beamtenrecht nichts.

Ähnlich kritisch hatte sich vor der Wahl bereits die CDU geäußert und im Januar eine Gesetzesänderung im Abgeordnetenhaus eingereicht. Demnach müssten auch bei einer Wiederholungswahl die Bezirksämter neu gewählt werden.

SPD, Grüne und Linke kritisierten den Vorstoß als Alleingang, abschließend beraten muss ihn nun ein neues Parlament. Verändert werden müsse der Zustand aber sofort, sagt CDU-Politiker Falko Liecke. "Ansonsten bekommt man Demokratie nicht mehr erklärt", sagt der Sozialstadtrat, der sich Hoffnungen auf den Bürgermeisterposten in Neukölln macht.

Freiwilliger Verzicht? Bitte um Entlassung?

Ein Rücktritt vom Bürgermeisterposten scheint für die bisherigen Amtsinhaber jedenfalls keine Option zu sein. "Einen Rücktritt gibt es für Bezirksbürgermeister nicht", sagt Oliver Igel von der SPD, der das Rathaus in Treptow-Köpenick leitet. "Das ist auch technisch nicht möglich."

Mit Blick auf das Bezirksverwaltungsrecht stimmt das – doch ein freiwilliger Verzicht auf den Posten ist nicht völlig unmöglich. Genau darüber müsse man nun sprechen, räumt Mittes Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) nun im rbb ein. "Ich möchte, dass wir uns da überbezirklich auf eine Linie verständigen, sowohl die SPD als auch wir, die Grünen."

Könnte also sein, dass demnächst ganze Bezirksämter inklusive Bürgermeister um Entlassung bitten, um sich danach erneut einer Wahl in ihren jeweiligen Bezirksverordnetenversammlungen zu stellen. "Dass die CDU da ein legitimes Interesse hat, ist doch klar", so Remlinger.

Hohe "Kosten der Demokratie"

Sollte es die Beamten auf Zeit allerdings nicht schaffen, wären sie zumindest finanziell abgesichert. "Im Fall einer solchen vorzeitigen Abberufung erhält das Bezirksamtsmitglied Ruhegehalt nach beamtenversorgungrechtlichen Regeln", heißt es im Gutachten des Abgeordnetenhauses, und zwar "bis zum Ablauf der Amtszeit."

Sprich: Wer nach der Wiederholungswahl seinen Posten als Bezirksstadtrat oder Bürgermeister verliert, erhält noch bis 2026 rund 71 Prozent seines Gehalts ausgezahlt. "Das sind dann Kosten der Demokratie", so CDU-Politiker Liecke.

Update

Sendung: rbb24 Abendschau, 14.02.23, 19:30 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

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