CDU-Spitzenkandidat
Vor den Koalitionsgesprächen mit der SPD hat CDU-Spitzenpolitiker Kai Wegner vorgeschlagen, Volksbefragungen zu den Streitthemen A100 und Tempelhofer-Feld-Bebauung durchzuführungen. Solche "Befragungen von oben" sind im Landesrecht jedoch bislang nicht vorgesehen.
Berlins CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner will die Berlinerinnen und Berliner erneut über eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes abstimmen lassen. Das sagte der Politiker der "Berliner Morgenpost" und dem "Tagesspiegel".
Nach einem erfolgreichen Volksentscheid 2014 ist bislang jede Bebauung des 355 Hektar großen ehemaligen Tempelhofer Flugfeldes ausgeschlossen. Die Union möchte das nun ändern.
Zwar habe es für die Bebauung des Tempelhofer Feldes bereits einen Volksentscheid gegeben, sagte Wegner der "Berliner Morgenpost" - doch seitdem habe sich die Wohnungsnot zugespitzt, auch die Mieten seien gestiegen.
Im Rahmen "einer Art Zukunftswerkstatt" - ein Konzept der Bürgerbeteiligung - könne man über Konzepte für eine Randbebauung des Areals nachdenken, etwa über altersgerechtes Wohnen oder bezahlbare Mieten, sagte Wegner. "Wenn wir mit so einem Konzept vor die Berliner treten, könnten wir im Rahmen einer Volksabstimmung dafür werben, dass das Gelände anders genutzt wird als heute", erklärte er.
CDU-Generalsekretär Stefan Evers ergänzte am Samstag gegenüber dem rbb: "Wir haben vor allem das Ziel, die Wohnungsnot in der Stadt zu mildern - das wird ein ganz zentrales Anliegen der künftigen Koalition sein müssen. Dazu gehört in unseren Augen auch eine behutsame Randbebauung des Tempelhofer Feldes."
Bislang ist jedoch eine "Befragung von oben" - also eine vom Senat initiierte Abstimmung - im Berliner Landesrecht nicht vorgesehen. Um sie einzuführen, bräuchte es mindestens eine Änderung des Abstimmungsgesetzes, möglicherweise aber sogar eine Verfassungsänderung, für die im Parlament eine Zweidrittelmehrheit erforderlich wäre.
Einen entsprechenden Vorstoß hatte die CDU aus der Opposition bereits 2019 gemacht. Klare Sympathien dafür gab es auch bei den Sozialdemokraten. Weil Grüne und Linke in der damals rot-rot-grünen Koalition vehement widersprachen, verlief der Vorschlag jedoch im Sand.
Auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die die Berliner Sozialdemokraten in die Koalitionsverhandlungen mit der Union führt, hatte im März 2022 erklärt, sie halte einen neuen Volksentscheid über die Bebauung des Tempelhofer Felds für denkbar, schloss damals dabei aber aus, dass die Initiative dazu vom Senat ausgehen werde.
Mit dem gleichen Instrument einer solchen Volksbefragung von oben will die CDU auch die umstrittene Verlängerung der A100 vom Treptower Park zur Storkower Straße durchbringen.
"Ich bleibe bei meiner Position: Der 16. Bauabschnitt ergibt nur Sinn, wenn der 17. folgt", sagte Wegner. "Ich bin sehr optimistisch, dass eine breite Mehrheit für das Vorhaben votieren würde", hieß es weiter.
Es brauche in diesem Fall aus CDU-Sicht eine zusätzliche Legitimation, so Evers. Eine Volksbefragung könne dafür der richtige Weg sein. Es gehe bei der Verlängerung "insbesonders um die Erschließung in Richtung der großen Magistralen, in Richtung der Frankfurter Allee, und das werden wir mit der SPD besprechen."
In den Koalitionsverhandlungen aber dürfte dieses Thema umstritten bleiben. Die SPD hat die Verlängerung, den sogenannten 17. Bauabschnitt, auf einem Parteitag mehrheitlich abgelehnt. Aus der SPD-Spitze hieß es am Samstag, man sehe eine Volksbefragung zur A100 mehr als kritisch. Beim Tempelhofer Feld hingegen können sich führende Sozialdemokraten diesen Weg aber durchaus vorstellen.
Die Verantwortung für Planung, Bau und Ausbau der Bundesautobahnen liegt ausschließlich in der Hand des Bundes als Eigentümer. Er plant, baut aus und unterhält. Zwar erhalten politische Initiativen regionaler Akteure oder der betroffenen Landespolitik zu Ausbau- oder Veränderungsprojekten der Autobahnen Beachtung und Gehör, die Entscheidungsvollmacht aber liegt beim Bund.
Als weitere Vorhaben nannte Wegner die Beschleunigung der Abläufe in den Verwaltungen und den Ausbau von erneuerbare Energien. Zum Umgang mit dem Enteignungsvolksentscheid sagte Wegner dem "Tagesspiegel": "Willkürliche Enteignungen von Immobilienunternehmen wird es mit uns nicht geben."
Bettina Jarasch, Ex-Spitzenkandidatin der Grünen und Senatorin für Mobilität und Umwelt, kritisiert die Idee einer erneuten Abstimmung zum Tempelhofer Feld scharf: "Wir haben davor gewarnt, dass mit Schwarz-Rot eine Rückschrittskoalition kommt, sagte sie dem rbb. Direkte Demokratie werde rückabgewickelt durch Volksbefragungen von oben, die erfolgreiche Volksentscheide von unten aufheben sollen.
Jarasch bezeichnet die CDU-Pläne als Ablenkungsmanöver von dem, was in den nächsten drei Jahren dringlich anstehe, darunter die Verwaltungsmodernisierung, der Mieterschutz und die Energiewende.
Auch die Linke kritisiert den Vorstoß Wegners. "Wir haben uns damals klar positioniert, und daran hat sich auch nichts geändert. Wir schätzen diese Freifläche für die Stadt", sagte Fraktionssprecher Thomas Barthel der "Berliner Morgenpost". Er verstehe die erneute Debatte um diesen durch ein Gesetz geschützten Ort nicht. "Es kommt ja auch keiner auf die Idee, den Tiergarten abzuholzen."
CDU und SPD wollen nächste Woche ihre Koalitionsgespräche für eine neue Berliner Landesregierung beginnen. Die CDU hatte die Wiederholungswahl Mitte Februar mit 28,2 Prozent gewonnen. SPD und Grüne bekamen beide jeweils 18,4 Prozent. Die Sozialdemokraten haben mit 53 Stimmen nur einen hauchdünnen Vorsprung vor den Grünen. Die Linke kam auf 12,2 Prozent, die AfD auf 9,1. Die FDP ist nicht mehr im Landesparlament.
Sendung: rbb24 Abendschau, 04.03.2023, 19:30 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen