Kommentar | Wahl-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die Wiederholungswahl in Berlin kann zunächst wie geplant stattfinden. Allerdings ist noch offen, wie das Bundesverfassungsgericht die Rechtmäßigkeit der Wiederholung im Hauptsacheverfahren einschätzt. Das ist ein echtes Problem, kommentiert Jan Menzel.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sendet an die Berlinerinnen und Berliner ein irritierendes "Ja, aber". Ja, die Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus findet statt, aber danach gucken wir noch mal, ob alles so seine Richtigkeit hatte. Dabei hätte es nach der Pannenwahl und der durchaus zweifelbehafteten Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichts, die Wahl in der ganzen Stadt zu wiederholen, dringend Klarheit gebraucht.
Schlimmer noch: Dem weit verbreiteten, diffusen Unverständnis und der Distanz gegenüber der Politik und den Verfahren der parlamentarischen Demokratie könnte mit dieser Gerichtsentscheidung Vorschub geleistet werden. Es wäre ein Super-Gau für die Demokratie, wenn Wählerinnen und Wähler sich unter diesen Umständen entnervt abwenden und nicht wählen gehen.
Denn mit ihrer Entscheidung haben die Karlsruher Richter die Berliner Wahl unter einen Vorbehalt gestellt. Nämlich den, dass das Berliner Verfassungsgericht mit seiner Entscheidung zur kompletten Wahlwiederholung womöglich über das Ziel hinausgeschossen ist, quasi das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat. Und obwohl diese elementare Frage weiter über dem Urnengang schwebt, wird die Wahl am 12. Februar abgehalten.
Zubilligen muss man den obersten deutschen Richtern allerdings, dass sie sich letztlich nur zwischen zwei Übeln entscheiden konnten. Sie hätten die Wahl zunächst stoppen können, auf die Gefahr hin, dass am Ende ein Urteil steht, das sagt: Die Wiederholungswahl hätte doch stattfinden müssen. Nun aber lassen die Richter die Wahl abhalten, mit dem Risiko, dass sie später feststellen, die Wiederholung in ganz Berlin war überzogen.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass Karlsruhe auch über die Bundestagswahl entscheiden muss. Hier geht es bislang nur um eine teilweise Wiederholung in Berlin. Auch das ist erklärungsbedürftig. Wer soll verstehen, wenn möglicherweise in dem einen Fall die ganze, in dem anderen aber nur die halbe Stadt wählen darf?
Das Bundesverfassungsgericht hätte an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt gut daran getan, mindestens einen deutlichen Hinweis zu geben. So aber werden die Berlinerinnen und Berliner am 12. Februar mit einer schweren Bürde in diese Wahl geschickt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 31.01.2023, 16:00 Uhr
Beitrag von Jan Menzel
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