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Quelle: DPA/Michael Kappeler

Mindestlohn, Messe, Stadtwerke

So wollen CDU und SPD in Berlin ihre Wirtschaftspolitik gestalten

Die Berliner Wirtschaft steht zwar insgesamt gut da, trotz inzwischen drei Jahren Dauerkrise. Dennoch ist das Wirtschaftskapitel in den Koalitionsverhandlungen kein Spaziergang: Es gibt mindestens drei Knackpunkte. Von Sebastian Schöbel

Ob er auch der nächsten Berliner Regierung angehören wird, weiß Stephan Schwarz noch nicht. Aber sollte der parteilose Wirtschaftssenator nach gut eineinhalb Jahren das Amt wieder abgeben müssen, könnte er auf eine solide Bilanz verweisen: Die Doppelkrise aus Pandemie und Ukraine-Krieg haben die meisten Unternehmen in der Hauptstadt offenbar gut überstanden, so Schwarz, eine Pleitewelle ist jedenfalls ausgeblieben.

Der Ausblick für dieses Jahr sei "optimistisch", sagt er. "Wir sind bisher von einem Wirtschaftswachstum von 0,5 und 1 Prozent ausgegangen. Wir werden uns eher am oberen Ende bewegen." Den Grund sieht der Wirtschaftssenator wenig überraschend bei den staatlichen Hilfspaketen.

Die Vereinigung der Unternehmerverbände (UVB) ist da etwas skeptischer. Man befinde sich durch die gestiegenen Preise, Lieferschwierigkeiten und geopolitische Unsicherheiten in einer "schwierigen Lage". Zwar erwarten die Unternehmen leichte konjunkturelle Verbesserungen, so der UVB, "einen echten Aufschwung sehen sie aber nicht".

Auch Schwarz, der schon von Amtswegen zum wirtschaftspolitischen Optimismus verdonnert ist, räumt ein: Es gibt durchaus Probleme. So seien die Investitionen im Berliner Start-Up-Sektor im vergangenen Jahr um die Hälfte eingebrochen, auf fünf Milliarden Euro. "Und mir persönlich macht die Situation im Handel Sorgen", sagt Schwarz auf rbb-Nachfrage. Selbst der Online-Handel zeige nach dem Aufschwung in der Pandemie Schwächen.

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Landesmindestlohn wird zum Zankapfel

Entsprechend genau schaut die Wirtschaft nun auf die Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD - genauer, auf die Arbeitsgruppe 9. Denn hier sollten die wirtschaftspolitischen Leitlinien der schwarz-roten Regierung ausgearbeitet werden. Die Gespräche sind in dieser Woche beendet worden. In vielen Dingen sind sich beide Parteien einig. An einigen Stellen aber gibt es nach rbb-Informationen in den Gesprächen grundsätzlichen Dissens.

So pocht die SPD in den Verhandlungen darauf, dass der Landesmindestlohn von derzeit 13 Euro pro Stunde Voraussetzung bei der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand bleibt. Die Berliner Wirtschaft sieht solche Auflagen als Hindernis – und findet dafür viel Zuspruch in der CDU. Trotzdem haben sich die SPD-Verhandler in der Arbeitsgruppe durchgesetzt, wie der rbb erfuhr.

Unterschiedlicher Auffassung ist man auch beim Umgang mit der Messe Berlin. Das landeseigene Unternehmen arbeitet sich gerade mit einigem Erfolg aus der Coronakrise, das Geschäftsjahr 2022 wurde mit 354 Millionen Euro Umsatz und einem nur geringfügigen Minus beendet, und der Kalender für 2023 ist voll. Die CDU hat in den Verhandlungen dennoch vorgeschlagen, dass sich künftig auch private Investoren an der Messe engagieren können, als Minderheitseigner. Das wiederum stößt bei der SPD auf Widerstand: Sie will, dass die Messe ein reines Landesunternehmen bleibt.

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Welche Rolle sollen die Stadtwerke bei der Energiewende spielen?

Auch die Rolle der Berliner Stadtwerke sehen SPD und CDU sehr unterschiedlich. Die Sozialdemokraten können sich vorstellen, das landeseigene Unternehmen zum zentralen Dienstleister für den Ausbau von Solar- und Windenergie, den Aufbau einer Ladesäulen-Infrastruktur und Mieterstromprojekte zu machen.

Die Christdemokraten haben da Vorbehalte: Sie fürchten unter anderem, dass dadurch der Ausbau der erneuerbaren Energien ausgebremst werden könnte. Auch bei der Förderung der Kreativwirtschaft, also den vielen Clubs und Medienunternehmen der Stadt, setzen beide Parteien unterschiedliche Akzente. Die SPD will die unterschiedlichen Zuständigkeiten bei der Wirtschaftsverwaltung bündeln, die CDU war bislang dagegen.

Allerdings: In vielen Punkten ist man sich nach rbb-Informationen in den Koalitionsgesprächen auch schon einig geworden. So soll die Wirtschaft im kommenden Jahrzehnt klimaneutral umgebaut werden – schneller also, als es die vereinbarten Klimaziele vorgeben. Dass die Fernwärme in öffentliche Hand kommen soll, haben die Verhandlungsführer bereits angekündigt, genauso wie den Erwerb von Anteilen an der Gasag.

Aus der Kohle will man vor 2030 aussteigen und dafür verstärkt in die Wasserstofftechnologie investieren. Die Solar-Ausbaupläne von Rot-Grün-Rot werden fortgeführt und Kleinwindanlagen stärker gefördert. Bei der Wärmeversorgung setzen CDU und SPD zudem auf Geothermie.

Einigkeit bei Fragen der wirtschaftlichen Ausrichtung

Der Fokus der möglichen Koalition soll auch auf dem Gesundheitssektor und der IT-Branche liegen. So soll Berlin zum Beispiel zum Zentrum für Künstliche Intelligenz werden. Außerdem soll verstärkt in die Kreislaufwirtschaft investiert werden, um nachhaltiger, klimaschonender und kosteneffektiver zu produzieren. In der Kreativbranche will schwarz-rot unter anderem verstärkt die Berliner Spieleindustrie und E-Sports fördern. Ziel ist es, in Berlin eine neue Leitveranstaltung für die boomende Games-Branche zu etablieren.

Einig ist man sich auch, dass Berlin eine Expo im Jahr 2035 ausrichten soll. An der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung halten CDU und SPD fest, auch wenn die Flugausstellung weiterentwickelt werden muss.

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Keine Sondernutzungsgebühr für Gastronomen

Um dem durch Pandemie und Energiekrise schwer gebeutelten Einzelhandel zu helfen, soll eine spezielle Task Force Lösungen für Einkaufsstraßen entwickeln. So sollen zum Beispiel leerstehende Geschäfte möglichst schnell neu genutzt werden, auch mit Zwischenlösungen durch kulturelle oder soziale Angebote. Und der Gastronomie will man bis Ende 2024 die Sondernutzungsgebühr für öffentliches Straßenland erlassen.

Wie viele dieser Ziele am Ende im Koalitionsvertrag landen, entscheiden allerdings nicht die Facharbeitsgruppen, sondern die Verhandlungsführer beider Parteien. Entscheidend dürfte die Meinung der Finanzexperten sein: Die sollen ganz am Ende der Gespräche, am 31. März, ihre Vorschläge abliefern. Schon jetzt wird klar: Nicht wenige Ideen dürften am Ende dem Rotstift der Haushälter zum Opfer fallen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.03.2023, 09:00 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

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